Gemeinsame Agrarpolitik: Ein Blick nach vorn
Europapolitik geschieht in unterschiedlichen Rhythmen: Alle fünf Jahre werden das Parlament gewählt und die Kommission bestimmt. Alle sieben Jahre ist die Budgetplanung in Form des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) fällig, der die jährlichen Ausgaben und somit die Spielräume für die jeweiligen Fachpolitiken markiert. 2028 beginnt eine neue MFR-Periode und endet folglich auch die aktuelle Agrarpolitik.
Was kommt danach?
Die allseitige Unzufriedenheit mit dem derzeitigen System ist mit Händen zu greifen. Zu viel Gießkannen-Geld für Extensivierungs- und
Umweltmaßnahmen, die sich auf dem Papier gut ausnehmen, aber in der Realität nur überschaubare Wirkungen zeigen. Zu viel Feinsteuerung in Gestalt von Detailregeln und einer Bürokratie, die sich langsam selbst auffrisst. Zu viel Beharren aber auch auf aktuellen Strukturen und damit zu wenig Vertrauen in das Vermögen und die die Kreativität von Landwirten, gesellschaftliche Ziele auf
eigenen Wegen zu erreichen und sich neuen Bedingungen unternehmerisch anzupassen. Nur: Um politische Veränderungen zu bewirken, reicht es nicht, Probleme zu erkennen. Es braucht das »Personal« dazu und (am Ende entscheidend) ein »Fenster« in Form einer gesellschaftlichen Offenheit, das Problem tatsächlich anzugehen.
2019 gab es ein solches Fenster
Alle Welt redete vom Klimawandel; die Grünen konnten ihre Wahlergebnisse weit über ihre Kernwählerschaft hinaus ausbauen, die EU-Kommission lancierte den Green Deal als »Europas Mondmission«. Aber dann kamen Corona, Putins Krieg, die Erzählung von der »Versorgungssicherheit« und zuletzt der Rechtsruck bei den Europawahlen. Die Folge: Eine künftige EU-Agrarpolitik wird die Produktion wieder stärker in den Vordergrund stellen. Stellt sie es intelligent an, wird sie auch für effiziente Umweltmaßnahmen noch genügend Raum finden. Dazu müsste sie viel weniger als bisher vom Flächenumfang aus denken und viel stärker in Richtung Ergebnis.
Ironischerweise würde nichts Europas Versorgung so stark sichern wie ein Beitritt der Ukraine. Rechnet also, wer »Versorgungssicherheit« der EU-27 zu laut in den Mund nimmt, nicht mit der Ukraine? Das nächste offene Fenster für eine fundamentale Reform wird dennoch gerade die Ukraine sein. Das Land wird sich wirtschaftlich der EU weiter annähern. Schon jetzt wird wieder häufiger über Kappungen der Flächenprämie gesprochen, weil diese auf die Ukraine bezogen ganz unvorstellbar ist. Sie ganz abzuschaffen, dürfte schon in Süddeutschland und erst recht in Südeuropa und einigen Ländern Ostmitteleuropas (Polen, Rumänien) auf massiven Widerstand stoßen. Umweltprämien in der ersten Säule wären eine Alternative zu Flächenprämien, aber die Erfahrungen mit den Ökoregeln stimmen nicht positiv.
Wer packt das an?
Wenn somit das Problem klar benannt und das Fenster offen ist, dann fehlen »nur noch« die (Agrar-)Politiker, die erfahren, selbstbewusst und unabhängig genug sind, Reformen beherzt anzugehen. Auch hier: Fragezeichen. Mit Populismus lassen sich vielleicht Wahlen gewinnen, aber gute Politik entsteht daraus nicht. Dem Agrarausschuss des EU-Parlamentes wird eine EKR-Politikerin aus Tschechien vorsitzen, aus jener Parteienfamilie, der auch der wenig aktive polnische Noch-Agrarkommissar entstammt. Dessen Nachfolger(in) ist noch nicht bestimmt. Sie oder er soll (wie die meisten Amtsvorgänger der letzten 25 Jahre) immerhin aus der EVP
kommen. Diese Leute werden nicht mehr auf den Mond fliegen wollen, aber hoffentlich solide arbeiten.