Milch. Wo kommt sie in Zukunft her?
Klimawandel, Flächenverlust, Tierwohl und Mitarbeiter – die Herausforderungen für die Milchproduktion sind weltweit ähnlich. Gemeinsam suchten die Teilnehmer des Weltmilchgipfels nach Lösungsansätzen. Sibylle Möcklinghoff-Wicke berichtet.
Welchen Problemen und Herausforderungen müssen sich Milchviehhalter weltweit stellen? Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Das diskutierten Milcherzeuger und Branchenkenner aus verschiedensten Staaten und Kontinenten während des Weltmilchgipfels im Oktober in Chicago, USA. In nahezu allen Beiträgen lag der Fokus auf Nachhaltigkeit und Innovation. Nach dem Thema des Gipfels »BE Dairy: Boundless Potential. Endless Possibilities« konzentrierte sich die Veranstaltung auf die Entwicklungen in den Bereichen Milchwirtschaft, Technologie, Wissen und Innovation aus der ganzen Welt.
Die Liste der Herausforderungen des Sektors ist lang: Zinsniveau, Tierwohl, Arbeit und Mitarbeiter, gesetzliche Auflagen und Reglementierungen, der Klimawandel und Flächenverlust. Überraschend war, dass in allen Regionen der Welt die Weitergabe des Unternehmens an die nachfolgende Generation oder auch an Neueinsteiger in die Branche ein zunehmendes Problem wird. Hier sind neue Modelle und Programme erforderlich, wie die Milcherzeugung attraktiv für Neueinsteiger gestaltet werden kann. Zum Beispiel, wie mögliche Eigentumsmodelle entwickelt werden können, da Neueinsteiger selten genügend Kapital haben, um einen Betrieb vollständig ins Eigentum zu übernehmen. Aber auch die sogenannte »gender gap« wurde diskutiert. Denn weltweit sind nach wie vor zu wenige Frauen als Betriebsleiterinnen aktiv.
Nur gemeinschaftlich kann es gelingen, den CO2-Fußabdruck im Sektor weiter zu senken, auch wenn jeder Betrieb einzelbetriebliche Lösungsmöglichkeiten zur Anpassung an den Klimawandel suchen muss. Die Folgen des Klimawandels treffen alle Betriebe weltweit durch steigende Wetterextreme, Trockenheit und Überflutung, höhere Temperaturen in Verbindung mit steigendem Hitzestress. Einzelbetriebliche Lösungen sind hier mehr Futtervorräte im Bestand, aber auch Wasserauffangbecken, um daraus in Trockenperioden zu beregnen, die Wahl anderer Futterpflanzen, Zwischenfrüchte und »double cropping«.
Außerdem gehören dazu: verbesserte Effizienzen (höhere Einzeltierleistungen, weniger Tierverluste, weniger Jungvieh), Genetik, aber auch die Abdeckung von Güllelagern und ein verbessertes Güllemanagement, Biogas im Betrieb sowie mehr Biodiversität auf Acker und Grünland und die Eliminierung fossiler Brennstoffe beim Maschinenantrieb.
Prognosen für die kommende Dekade. Der Weltmilchmarkt 2022 war weltweit geprägt von Folgen der Covid-Pandemie. Dennoch ist die Milchproduktion um 2,2 % gestiegen. Das Wachstum fand hauptsächlich in Indien statt und hatte wenig Einfluss auf den globalen Marktverlauf. Die reduzierte Nachfrage aus China hat zum verlangsamten Weltmilchhandel geführt, auch wenn andere Importländer wie Saudi-Arabien, Indonesien und Mexiko die Einfuhren gesteigert haben. Gewinner dieser Marktentwicklungen waren vor allem die USA. Die OECD/FAO-Prognose von 2023 bis 2032 sieht ein weiteres Wachstum in der gesamten Lebensmittelerzeugung in den Bereichen Getreide,
Milchprodukte und Zucker, wohingegen der Anteil an Fleisch, Fisch und Pflanzenöl zurückgehen wird. Speziell der Bereich Milch wird bis 2023 um 1,5 % zunehmen, vor allem in Indien und Pakistan. In der EU wird aufgrund sinkender Bevölkerung und politischen Vorgaben ein Rückgang erwartet. Das Wachstum wird vor allem in Indien und Pakistan durch mehr Kühe generiert, in anderen Regionen sind steigende Einzeltierleistungen und verbesserte Produktivitäten die Treiber.
Der steigende Pro-Kopf-Verbrauch an Milch und verarbeiteten Produkten ist ein weiterer Punkt, der für ein Wachstum der Weltmilcherzeugung spricht. Durchschnittlich liegt er bei 15,4 kg und man geht davon aus, dass vor allem in Indien und Pakistan der Verzehr deutlich ansteigt. In der EU wird es eher zu einer weiteren Verschiebung von frischen zu verarbeiteten Produkten kommen, vor allem zu Käse. Die EU wird Hauptexporteur für Käse bleiben, Neuseeland für Butter und Vollmilchpulver, die USA vor allem für Magermilchpulver. Aufgrund der Bevölkerungsentwicklung und dem Verzehr wird Südostasien mehr Milchprodukte importieren, weil die eigene Produktionsentwicklung mit dem Wachstum nicht Schritt halten kann. Bei der Preisentwicklung werden nominale Steigerungen erwartet, die aber inflationsbereinigt auf stabilem Niveau bleiben werden.