Kommentar. Der Blinde und der Lahme
EU-Führungsduo. Im Märchen stützt der Blinde den Lahmen und der Lahme weist dem Blinden den Weg. Zusammen kommen Sie sicher
ans Ziel. Leider ist das nur ein Sinnbild. Denn in der EU-Politik geht es ganz anders zu. Da sind mit Deutschland und Frankreich zwei Länder, eines blind, das andere lahm. Eigentlich sollten die zusammen voranschreiten und den anderen Mitgliedsländern den Weg zeigen. So war das über Jahrzehnte, und mit allem Knirschen und Knacken ging das auch ganz gut. Aber Frankreich ist politisch gelähmt und Deutschland befindet sich noch bis zu den Neuwahlen im politischen Blindflug – und bei schwieriger Regierungsbildung könnte dieser Blindflug noch sehr viel länger anhalten. Der vielzitierte Motor der EU stottert nicht nur, er hat einen veritablen Kolbenfresser.
Ein Montageteam, das diesen schnell beheben könnte, ist nicht in Sicht. Denn die politische Lähmung kommt ja nicht von ungefähr, sondern resultiert aus einer tiefen Finanz- und Wirtschaftskrise. Frankreich ist quasi pleite, Deutschland nicht sehr weit davon entfernt. Am vielen Geld ist die Ampel jedenfalls nicht gescheitert. Statt boomender Wirtschaft und sprudelnder Steuereinnahmen denken Aushängeschilder unserer Wirtschaft über Werksschließungen nach und entlassen Mitarbeiter. Nähme die Politik sich an Letzterem ein Beispiel und schrumpfte den aufgeblähten Verwaltungsapparat, der sich mit sinnfreien Verordnungen beschäftigt, so wie das Bosch oder
Thyssen tun, wäre ja noch Hoffnung. In diesem Zustand ist die EU eine leichte Beute für die drei aktiven Akteure auf der weltpolitischen Bühne: Putins Russland kann darauf setzen, dass Brüssel ohne starke Kernländer kopflos ist. Donald Trump stößt in der EU auf kein Land, das seinen zoll- und verteidigungspolitischen Ambitionen auch nur irgendetwas entgegensetzen könnte. Ohne ein starkes Deutschland und Frankreich hat auch Chinas Xi Ping leichtes Spiel, seine Interessen durchzusetzen. Was auch immer alle drei im Schilde führen: Es kostet uns Geld und Ressourcen.
In diesem Umfeld ist auch nicht zu erwarten, dass es in der agrarpolitischen Debatte weitergeht – weder bei uns noch in der EU. Mutige Impulse, die aus der allgemeinen Lethargie und Resignation führen könnten, sind von kranken Staaten mit angeschlagenen Regierungen nicht zu erwarten. Je schwächer die Politiker, desto stärker die bürokratischen Institutionen. Und was das bedeutet, davon können wir alle ein Lied singen. Für uns Landwirte ist das kein gutes Omen.
Was ich mir daher für das neue Jahr wünsche? Dass mutige Politiker mit klaren Zielen das Land regieren, nicht ein träger Verwaltungsapparat, dessen oberstes Ziel die Selbsterhaltung ist. Aber das bleibt wohl ein frommer Wunsch.