Milchviehhaltung. »Wir müssen die CO2-Rechner vereinheitlichen«
Über 70 % der Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft werden der Milchviehhaltung zugesprochen. Deshalb ist die Branche schon frühzeitig aktiv geworden. Immer mehr Milchviehhalter kennen bereits ihren CO2-Fußabdruck. Doch das allein reicht nicht, denn die Berechnungsgrundlage ist nicht einheitlich und der Wert geschätzt.
Frau Lassen, ist die Milchbranche Vorreiter bei der Berechnung des CO2-Fußabdrucks?
Ja, in gewisser Weise. Denn jeder Milchproduzent, der es möchte, kann sich heute schon den CO2-Fußabdruck seines Betriebes kostenfrei ermitteln lassen. Viele Molkereien wünschen sich mittlerweile auch die Berechnung von ihren Milchlieferanten. Ich denke,
dass die Berechnung des Fußabdrucks auf Milchviehbetrieben weiter verbreitet ist als in anderen Sektoren.
Welche Milchverarbeiter sind das zum Beispiel?
Die niedersächsischen Molkereien haben sich beispielsweise auf der »Klimaplattform Milch« zusammengetan und wenden den Agrar-Klimacheck an, einen eher kürzeren Fragebogen. Andere Molkereien, wie zum Beispiel die Molkerei Hochwald, rechnen schon seit 2019 mit dem umfangreicheren »Cool-FarmTool«. Darüber hinaus sind noch weitere Rechner der Bodensee-Stiftung der Landwirtschaftskammern NRW und Niedersachsen oder der LFL in Bayern im Einsatz.
Was ist der Grund dafür? Der Druck des Handels?
Die Initialzündung war ursprünglich die Motivation einiger Molkereien. Sie hatten ein zunehmendes Kundeninteresse, vor allem aus dem Ausland, registriert. Getrieben haben diese Nachfrage internationale Konzerne wie z. B. Nestlé. Inzwischen fordert aber auch der
deutsche LEH CO2-Fußabdrücke. Hinzu kommt, dass mit der CSRD-Richtlinie künftig die meisten Molkereien zu einer Wesentlichkeitsanalyse verpflichtet sind. Und damit wird das Thema Klima und Fußabdruck für all diese Molkereien relevant.
Wie vergleichbar sind die verschiedenen CO2-Rechner?
Man kann heute die Fußabdruckberechnung des Rechners A nicht mit dem des Rechners B vergleichen. Es gibt da sehr unterschiedliche Herangehensweisen bei den Rechentools. Das sorgt für Verwirrung unter den Landwirten. Das ist der Grund, warum sich nun eine Gruppe aus verschiedenen Forschungseinrichtungen, Landwirtschaftskammern und -anstalten zusammengetan hat. Ihre Idee: Die Rechenmethodik so weit harmonisieren, dass es keine Rolle spielt, mit welchem (deutschen) Tool gerechnet wird. Nur so entsteht Vergleichbarkeit. Dann hätten wir einen ersten Schritt geschafft. Es bleibt aber auch dann dabei, dass der Fußabdruck ein geschätzter
Wert ist – besonders in der Milchviehhaltung, wo wir viele Daten zu Erträgen etc. schätzen müssen. Die zentrale Herausforderung, wie wir den Wert in den Betrieben senken können, bleibt damit aber noch ungeklärt und die ist aus meiner Sicht viel größer als die beste Schätzung des Fußabdrucks.
Was haben die Betriebe davon, ihren CO2-Fußabdruck berechnen zu lassen?
Ausschlaggebend für die Teilnahme ist aktuell für die meisten das Geld, das sie dafür bekommen. Viele Molkereien entlohnen ihre Betriebe für die Teilnahme – entweder über einen festen Betrag oder über einen Milchgeldzuschlag.
Wie können Sie ihn innerbetrieblich nutzen?
Das Ergebnis des CO2-Fußabdrucks soll den Blick auf die betriebsindividuellen Stellschrauben lenken, die Einfluss auf die Höhe der Emissionen haben. Dazu gehören das Nährstoffmanagement und die -ausbringung, eine bedarfsgerechte Fütterung, die Tiergesundheit, die Nutzungsdauer der Kühe, das Energiemanagement des Betriebes und die Flächenbewirtschaftung. Für Betriebe, die bereits viele Dinge verändert haben, die förderlich für den Klimaschutz sind, wird es immer schwerer und kostenintensiver, sich zu verbessern. Aber es gibt auch noch viele Betriebe mit Optimierungspotential. Oft sind es sehr individuelle Stellschrauben, an denen im Betrieb gedreht werden kann. Dazu kommen in den letzten Jahren mehr und mehr technische Lösungen wie z. B. Futter- oder Güllezusatzstoffe, mit denen die Branche jetzt langsam Erfahrung sammelt.
Die Fragen stellte Bianca Fuchs