Agrarpolitik. Die GAP zukunftsfest machen
Subventionen, Flächenprämien und Milchquoten haben seinerzeit die Beitrittsverhandlungen beherrscht. Seither gab es einige Reformen der GAP – weg von Marktstützung, Exportförderung und gekoppelten Prämien hin zu Greening und mehr Umwelt- und Klimaschutz. Wie geht es weiter?
Herr Prof. Weingarten, knapp ein Drittel des EU-Budgets fließt in die Förderung der Landwirtschaft. So spielte die GAP auch bei der EU-Osterweiterung eine zentrale Rolle. Wie haben sich die Ziele seither verändert?
Auf den ersten Blick mag es überraschen, dass die Ziele der Gemeinsamen Agrarpolitik, die 1957 im Vertrag zur Gründung der damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft festgelegt wurden, bis heute wörtlich unverändert gelten: Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft, Gewährleistung einer angemessenen Lebenshaltung für die in der Landwirtschaft Tätigen, Stabilisierung der Märkte, Sicherstellung der Versorgung und Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen. Allerdings sind im Laufe der Jahrzehnte Ziele hinzugekommen, die bei allen Politiken der EU und damit auch der Agrarpolitik zu beachten sind, wie der Schutz der Umwelt, das Wohl der Tiere und die Entwicklung der ländlichen Räume.
Viele Bauern in Osteuropa fühlten sich als Landwirte zweiter Klasse, weil die Einkommensbeihilfen bei ihnen zunächst weniger üppig sprudelten als in Westeuropa. Zu Recht?
In den Beitrittsverhandlungen wurden damals für die Berechnung der Direktzahlungen für jedes der beitretenden Länder Referenznaturalerträge festgelegt und die Prämien dann schrittweise eingeführt. »Gleichbehandlung« heißt keineswegs, dass alle Mitgliedsstaaten das gleiche Direktzahlungsbudget pro Hektar haben. Der Grund dafür ist, dass sich die Referenzerträge zwischen den Mitgliedsstaaten unterscheiden. Die neuen Beitrittsländer haben geringe Referenzerträge und daher bei den Agrarreformen von 2013 und 2021 auf eine Angleichung der Direktzahlungen je Hektar gedrängt.
Mit Erfolg?
Nach den Beschlüssen von 2021 werden die Direktzahlungen in den Mitgliedsstaaten, in denen sie je Hektar weniger als 90 % des EU- Durchschnitts erreichten, schrittweise angehoben, sodass die Lücke bis 2027 zur Hälfte geschlossen sein wird. Die baltischen Staaten und andere werden dann aber noch immer deutlich unter dem EU-Durchschnitt liegen.
Green Deal und Farm to Fork-Strategie beeinflussten die jüngste Reform maßgeblich. Was hat es damit auf sich?
Schon seit 2003 mussten Landwirte, wenn sie Direktzahlungen erhalten und an Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen (AUKM) sowie weiteren Maßnahmen der 2. Säule teilnehmen wollten, bestimmte Grundanforderungen an die Betriebsführung und die GLÖZ-Standards erfüllen. Diese Verpflichtung wurde 2021 vor allem um einige Standards aus dem Greening der letzten Förderperiode ergänzt und als »erweiterte Konditionalität« bezeichnet. Die Eco-Schemes, auch Ökoregelungen genannt, sind eine neue Form von Direktzahlungen. Mit ihnen sollen bestimmte Leistungen für Umwelt und Klima honoriert werden, die über die Konditionalität hinausgehen. Sie sind darin den AUKM der 2. Säule ähnlich, allerdings verpflichten sich Landwirte bei den Ökoregelungen nur für ein Jahr zur Teilnahme. Konditionalität, Ökoregelungen und AUKM bilden gemeinsam die »Grüne Architektur « der GAP.
Neben der Einführung der Ökoregelungen bekamen die Mitgliedsstaaten mehr Gestaltungsspielräume, richtig?
Ja genau. Die nationalen GAP-Strategiepläne der Mitgliedsstaaten, die zum 1. Januar 2023 in Kraft traten, stellen das Kernstück des »neuen Umsetzungsmodells« der GAP dar. Es bietet den einzelnen Mitgliedsstaaten deutlich mehr Gestaltungsspielraum, da die EU weniger Detailvorgaben für die Umsetzung der GAP macht.
Was heißt das genau?
Für Deutschland erforderte und erfordert das neue Umsetzungsmodell eine stärkere Abstimmung zwischen dem Bund und den Ländern: Zum einen musste der GAP-Strategieplan für das gesamte Bundesgebiet erstellt werden. Zum anderen führt die Grüne Architektur zu einer stärkeren Verzahnung der 1. Säule (Ökoregelungen) mit der 2. Säule (unter anderem AUKM). Die 1. Säule liegt in der Kompetenz des Bundes. Für die 2. Säule sind die Länder zuständig.
Wagen wir nach dem Rückblick noch einen Ausblick: Wie muss sich die GAP weiterentwickeln, um das Budget im Wettbewerb um öffentliche Mittel für den Sektor Landwirtschaft zu erhalten?
Die GAP wird sich stärker an dem Prinzip »Öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen« orientieren müssen. Aus der Wissenschaft wird schon seit Langem gefordert, dass die Direktzahlungen schrittweise abgebaut und durch zielgerichtetere Maßnahmen ersetzt werden sollten. Auch die Zukunftskommission Landwirtschaft hat sich 2021 dafür ausgesprochen, »dass die bisherigen flächengebundenen Direktzahlungen aus der 1. Säule im Laufe der nächsten zwei Förderperioden schrittweise und vollständig in Zahlungen umgewandelt werden, die konkrete Leistungen im Sinne gesellschaftlicher Ziele betriebswirtschaftlich attraktiv werden lassen.«
Das Greening von 2013 und die Grüne Architektur von 2021 boten doch bereits umfangreiche Möglichkeiten. Was braucht es denn noch?
Entsprechende Taten. Die jüngsten Änderungen bei den GLÖZ-Standards stellen einen eindeutigen Rückschritt auf dem Weg dar, die moderne Landwirtschaft und die Ansprüche der Gesellschaft stärker in Einklang zu bringen. Dies wird die Entscheidungsfindung für die GAP nach 2027 nicht einfacher machen und es wird auch nicht einfacher werden zu begründen, warum die GAP auch zukünftig einen so großen Anteil am EU-Budget behalten soll. Die 2. Säule wird oft auch als »Politik für ländliche Räume« bezeichnet. Eine solche erfordert einen sektorübergreifenden und keinen agrarsektoralen Blick auf ländliche Räume.
Welchen Stellenwert diese in der GAP nach 2027 haben sollten, wird daher zu diskutieren sein. Das klingt nicht so, als würden die Regelungen einfacher?
Trotz vielfach postulierter Bestrebungen zur Vereinfachung der GAP hat deren Komplexität stetig zugenommen. Sie hat mittlerweile eine Bürokratielast für Landwirte, aber auch für die umsetzenden Behörden erreicht, die dringend reduziert werden muss.