Klimaschutz sticht Ernährung
DGE-Empfehlungen. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ist nicht irgendeine Organisation. Wenn sie neue Ernährungsempfehlungen ausspricht, erregt das große Aufmerksamkeit. Das Medienecho ist enorm, private und öffentliche Essensanbieter passen ihre Menüs an, Ernährungsberater übernehmen die Argumentationskette. Und: Auch all diejenigen, denen die Nutztierhaltung oder der Fleischverzehr ganz allgemein ein Dorn im Auge ist, können mittlerweile auf die Schützenhilfe der DGE setzen.
»Eine gesunde und umweltschonende Ernährung ist zu mehr als drei Viertel pflanzlich und knapp ein Viertel tierisch«, schreibt die DGE. Belege dafür bleibt sie schuldig. Für die DGE sind Obst, Gemüse, Getreide und Pflanzenöle (egal woher) trotzdem per se gut, Fleisch hingegen begünstigt Krankheiten und ist schlecht für die Umwelt. Eier und Milchprodukte sollen wir auch weniger essen – besser ist das. Es drängt sich der Gedanke auf, dass Fleisch nur deshalb noch in den Empfehlungen drin ist, weil wir Deutschen eben gerne Fleisch essen, und sich das nicht von heute auf morgen ändern lässt.
Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft (!), wird solche Sätze gerne lesen, passen sie doch perfekt in die von seinem Ressort im Februar vorgelegte Ernährungsstrategie (mit der er die DGE-Qualitätsstandards in Schulen, Kitas, Kantinen, Kliniken und Altenheimen etablieren will). Da macht sich die Finanzierung der DGE, deren Elf-Millionen-Etat zu zwei Dritteln vom Bund kommt, doch bezahlt.
Woher sollen die zusätzlichen 3 Mio. t Obst und Gemüse kommen, auf die eine Verzehrsempfehlung von 550 g pro Tag und Kopf hinausläuft, wenn schon jetzt drei Viertel allen Obstes und zwei Drittel des verzehrten Gemüses importiert werden? Wie gehen die hohen Ernte- und Marktverluste in die Umweltbilanz ein? Warum beziehen sich die DGE-Empfehlungen auf gesunde Erwachsene im Alter von 18 bis 65 Jahren, wenn laut einer Veröffentlichung des Robert Koch Instituts (RKI) von 2021 gut die Hälfte dieser Alterskohorte eine langwierige oder chronische Erkrankung aufweist – und ein weiteres Drittel der Bevölkerung aus Altersgründen außen vor bleibt? Und auf welcher wissenschaftlichen Basis gründen die niedrigeren Verzehrsempfehlungen bei Milch, Fleisch und Eiern?
Die Antworten auf diese (und weitere) Fragen spielen keine Rolle, ebenso wenig wie die negativen Folgen solcher Empfehlungen für die Tierhaltung in Deutschland. Es geht um Politik. Das macht die Aussage einer Mitautorin der neuen Empfehlungen in der Tagesschau deutlich: Nur bei einer Grenze von 300 g Fleisch pro Person könnten die Nachhaltigkeitsziele für 2030 eingehalten werden. Spätestens an dieser Stelle wird der Anspruch der DGE, »wissenschaftlich abgeleitete Empfehlungen« zu geben, Augenwischerei.