
Wirkstoffverlust. Was tun ohne Flufenacet?
Mit dem Wegfall des Wirkstoffs Flufenacet fehlt die Basis der Bodenherbizide im Getreide. Was Sie danach noch tun können, um Problemungräser in den Griff zu bekommen, zeigt Dirk Wolber.
Die Bewertung der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) des herbiziden Wirkstoffs Flufenacet (FFA) ist eindeutig. Demnach fällt FFA unter die Ausschlusskriterien der Zulassungsverordnung (EG) Nr. 1107/2009, was eine Erneuerung der Genehmigung in der EU-27 ausschließt. Flufenacet wirkt potentiell als Endokriner Disruptor, das heißt, es kann das hormonelle System von Nicht-Zielorganismen stören. Im nächsten Schritt wird die EU-Kommission einen Vorschlag für die Nichtgenehmigung von FFA ausarbeiten, über den dann die EU-Mitgliedstaaten abstimmen. Eine Entscheidung über Abverkaufsund Aufbrauchfristen wird im Frühjahr 2025 erwartet.
Seit über einem Vierteljahrhundert eingesetzt
Flufenacet-haltige Produkte werden in Europa seit mehr als 25 Jahren eingesetzt. Fast die Hälfte aller Herbizide, die vor und im frühen Nachauflauf bei Getreide eingesetzt werden, enthalten FFA. Neben dem Wegfall von S-Metolachlor 2024 werden weiterhin Regularien bei Dimethenamid und Terbuthylamin erwartet, letzteres wird vermutlich auch bis 2026 wegfallen. Mit dem Wegfall von Flufenacet
bricht die Basis der Bodenherbizide im Getreide weg. Und Frühjahrsbehandlungen ohne Bodenherbizidvorlage aus dem Herbst sind mit entsprechend hohen Besatzdichten wegen der häufigen Resistenzentwicklung vielerorts nicht mehr ausreichend wirkungssicher.
Substitutionskandidaten
Ohne Flufenacet verbleiben gräserwirksame Herbizide mit den Wirkstoffen Pendimethalin, Prosulfocarb, Aclonifen, Chlortuloron. Diese Wirkstoffe haben aber eines gemeinsam: Sie sind bei der EU-Genehmigung alle als »Substitutionskandidaten« gelistet und könnten kurzfristig ebenfalls bis 2027 wegfallen. Am Markt sind weiterhin die besonders resistenzgefährdeten ALS-Hemmer und ACCase-Hemmer sowie die in Blattfrüchten eingesetzten FOPs und DIMs. Neue Wirkstoffe zur Bekämpfung von Schadgräsern werden frühestens im Jahr 2027 erwartet, vielleicht auch erst später.
Vorprogrammierte Probleme
Die Substitutionskandidaten werden in den künftigen Herbizidempfehlungen mehr oder weniger gemeinsam als Kombinationen oder Spritzfolge zur Anwendung kommen. Es werden also voraussichtlich Kombinationen mit den Wirkstoffen Pendimethalin und Prosulfocarb verstärkt verwendet. Damit sind weitere Probleme bei dem Herbizideinsatz im Herbst vorprogrammiert. Einerseits riechen die Prosulfocarbhaltigen Herbizide unangenehm. Dies wird als störender Geruch in der Landschaft wahrgenommen und Beschwerden werden so sicherlich zunehmen. Anderseits sind diese Wirkstoffe stark abtriftgefährdet und könnten nach Fehlanwendungen auf Nichtzielflächen gelangen. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob einzelne Herbizide mit diesen Wirkstoffen aus formaltechnischen Gründen von einzelnen belastenden Anwendungsbestimmungen befreit sind, sie bleiben abtriftgefährdet
und unangenehm riechend!
Welche Probleme sich ohne einen effektiven Bodenherbizideinsatz ergeben, konnten wir bereits nach dem Herbst 2023 feststellen: Weil vielerorts nässebedingt keine Herbizide ausgebracht werden konnten, waren im darauffolgenden Sommer 2024 auf diesen Flächen deutlich mehr Unkräuter und Ungräser festzustellen – allen voran die Problemfälle Ackerfuchsschwanz, Windhalm, Weidelgras, Echte Kamille und Vogelmiere.
Mit welchen Alternativen?
Wie lässt sich ein starker Ungrasdruck dann noch bekämpfen? Oft hilft eine veränderte Fruchtfolge, auch weil dadurch mehr Zeit zur Bodenbearbeitung bleibt. Die intensive Stoppelbearbeitung unterstützt die Strohrotte, wobei die Stroh- und Spreuverteilung gleichmäßiger wird und somit einen gleichmäßigen Aufgang der Unkrautsamen bewirkt. Je gleichmäßiger das Unkraut aufläuft, desto niedriger ist das auflaufende Unkrautpotential später in der Kultur. Allerdings sind sechs bis acht Wochen Keimruhe beim Ackerfuchsschwanz keine Seltenheit. Neuere Erkenntnisse zeigen, dass eine Stoppelbearbeitung möglichst flach sein sollte. Ultraflach arbeitende Grubber vergraben die Unkrautsamen deutlich seltener als der betriebsübliche Grubber mit 10 bis 15 cm Arbeitstiefe.
Unterstützend auf eine schnellere und gleichmäßigere Unkrautentwicklung nach dem flachen Grubbereinsatz wirkt ein zusätzlicher
Arbeitsgang mit einer Crosskill-Walze, insbesondere wenn der zweite Grubberstrich nach später Ernte nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich sind häufigere und flache Bodenbearbeitungen vor dem Auflaufen der Kultur angeraten.
Weiterhin ermöglicht moderne Saattechnik mit minimaler Bodenbewegung einen reduzierten Neuauflauf von Ackerfuchsschwanz nach der Saat. Ein einheitliches, feinkrümeliges Saatbett bewirkt neben einem gleichmäßigen Getreidebestand ein rasches Auflaufen der Ungräser. Das Anwalzen der Saat unterstützt diesen Effekt und verbessert auch die Wirkung der nachfolgend eingesetzten Bodenherbizide. Durch die Kombination mehrerer Bodenbearbeitungsgänge wird dem Ungrasbesatz ein Scheinsaatbett geschaffen, sodass eine erste »Welle« des Ackerfuchsschwanzes nach der Keimruhe gleichmäßiger und frühzeitiger aufläuft. So bleibt ausreichend Zeit für den Einsatz von Striegel oder Glyphosat zur Ackerfuchsschwanzbekämpfung, noch bevor die Saat erfolgt. Wichtig ist in diesem Verfahren, dass nach dem Einsatz von Glyphosat keine weitere Bodenbearbeitung erfolgt, sonst würde erneut Ackerfuchsschwanz oder
auch Weidelgras noch vor der Saat des Getreides auflaufen und durch Bodenherbizide nur schwer erfassbar sein.
Die Saat sollte unbedingt erst dann erfolgen, wenn die Anwendung von Herbiziden auch zeitnah möglich ist. Besonders bei eher trockenen Bodenbedingungen kann so noch die Restfeuchte direkt nach der Saat die Wirkung von Bodenherbiziden unterstützen. Daher sollten Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Saattermin entsprechend angepasst werden. Besonders effektiv gegen Ackerfuchsschwanz und Weidelgras ist also eine nur ein bis zwei Wochen verzögerte Aussaat gegenüber den ortsüblichen Terminen! Hierdurch lässt sich das Auflaufverhalten der Schadgräser deutlich reduzieren, da durch diese Verzögerung das Keimverhalten negativ beeinflusst wird. Abschließend ist der Einsatz eines Striegels auch nicht zu unterschätzen. Besonders das Blindstriegeln kurz vor Auflauf der Kultur im Herbst kann bei optimalen Einsatzbedingungen den Herbizideinsatz gegen Ackerfuchsschwanz zusätzlich unterstützen.
Ausblick
Was neue Wirkstoffgruppen angeht, gibt es Licht am Horizont der Bodenherbizide, allerdings ist mit einer Zulassung neuer Wirkstoffe vor 2027 nicht zu rechnen. Neue Herbstherbizide mit bisher »resistenzunbelasteten« Wirkstoffen werden frühestens im Herbst 2027 erwartet. Sie sind solo wirksamer als bisherige Standards und können auch zur Resistenzvorsorge direkt mit weiteren Partnern kombiniert werden.