Agrarpolitik. Wir sind Teil der Lösung!
Wir sind nicht das Problem, sondern helfen mit, gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern. Deshalb sollte es eine Agrarpolitik mit Landwirtinnen und Landwirten geben und nicht über ihre Köpfe hinweg, meint Jana Gäbert.
Welches ist die größte Herausforderung, der sich Euer Betrieb gegenübersieht?
Der Klimawandel! Als Landwirtin sehe ich die dringlichste Aufgabe darin, eine nachhaltige und ressourcenschonende Bewirtschaftung zu etablieren, die gleichzeitig die Ernährungssicherheit gewährleistet. Dazu gehören die Entwicklung und Umsetzung klimaresilienter Anbausysteme, die den veränderten klimatischen Bedingungen standhalten können, sowie die Förderung von Anbaumethoden, die die
Bodengesundheit und -fruchtbarkeit erhalten. Auch eine effiziente Wassernutzung und -bewirtschaftung ist entscheidend, um den Herausforderungen von Dürreperioden und Starkregenereignissen zu begegnen.
Wie könnte Euch die Politik besser dabei helfen?
Die Anpassung der Landwirtschaft an den Klimawandel erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Wissenschaft. Die Politik sollte Förderprogramme und Maßnahmen zur Unterstützung von Landwirten bei der Anpassung an den Klimawandel schaffen. Dazu gehören finanzielle Anreize für klimaresiliente Anbausysteme, Investitionen in nachhaltige Bewässerungsinfrastrukturen und die Förderung von Forschung und Entwicklung im Bereich der klimaangepassten Landwirtschaft. Die Wissenschaft sollte sich mit der Entwicklung innovativer Technologien und Praktiken zur Bewältigung der Herausforderungen des Klimawandels in der Landwirtschaft befassen. Dazu gehören die Entwicklung klimaresistenter Pflanzensorten und die Erforschung von Anbaumethoden, die den CO2-Fußabdruck der Landwirtschaft reduzieren. Durch die Bereitstellung evidenzbasierter Empfehlungen und praxisrelevanter Lösungen kann die Wissenschaft Landwirte und politische Entscheidungsträger bei der Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen unterstützen.
Wo siehst Du da noch Luft nach oben?
Da sind zum einen die zahlreichen Möglichkeiten, die Landwirtschaft effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Neue Züchtungsmethoden wie CRISPR/Cas können dazu beitragen, Pflanzen klimaresistenter zu machen und die Erträge zu steigern. Zudem bieten moderne Bewässerungstechniken Lösungen für den Umgang mit Wasserknappheit. Aber was mir zum anderen auch ganz wichtig ist: Durch Kooperationen und den Austausch von Wissen können Landwirte voneinander lernen und gemeinsam innovative Ansätze entwickeln. Diese Fortschritte ermöglichen es uns, nicht praktikable und eingrenzende Verordnungen zurückzudrängen und stattdessen praxisnahe und effektive Lösungen zu implementieren.
Mikromanagement hat ja viel mit dem Bild zu tun, das sich die Politik oder wesentliche Teile von ihr von der Landwirtschaft macht ...
Eben! Essentiell ist eine klare Vision für die Zukunft. Wir sollten sie gemeinsam formulieren und uns das Ziel setzen, eine ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Landwirtschaft zu entwickeln. Dies beinhaltet bestimmte Rahmenbedingungen wie den Einsatz neuer Technologien und Anbaumethoden, die die natürlichen Ressourcen schonen und gleichzeitig hohe Erträge ermöglichen. Außerdem sollte darin festgehalten werden: Landwirtschaftliche Betriebe haben eine zentrale Rolle in ländlichen Räumen. Sie sind nicht nur Produzenten von Nahrungsmitteln, sondern auch Hüter der Kulturlandschaft, Arbeitgeber und Motoren der lokalen Wirtschaft. Unsere Betriebe
tragen zur sozialen Struktur in Dörfern bei und bieten Perspektiven für junge Menschen durch Ausbildung und langfristige Arbeitsplätze. Zudem unterstützen wir die lokale Gemeinschaft durch die Teilnahme an der Freiwilligen Feuerwehr, die Organisation von Vereinsaktivitäten und die Versorgung von älteren Menschen sowie Kindergärten mit Mittagessen. Auch das sollte agrarpolitisch unterstützt und berücksichtigt werden.
Hast Du den Eindruck, diese »multifunktionale « Rolle ist bei Politikern unterbelichtet?
Bei einigen schon. Ein großes Problem ist ja der politisch-gesellschaftliche Generalverdacht gegenüber der Landwirtschaft. Oft wird uns pauschal unterstellt, Umwelt und Tiere auszubeuten. Hier sollten sich einige Akteure aus der Politik, aber auch aus dem Journalismus fragen, welchen Beitrag sie leisten, um die Schere zwischen teils berechtigten, aber auch teils (mutwillig oder aus Unkenntnis) geschürten Ängsten und damit einer dramatischen Wahrnehmung auf der einen Seite und Aufklärung der schon längst sich verändernden
Realität auf der anderen Seite zu schließen oder weiter zu öffnen.
Was lässt sich da tun?
Um diesen Vorurteilen aktiv entgegenzuwirken, müssen wir noch stärker Transparenz schaffen und unsere Bemühungen um Nachhaltigkeit und Tierschutz sichtbar machen. Beispiele hierfür sind öffentliche Feldtage, Informationsveranstaltungen und die Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten. Viele Landwirte sind da bereits aktiv. Nur durch einen offenen Dialog können wir das notwendige Vertrauen der Gesellschaft gewinnen und zeigen, dass wir Teil der Lösung und nicht des Problems sind. Es braucht auch hier Politik und Gesellschaft, die ebenso diese Bereitschaft zeigen und die Angebote annehmen. In der Umsetzung von Maßnahmen wünsche ich mir mehr Vertrauen in die Vor-Ort-Kenntnisse der Landwirte. Alles immer nur an Kulissen zu koppeln, verhindert oft bessere Ergebnisse. So ergeben Blühflächen teilweise fernab von Wasser oder der Streifenform deutlich mehr Sinn.
Ihr bewirtschaftet konventionell einen Großbetrieb. Fühlst Du Dich in der agrarpolitischen Diskussion manchmal zu wenig
wahrgenommen?
In der Agrarpolitik gibt es einige Grundannahmen, die überdacht werden sollten. Die Vorstellung »klein ist fein« ignoriert die Vorteile von Großbetrieben und Kooperationen, die effizienter arbeiten und Innovationen schneller umsetzen können. Ebenso sollten wir den Dualismus zwischen Bio- und konventioneller Landwirtschaft aufheben bzw. aufhören, sie als Gegensätze zu betrachten. In beiden Produktionsweisen gibt es sehr gute Ansätze. Eigentlich ist es eher ein künstliches Überhöhen der Bedeutung der Biolandwirtschaft als ein echter Dualismus. Hier müssen die landwirtschaftliche und die wissenschaftliche Realität viel stärker Berücksichtigung finden, sonst wird EINE nachhaltige und zukunftsfähige Landwirtschaft mit all ihren unterschiedlichen Facetten weiterhin nicht erreicht. Zur Wahrnehmung gehört auch, die Ökonomie nicht zu missachten, da sie die Grundlage für die ökologischen und sozialen Leistungen bildet. Es darf nicht anrüchig sein, mit unserer Arbeit Geld zu verdienen.
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