Die diesjährige EuroTier findet unter deutlich besseren wirtschaftlichen Voraussetzungen statt als vor zwei Jahren. Die Coronakrise wirkte damals noch nach. Zwar sind die aktuellen Rahmenbedingungen, die die Politik vorgibt, insbesondere für Schweinehalter alles andere als stabil. Dennoch wurde in den letzten zwei Jahren in weiten Teilen der Nutztierhaltung aufgrund positiver Marktentwicklungen gutes Geld verdient. Zukunftsorientierte Betriebsleiter schmieden wieder Investitionspläne. Im Fokus stehen neben der Produktionseffizienz die Umsetzung von mehr Tierwohl und die Einsparung von Arbeitszeit. Was sind die Zukunftsthemen und Trends in der Tierhaltungstechnik?
KI in der Tierhaltung
»Künstliche Intelligenz ist ein entscheidender Faktor für die künftige Entwicklung der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung«, sagt Prof. Dr. Heinz Bernhardt vom Lehrstuhl für Agrarsystemtechnik der TU München und Vorsitzender der EuroTier-Neuheitenkommission. Im Bereich KI-Bildanalyse sind alleine durch Kameras im Stall eine Tieridentifizierung, Wegstreckenverfolgung von Tieren durch den Stall oder das Erkennen von Lahmheit, Brünstigkeit oder Geburt möglich. Besonders bei Nutztieren, bei denen umfangreiche Sensoren direkt am Tier nur schwer machbar sind (Schweine, Hühner), bietet die Bildanalyse ganz neue Möglichkeiten.
Datenvernetzung. Für die intensive Nutzung von KI ist eine Quervernetzung verschiedener Datenquellen entscheidend. Problematisch in diesem Zusammenhang ist der weitgehend herstellerspezifische Ansatz. Eine Datenvernetzung über bereits bekannte, herstellerübergreifende Lösungen wie ISOagriNET voranzutreiben, wird eine zentrale Aufgabe sein, um die Vorteile der Digitalisierung zu beschleunigen.
Robotik
Über alle Bereiche der Nutztierhaltung in Europa ist ein zunehmender Einsatz von Robotern zu beobachten, der auch durch KI noch einmal verstärkt wird. Ein Hauptaspekt ist dabei, durch Roboter den Menschen zu entlasten. Gleichzeitig lässt sich damit das Problem der körperlichen und geistigen Ermüdung des Menschen angehen. Fehler bei der Arbeit mit Tieren werden so reduziert. Auch vor dem Hintergrund fehlender Arbeitskräfte in der Nutztierhaltung wird der Einsatz von Robotern immer interessanter. Dabei ist auch eine Erhöhung der Arbeitseffizienz und der -qualität zu beobachten.
Emissionsminderung
Ein in der Fütterung traditionell intensiv verfolgtes Ziel ist nach wie vor die Minimierung der Emissionen von Stickstoff und Phosphor. Ein klassischer Ansatz ist die Ergänzung von Aminosäuren. »Spätestens seit der letzten Dekade muss in der Rinderfütterung beim Thema »umweltrelevante Ausscheidungen« auch die Minimierung von Treibhausgasen wie Methan mitgedacht werden«, so Bernhardt. Das hier in den letzten Jahren entstandene Aktivitätsfeld entwickelt sich stetig weiter. Im Bereich der methansenkenden Zusätze scheinen weitere Produkte praxisreif zu sein.
Emissionen von Laufflächen reduzieren. Sowohl in der Rinder- als auch der Schweinehaltung rücken die Laufflächen stärker in den Fokus. Um sie sauber zu halten, werden Konzepte benötigt, in denen Kot, Mist und Gülle zeitnah abgeleitet werden. In der Rinderhaltung werden dafür vermehrt Roboter eingesetzt. In Verbindung mit den richtigen Laufflächen, die ein schnelles Abfließen von Urin garantieren, werden wesentliche Ziele erreicht: Es werden nicht nur Emissionen gesenkt, sondern auch die Klauengesundheit bleibt durch die trockenen Laufflächen erhalten und die Arbeitsbedingungen sind durch die sauberen Laufflächen angenehmer.
Mehr junge Unternehmen auf der EuroTier
Startups. Ein Treffpunkt für Startups ist die Startup-Zone in der Pavillonhalle 24. 34 Startups aus 15 Ländern und drei Kontinenten – Europa, Nordamerika und Asien – sind hier vertreten. Ihre Zahl ist im Vergleich zur letzten EuroTier 2022 um 37 % gestiegen. Unter ihnen sind zwei Newcomer mit dem EuroTier Innovation Award in Silber ausgezeichnet worden: das Hochdruck-Lanzensystem von Aufratech und die Geschlechtsbestimmung im Ei von Omegga (Seite 42).
Die 34 EuroTier-Startups decken ein breites Produktspektrum ab, von Tiernahrung und Tiergesundheitsprodukten bis hin zu Stall- und Lagereinrichtungen sowie Hardware- und Softwareangeboten. Die Besucher können sich über modernste Softwarelösungen mit der neuesten KI- und Sensortechnologie informieren, die die Überwachung der Tiergesundheit und die Produktion unterstützen, ebenso wie über Technologien und Dienstleistungen für die Landwirtschaft mit Controlled Environment Agriculture (CEA) und dezentrale Energiesysteme.
Stallklima
Der Klimawandel mit den damit verbundenen steigenden Temperaturen ist auch in den Ställen zu spüren. Hier geht es darum, Belastungen für Mensch und Tier zu reduzieren. Dank moderner Technik werden die Tiere wie auch die Tierhalter heute weniger belastet. Mögliche Probleme, wie z. B. eine defekte Sprühkühlung, werden dank zunehmender Digitalisierung besser erkannt. Ein weiterer Punkt ist die Reduzierung des Ammoniakgehaltes in der Stallluft von Schweineställen. Durch die Überwachung des Stallklimas mit digitalen Ammoniaksensoren wird die Luftqualität in den Ställen verbessert und beim Überschreiten der Grenzwerte entsprechende Maßnahmen eingeleitet.
Tierwohl
Zentrale Ziele in der Tierhaltung sind nach wie vor die Verbesserung des Tierwohls und der -gesundheit. Global gesehen ist Tierwohl eher ein europäisches Thema. Es wird zwar von den Herstellern und Landwirten als sehr wichtiger Bereich erkannt, die Entwicklung neuer Systeme befindet sich derzeit aber in einer Art »Dornröschenschlaf«. Der Grund für diese Zurückhaltung liegt darin, dass derzeit nicht abzuschätzen ist, welche politischen und gesellschaftlichen Anforderungen zukünftig gesetzt werden.
Digitalisierung
Smart Farming ist eines der Topthemen auf der EuroTier 2024. Erkennbare Trends liegen im Gesundheitsmonitoring, der Unterstützung von mehr Tierwohl und dem Einsatz von KI in der Tierhaltung. Neben den etablierten einzeltierbezogenen Sensoren werden zunehmend kamerabasierte Systeme angeboten. Die Einbindung von KI bei der Datenauswertung ermöglicht es, Optimierungsprozesse zeitnah einzuleiten. Der Landwirt erhält dann mehrere Handlungsoptionen zur Auswahl.
Dass sich im Bereich Digitalisierung viel tut, zeigt auch der Anteil an den Bewerbungen um eine DLG-Neuheitenmedaille: Mehr als 40 (von 214) Innovationen wurden alleine bei den digitalen Lösungen angemeldet.