EU-Agrrapolitik. Wunsch oder Wirklichkeit?
EU-Agrarpolitik. Fast ist man dieser Tage geneigt, sich einer Illusion hinzugeben: Hält in Brüssel etwa das rationale Denken Einzug? SUR wird jetzt auch in der EU-Kommission ad acta gelegt, ebendiese Kommission erlaubt das temporäre Aussetzen der Flächenstilllegungen und vergangene Woche stellte das Parlament Lockerungen im Umgang mit Crispr/Cas in der Pflanzenzüchtung in Aussicht.
Doch davon sollten wir uns nicht täuschen lassen. Die von Deutschland aus in weitere Länder geschwappte Welle der Bauernproteste mag dazu ihren Teil beigetragen haben. Besonders wirksam gemacht haben ihren Unmut die französischen Landwirte. Die haben damit erreicht, dass der französische Präsident im Gegensatz zu den deutschen Politikern umgehend konkrete Forderungen nach Brüssel adressierte und auf diese Weise den Protestierenden Rückendeckung signalisierte. Olaf Scholz hingegen tauchte ab und schickte seinen Landwirtschaftsminister ins Feuer. Aber bringen uns diese
Erleichterungen wirklich voran? Ich denke nicht, denn: Die wenigsten Landwirte haben für ihre Flächenstilllegungen zu diesem Zeitpunkt
noch alternative Verwendungsmöglichkeiten, schon gar nicht für einen Anbau ohne Pflanzenschutz. SUR wird in der nächsten Legislaturperiode definitiv wieder auf den Tisch gebracht werden, vielleicht in abgespeckter Form. Und besteht der versprochene Bürokratieabbau etwa darin, dass wir in Zukunft keine Agrardieselanträge mehr zu stellen brauchen? Das alte Lied, die Regulierungswut zu zügeln, hat die Wirtschaft hierzulande schon zu oft gehört. Gewerbliche Unternehmen nutzen nun vermehrt die Möglichkeit der Abwanderung, doch diese Option besteht für uns Landwirte nicht. Die Versprechungen entpuppen sich also doch eher als plakative Beruhigungspillen. Diese klingen wie ein halbseidener Versuch der Beschwichtigung von Politikern, die von Wahlen auf EU- und Landesebene getrieben sind. Die Illusion von wirklichem Verständnis der Politik gegenüber den Sorgen der Landwirte schwindet, auch wenn man es sich doch so sehr wünscht. Geben wir uns besser nicht allzu leicht dem Glauben hin, dass die Proteste unserer Branche in rationalen und pragmatischen Entscheidungen auf politischer Ebene münden.
Bei Licht betrachtet geben allein die Lockerungen der Züchtungsmethoden Anlass zur Hoffnung. Sie sind meiner Meinung nach jedoch kein Zugeständnis den Landwirten gegenüber, sondern ein gesamtgesellschaftlich wichtiger Schritt in eine wettbewerbsfähige europäische Pflanzenzüchtung. Die käme allen zu Gute. Was nach den Wahlen von den übrigen aktuellen Versprechungen wirklich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.