Grassilage. Kurz ist nicht immer richtig
Sehr kurze Häcksellängen bei Grassilage sind gerade wieder im Trend. Sie können sich aber negativ auf die Milchleistung und die Tiergesundheit auswirken, wenn sie nicht zur Ration passen, warnt Denise Völker im Interview.
Diskussionen um die richtige Häcksellänge sind ein Dauerbrenner. Wer seine Futterration nachhaltig verbessern will, kommt nicht darum herum, sich mit dem Thema Häcksellänge zu beschäftigen. Wird sie für den Betrieb optimiert, lassen sich dauerhaft hohe Milchleistungen mit gesunden Kühen erzielen. Dabei geht es nicht nur um Maissilage, sondern auch um die Grassilage. Gerade hier haben viele Betriebe noch immensen Nachholbedarf. Wir haben mit Dr. Denise Völker über Vor- und Nachteile einer kurzgehäckselten Grassilage gesprochen.
Frau Dr. Völker, warum wird eine kurze Häcksellänge empfohlen? Und was bedeutet überhaupt kurz?
Der ursprüngliche Grund für eine niedrig gewählte Häcksellänge ist, die Mischgenauigkeit der Ration am Futtertisch zu erhöhen, dadurch Futterselektion zu verringern und die Tiere gleichmäßiger füttern zu können.
Das Problem ist aber aus meiner Sicht, dass jeder unter Kurzhäckseln etwas anderes versteht. Für den einen Landwirt geht es um eine Graslänge von 6 bis 7 mm mit vollem Messersatz im Grashäcksler. Für den nächsten heißt dies, 12 mm Länge bei halbem Messersatz, weil er bisher Ladewagensilage zusammengefahren hat.
Worauf ist bei der Rationsgestaltung mit kurz gehäckselter Grassilage zu achten?
Kurz gehäckselte Grassilage passt in viele Rationen gar nicht hinein. Denn die Grasanteile sind sehr unterschiedlich, sie reichen von 100 % im Grundfutter bis hin zu nur 20 bis 30 %. Deshalb sollte man dem Lohnunternehmer auch keine pauschalen Anweisungen geben, alles kurz zu schneiden. Das ist für ihn zwar einfacher, weil er die Häckslereinstellung nicht verändern muss, bringt aber für den Milchviehbetrieb unter Umständen eher Nachteile.
Die Häcksellänge muss zur Ration des Betriebes passen. Auch wir empfehlen häufig den Betrieben kürzer zu häckseln, als sie es bisher gewohnt sind. Diese hatten aber bislang oftmals 60 bis 70 % Obersiebanteil in der Schüttelbox, wo quasi nicht erkennbar ist, dass gehäckselt wurde.
Im anderen Extrem haben wir Betriebe, die mit sehr kurz gehäckselter Silage mit 10 bis 15 % Grasanteil im Obersieb der Schüttelbox in unsere Beratung starten und sich bei uns gemeldet haben, weil ihre Tiere nicht fit sind. In der Mitte dazwischen liegen leider zu wenige der Milchviehbetriebe, aber zu dieser Gruppe zu gehören, ist das Ziel unserer Beratungsarbeit.
Wenn kurz gehäckselt wurde, ohne darüber nachzudenken, ob das in die Ration des Betriebes passt, stellen wir in der Beratungspraxis immer wieder fest, dass die Tiere mit geringerer Futteraufnahme, Acidosen, Pansenfermentationsstörungen und plötzlichem Milchverlust reagieren. Außerdem schwanken die Tank- und weiteren Leistungsdaten, die Klauengesundheit und die Fruchtbarkeit verschlechtern sich.
Wie bestimme ich die optimale Häcksellänge für meinen Betrieb?
Durch viel Controlling vor und während der Ernte. Das Ziel ist eine TMR, die gut gefressen wird, sich gut mischen lässt und bei der wenig Futterselektion stattfindet. Die täglichen Schüttelboxergebnisse müssen gleichmäßig von Futtertischposition zu Futtertischposition sein und von Frisch- zu Restfutter. Bei maximal 1 bis 2 % Abweichungen zwischen den Schüttelboxergebnissen, weiß ich, dass die aktuellen Häcksellängen passen.
Für die nächste Silageernte ist es ratsam, bereits während der Futterernte eine Schüttelbox einzusetzen. Nur so lässt sich die Einstellung am Häcksler an das Erntematerial anpassen und kann ständig nachjustiert werden. Arbeitet der Landwirt noch mit dem Ladewagen, kann er z. B. die Messer nachschärfen, wenn er bemerkt, dass sich das Schnittbild während der Ernte verschlechtert. Die Technik spielt also auch eine Rolle: Sind alle Messer scharf, sind alle besetzt, wie ist die Beschaffenheit des Erntematerials?
Ist das nicht ein immenser Zeitaufwand, der in der Ernte kaum zu stemmen ist?
Wenn ein Landwirt verstanden hat, was die falsche Häcksellänge ein Jahr lang bei seinen Kühen anrichten kann und wie viel Zeit und Nerven es kostet, die Kühe bei gesundheitlichen Schwierigkeiten als Folge der Fütterung zu behandeln, ist der Aufwand nicht mehr groß. Am Ende ist es am Erntetag so, dass eine Person die Schüttelbox bedienen muss und das auch einige Stunden Zeit in Anspruch nimmt. Aber es geht ja um sehr viel Geld, deshalb ist der Zeitaufwand gut investiert. Da kann ich mir als Landwirt lieber noch einen zusätzlichen Silierwagenfahrer vom Lohnunternehmer bestellen, statt selbst zu fahren und mich stattdessen um die Bestimmung der Häcksellänge kümmern.
Wo setzen Sie die theoretische Häcksellänge als Parameter ein?
Die theoretische Häcksellänge ist aus meiner Sicht kein besonders gut geeigneter Messparameter, weil sie sehr stark schwankt im Ergebnis. Der jeweilige Ertrag, die Qualität, die Rohfasermengen, die Schwaddicke, die TS-Gehalte und die Zuckergehalte spielen eine Rolle.
Wir nutzen sie aber zur Kommunikation zwischen Landwirt und Häckselfahrer. Gehäckselt wird ja nicht nach Schüttel-boxergebnis. Die Landwirte können nicht sagen: Ich habe 40 % Oberboxanteil, häcksel bitte so, dass ich nur noch 35% habe. Wenn der Landwirt den Fahrer bittet, mit 11 bis 12 mm theoretischer Häcksellänge bei halbem Messersatz zu starten und dann die Graslänge nach dem ersten Wagen mit der Schüttelbox kontrolliert, funktioniert das gut und notfalls kann nachjustiert werden. Bei einer theoretischen Häcksellänge von 12 mm kann man die ganze Bandbreite haben. Ein Beispiel: Der Landwirt stellt fest, dass er bei 12 mm mit diesem Erntematerial und dessen TS-Gehalten bei nur 22 % Obersiebanteil oder im anderen Extrem bei 45 % endet und der Häcksler muss anders eingestellt werden.
Ein wichtiger Einflussfaktor ist auch der Trockensubstanz (TS)-Gehalt des Erntematerials. Er gibt maßgeblich vor, wie lang oder kurz gehäckselt werden kann. Wenn es z. B. zu nass ist, mit unter 28 oder 30 % TS und kurz gehäckselt wird, entsteht das Problem, dass die Silostöcke auseinanderbrechen. Der Betrieb hat dann unter Umständen eine super Silage, die trotzdem schimmelt, weil der Silostock nach zwei bis drei Metern im Inneren wegbricht.
Wie viele Landwirte nutzen bereits eine Schüttelbox für ihre Grassilage?
Etliche bereits während der Maisernte. Bei der Grassilage sind es immer noch zu wenige, die konsequent eine Schüttelbox einsetzen. Ein Problem ist auch, wie der Betrieb mit den gewonnenen Daten umgeht. Man braucht schon mindestens eine innerbetriebliche Datenreihe oder eben externe Unterstützung durch Beratung für die Vergleichbarkeit der Ergebnisse. Unser Beratungsunternehmen kann z. B. auf 5 000 Ergebnisse jährlich zurückgreifen.
Warum raten Sie jedem zur Schüttelbox, und was gilt es zu beachten?
Die Schüttelbox ist keine wissenschaftlich abgesicherte Methode, dessen bin ich mir bewusst. Je nach TS-Gehalt klebt z. B. das Material mehr oder weniger, auch bei Nässe. Und wenn der Zuckergehalt hoch ist, lässt es sich schlechter schütteln. Man darf dann nur 80 g Gras einwiegen. Nimmt man die zumeist in der Anleitung empfohlenen 300 g, passt es nicht. Dann lässt sich das Material kaum schütteln und die Ergebnisse sind verfälscht. Außerdem ist es für vergleichbare Ergebnisse wichtig, dass während der Silagegewinnung nur eine Person »schüttelt«. Wenn zu viele Personen beteiligt sind, hat der Betrieb schnell »Konfettidaten« ohne Aussagekraft. Der Aufwand ist aber so gering, dass das Nutzen der Schüttelbox im Betriebsalltag während der Ernte zeitlich zumutbar ist.
Aus meiner Sicht führt gerade während der Silagegewinnung sogar kein Weg an der Schüttelbox vorbei. Denn damit lassen sich für einen Betrieb mit 100 Kühen nicht selten 20 000 € und mehr pro Jahr an Futterkosten einsparen.
Die Fragen stellte Bianca Fuchs.