Wie viel Wert Johannes Gertenbach auf Kuhkomfort und das Wohlbefinden seiner 450 Milchkühe legt, sahen die Mitglieder des DLG-Forums Spitzenbetriebe beim Besuch des Betriebes auf den ersten Blick. Die Gertenbach GbR im nordhessischen Fritzlar-Cappel besteht aus Johannes und seinem Vater Jörg. Nachdem auf der alten Hofstelle bis dahin 180 Kühe gemolken wurden, entschloss sich Familie Gertenbach durch den Neubau des Milchviehstalles im Außenbereich 2015 zu einem beachtlichen Wachstumsschritt. Ein Jahr nach dem Umzug in den neuen Stall wurden aus ostdeutschen Betrieben 120 Färsen zugekauft.
Der Melkstand
Der 2 x 3-Reiher-Boxenlaufstall mit mittigem Futtertisch beherbergt die melkenden Kühe. Die Liegeboxen sind dick mit einem Stroh-Kalkgemisch eingestreut. Die Laufgänge sind planbefestigt mit mittlerem Abwurfschaft. »Wir achten sehr darauf, den Stall nicht überzubelegen. Jede der vier Gruppen besteht nahezu konstant aus maximal 100 Kühen. Im Repro-Bereich sind etwa 10 Tiere, die gemolken werden untergebracht und 25 bis 30 Tiere sind im Close-Up-Bereich ab dem 21. Tag vor dem errechneten Kalbetermin aufgestallt. Einmal wöchentlich ist Gruppenwechsel, bei dem zwischen fünf und zehn Tiere umgestellt werden. Den größten Teil der Transitphase und ihre Abkalbung verbringen die Kühe auf Stroh in der separaten Liege- Fresshalle. Zweimal wöchentlich wird eingestreut und alle drei Monate gemistet. Sie sind dort in acht Abteilen gruppiert und die Tiere bleiben eine möglichst lange Zeit zusammen in ihrer Gruppe, um unnötige Unruhe zu vermeiden. Mit näher kommendem Geburtstermin wechseln die Kühe jeweils eine Box weiter.
Der Melkstand befindet sich in unmittelbarer Verlängerung des Transitbereichs und hat einen Vorwartehof mit Nachtreibeeinrichtung. Gemolken werden die Kühe in einem 2 x 20 Sidy-by-Side-Melkstand mit Unterflurkeller und Schnellaustrieb. »Der Unterflurkeller hat sich bei uns bewährt, z. B. während der Milchkontrolle, bei der der Kontrolleur ungestört arbeiten kann«, sagt Gertenbach. Außerdem verfügt der Melkstand über eine Tiererkennung, ein System zur Brunst- und Wiederkauerkennung sowie eine Selektion für auffällige Tiere. 120 Kühe pro Stunde werden zweimal täglich von zwei Melkern und einem Treiber pro Schicht gemolken. »Wir haben dafür vier polnische Mitarbeiter über eine Zeitarbeitsfirma angestellt«, sagt Gertenbach. Das Team um ihn und seinen Vater wird außerdem noch durch einen fest angestellten Mitarbeiter ergänzt.
Die Jungrinder und die Frühtrockensteher hält die Gertenbach GbR in ihren Altgebäuden, einem Boxenlaufstall auf der Hofstelle im Dorf. »Es ist schon etwas aufwendig und kostet Zeit, die Tiere hin und her zu fahren«, sagt Johannes Gertenbach. Die Kälber bleiben bis zum Alter von 14 Tagen in Einzeliglus, danach werden sie gruppenweise in Großraumiglus gehalten. Innerhalb der ersten drei Lebensstunden bekommen sie Biestmilch durch die Melker verabreicht. Danach werden zunächst zweimal täglich 3 l und später 3,5 l nicht angesäuerter Vollmilch pro Mahlzeit mit dem Kälbertaxi verabreicht. Ab dem vierten Lebenstag wird den Kälbern Müsli gefüttert, und sie bekommen die TMR der Kühe angeboten. Weiteres Kraftfutter wird nur zum Absetzen gefüttert. Die Gertenbach GbR behält aus Platzgründen nur die zur Remontierung benötigte weibliche Nachzucht. Alle anderen Tiere werden als Kalb verkauft.
Dass Johannes Gertenbach ein gutes Auge für Kühe hat, zeigt sich auch an der Leistung der Milchviehherde. Sie liegt bei 13 053 kg ECM pro Kuh und Jahr mit 3,98 % Fett und 3,32 % Eiweiß. Die Remontierungsrate beträgt aufgrund der hohen Milchleistung »gewollte« 28 % und die Zwischenkalbezeit 382 Tage.
Gefüttert werden nur eine Ration TMR für alle melkenden Kühe und eine Ration für die Trockensteher.
Sie sind in mehrere Gruppen nach Laktation und Alter unterteilt: Frischmelker, Färsen, Hochleistungskühe besamt, Hochleistungskühe trächtig. Mehrmals täglich wird das Futter angeschoben. Die Futtereffizienz liegt bei 300 g KF/kg Milch. »Ich lege hier viel Wert auf eine konstante Ration, denn jede Veränderung bedeutet Stress für den Pansen«, sagt Gertenbach. »Wir bemühen uns, die Kühe immer ausgewogen, dem Leistungsniveau entsprechend, auszufüttern«. Die TMR der Melkenden ist auf 7,2 MJ NEL je kg TM und 41 kg Milch ausgelegt.
Das komplette Herdenmanagement macht Johannes Gertenbach selbst, er ist zudem Eigenbestandsbesamer. Der Besamungsindex (BSI) liegt bei den Kühen bei 1,7. Das Erstkalbealter beträgt 25 Monate und die durchschnittliche Abgangsleistung 42 000 kg Milch. Die Rinder werden im Alter von 12 bis 13 Monaten zum ersten mal besamt. »Wir besamen die meisten Färsen und die besten 25 % unserer Kühe mit gesextem Sperma, unabhängig davon, in welcher Laktation sie sich befinden «, sagt Johannes Gertenbach. »Die schlechtesten 25 % haben wir bisher mit Angus belegt, wir wechseln aber jetzt zu British Blue, weil diese Kälber besser zu vermarkten sind«. Mehrere Jahre hat der Betrieb mit genomischer Selektion gearbeitet, sie dann aber wieder eingestellt: »Die Färsen entsprachen nicht dem Typ Kuh, den ich für unseren Betrieb haben möchte. Sie standen oftmals zu steil hinten und waren zu schmal«, sagt Gertenbach. »Ich setze bevorzugt töchtergeprüfte Bullen ein, die bereits viele Nachkommen haben«. Auch Embryotransfer nutzt Gertenbach – hauptsächlich bei Jungrindern – um gute Kuhfamilien des Betriebes noch stärker in der Herde zu verbreiten. »Ich kenne unsere Kuhfamilien sehr gut und versuche, bei den Anpaarungen immer einen Ausgleich oder eine Verbesserung zur Vorgeneration zu realisieren. Das klappt am besten, wenn man genau weiß, wie sich ein Bulle vererbt und was die Stärken und Schwächen sind«, sagt Gertenbach, der mit seinen Kühen auch immer wieder auf Zuchtschauen erfolgreich ist.
Außenwirtschaft
Bewirtschaftet werden insgesamt 145 ha Grünland (davon sind 35 ha Heuzukauf) und 100 ha Ackerland. Angebaut werden 90 ha Silomais und 10 ha Zuckerrüben. Ein Großteil der Arbeiten erledigt ein Lohnunternehmer. Über einen Fruchtfolgewechsel kooperiert der Betrieb mit Nachbarn.
Weitere Leistungssteigerungen sind momentan verständlicherweise nicht das Ziel, denn das Leistungs- und Gesundheitsniveau ist derzeit kaum noch zu verbessern. Investieren will die Gertenbach GbR in die Haltung der Frühtrockensteher und des Jungviehs. Beide Gruppen sollen langfristig auch auf der neuen Hofstelle gehalten werden.