Methanausstoß. Welchen Einfluss hat die Züchtung?
Mit Fütterung und Haltung lässt sich der Methanausstoß von Milchkühen bereits jetzt gezielt beeinflussen. Nicht ganz klar ist, welche Rolle die Genetik dabei spielt. Wilfried Brade erklärt, warum die Möglichkeiten vermutlich nur begrenzt sind.
Die genetische Auslese von Milchkühen mit geringerem Methanausstoß ist eine der häufig diskutierten Strategien zur Reduzierung von Methanemissionen (CH4). Das Etablieren einer direkten genetisch-züchterischen Selektion der Wiederkäuer auf den CH4-Ausstoß ist jedoch äußerst schwierig. Grundsätzlich gilt, dass eine angestrebte Methanreduzierung ohne Beeinträchtigung des Gesundheitszustandes
der Kuh und ihrer Leistung erfolgen muss. Auch aus diesem Grund ist es wichtig, den genetischen Hintergrund der verschiedenen Methanmerkmale und ihre Beziehungen zu anderen Merkmalen (z. B. Gesundheits- und Produktionsmerkmalen) zu verstehen. Leider
sind genetisch-physiologische Zusammenhänge der CH4-Bildung im Laktationsverlauf auf tierindividueller Basis bisher nur in mehrjährigen Studien im Ausland untersucht worden.
Die Methanemissionen können auf sehr unterschiedliche Weise ausgedrückt werden: Die Methanproduktion (MeP) misst den CH4-Ausstoß pro Tier und Tag (in g/d). Die CH4-Intensität (MeI) charakterisiert den CH4-Anfall pro kg Milch (in g/kg Milch). Und der CH4-Ertrag (MeE) erfasst die CH4-Emission pro kg (Futter-)Trockenmasseaufnahme (TM), ausgedrückt in g/kg TM.
Neue Versuchsergebnisse zur Genetik der CH4-Emissionen. Die bisher umfangreichste Aufzeichnung von tierindividuellen CH4-Emissionen wurde vom dänischen Rinderforschungszentrum (DCRC) für mehr als 600 dänische Holsteinkühe vorgelegt. Einen sehr ähnlichen Versuch gab es auch in Frankreich, allerdings nicht in der gleichen Größenordnung. Außerdem wurden die CH4-Emissionen sowohl mit Blick auf die Produktion (MeP, in g/d), den Ertrag (MeE, in g/kg TM) und die Intensität (MeI, in g/kg FPCM (fett- und proteinkorrigierte Milch) ermittelt.
Es ist bekannt, dass das Fressverhalten einer Kuh einen starken Einfluss auf die täglichen Methanemissionen hat. Die tageszeitlichen
Schwankungen bei einer automatischen Futterverteilung zwischen 9 und 17 Uhr wurden in der französischen Studie bestätigt. Die CH4-Emissionen stiegen mit Beginn der TMR-Fütterung vormittags stark an und fielen in den Nachtstunden deutlich ab. Die Entwicklung der
CH4-Emissionen (MeP, MeI und MeE) im Laktationsverlauf ist für erstlaktierende Kühe und Tiere mit mehreren Laktationen in Grafik 1 dargestellt. Da Methan aufgrund der Fermentation des verzehrten Futters im Pansen gebildet wird, ist es nicht überraschend, dass die MeP über die Laktation hinweg dem bekannten Muster einer Futteraufnahmekurve folgt (mit starkem Anstieg von der frühen zur mittleren
Laktation). Auch ist erwartungsgemäß die MeP für Zweitkalbskühe deutlich höher als für Erstlaktierende. Stattdessen ist die MeI bei älteren Kühen niedriger, da die Milchleistung von der ersten zur zweiten Laktation regelmäßig steigt. Außerdem steigt der MeE innerhalb der beiden Laktationen leicht an.
Tierindividuelle Unterschiede bei der Methanbildung. Da Wiederkäuer selbst keine Gene für die CH4-Bildung besitzen, wird von einer »indirekten« Heritabilität gesprochen. Für die MeP variieren die geschätzten (indirekten) Heritabilitäten (genetisch bedingte Varianzanteile der Gesamtvariabilität) bei dänischen Holsteinkühen zu Beginn der Laktation zwischen 0,14 und 0,25. In der Mitte liegen sie zwischen 0,28 und 0,47 und am Ende zwischen 0,11 und 0,29.
Genetische Beziehungen zwischen den Laktationen. Die in der dänischen Studie paarweise ermittelten Korrelationen (rg) sind mäßig bis hoch während der frühen Laktation mit einem Spitzenwert von bis zu 0,90 um die 32. Woche. Danach folgt die Abnahme der Beziehungen bis zum Ende der Laktation auf rg ≤ 0,5. Es lässt sich schlussfolgern, dass die MeP über beide Laktationen hinweg offensichtlich nicht das gleiche Merkmal ist, da die zugehörigen genetischen Korrelationen in zahlreichen Laktationsabschnitten deutlich von 1 (rg ≤ 1) abweichen.
Einfluss der Genetik. Die genetischen Beziehungen in derselben Laktationswoche zwischen der Methanproduktion (MeP) und der Milchleistung (ECM), Körpermasse (KM) bzw. der Trockenmasseaufnahme (TM) der dänischen Studie sind in Grafik 2 dargestellt. Die genetischen Korrelationen zwischen MeP und energiekorrigierter Milchmenge (ECM) und TM-Aufnahme waren für den größten Teil der Laktation mäßig positiv (> 0,5). Dagegen liegt die Korrelation zwischen MeP und der Körpermasse (KM) bei nahe null. Sie hat nur einen leicht positiven Anstieg ab der 32. Woche und einen Rückgang bis in den negativen Bereich am Ende der ersten Laktation. Auch eine
britische Studie ergab moderate genetische Korrelationen (rg = 0,38 bis 0,57) zwischen der MeP und der Milchleistung während der gesamten Laktation, mit einem Maximum in der Mitte (20. bis 30. Laktationswoche) bei hochleistenden HF-Kühen. Ebenso berichtet sie über genetische Korrelationen zwischen MeP und KM nahe null während der Laktation.
Bewertung der verschiedenen CH4-Merkmale aus züchterischer Sicht. Der Methanertrag bietet die Möglichkeit, die CH4-Emissionen pro kg TM zu reduzieren. Es wäre somit ein sehr attraktives Merkmal, vorausgesetzt, es geht nicht mit einer schlechteren Futterverwertung einher. Die Nutzung von MeI bedeutet, sich vor allem für eine Reduzierung des CH4 pro kg Milch zu entscheiden. Dabei kann eine
angestrebte CH4-Minderung durch eine Verringerung des CH4-Ausstoßes pro Tier oder durch eine Erhöhung der Milchleistung erreicht werden.
Da die Milchleistung eine generell höhere Erblichkeit als die CH4-Emission aufweist und darüber hinaus bereits einer starken Selektion in allen modernen Holsteinpopulationen unterliegt (mit teilweise sehr ungünstigen Reaktionen auf funktionelle Merkmale), bringt dieses Zielkriterium nur wenig Innovation in ein modernes Zuchtprogramm. Es könnte jedoch für Tiere/Rassen oder Systeme mit geringer Leistung interessant sein. Eine intensive Selektion auf reduzierte Methanbildung (MeP) dürfte zu einem Rückgang der CH4-Emission pro Tier führen. Und das wahrscheinlich über mehrere Wege, etwa über einen Rückgang der Leistung und Futteraufnahme. Bei gezielter Selektion auf eine reduzierte Methanproduktion müssen sowohl die Milchleistung als auch die Futteraufnahme durch eine zusätzliche Betonung dieser Merkmale in einem Zuchtziel wiederum ausgeglichen werden.
Im Kontext der aktuell praktizierten Multimerkmalsselektion scheint der Methanertrag mit seiner relativen Unabhängigkeit von den anderen Merkmalen das attraktivste Ziel zu sein, trotz seiner geringeren Erblichkeit und der Schwierigkeiten bei der kontinuierlichen Datenerfassung. Tatsächlich ist es das einzige Merkmal, das dem Zuchtziel wirklich neue Informationen hinzufügt. Überlegungen zur optimalen Körpermasse von Milchkühen und Maßnahmen zur Verlängerung der Nutzungsdauer und Tiergesundheit könnten
den genetischen Gewinn für das Merkmal MeE weiter verstärken, da diese Informationen nicht in MeE enthalten sind.
Ausblick. Das Etablieren einer direkten genetisch-züchterischen Selektion der Wiederkäuer auf den CH4-Ausstoß, wie sie häufig gefordert wird, ist äußerst schwierig. Der kanadische Vorstoß vom April 2023, für Holsteinrinder einen zusätzlich Zuchtwert für die Methanemission zu erstellen, sollte eher als gezielte »Werbestrategie« bewertet werden.
Bei intensiv-einseitiger Auswahl niedriger CH4-Ausscheider in Zuchtprogrammen mit Wiederkäuern sollte – nach dem aktuell vorliegenden Kenntnisstand – große Vorsicht walten, da dies gleichzeitig zu einer verminderten Effizienz der Zellwand- und damit Raufutterverwertung bei den Wiederkäuern führen kann. Bereits jetzt können durch eine Fülle gezielter fütterungsbedingter und haltungstechnischer Maßnahmen CH4-Minderungsstrategien umgesetzt werden, die längst noch nicht ausgeschöpft sind.
Über die Spektren des mittleren Infrarots (MIR) bei der üblichen Milchuntersuchung kann zwischenzeitlich auch der CH4-Ausstoß von laktierenden Kühen (mit begrenzter Genauigkeit) indirekt abgeschätzt werden. Diese Daten sollten aktuell vor allem im Rahmen eines Herden- und Fütterungscontrolling ergänzend genutzt werden.