Handelskonflikt. China nimmt die Milchprodukte ins Visier
Peking reagiert auf die höheren Importzölle für chinesische E-Autos in die EU: Neben Strafzahlungen für Branntwein gibt es eine Antidumping-Untersuchung gegen EU-Molkereiprodukte. Was bedeutet das?
Das Schema gleicht sich stets aufs Neue: Sieht Chinas Zentralregierung sich ungerecht behandelt, setzt sie immer wieder den Warenhandel als Druckmittel ein, um den Gegner weichzukochen. Häufig sind es Agrar- oder Ernährungsgüter, die in den Konflikt hineingezogen werden. Ein prominentes Beispiel ist Raps aus Kanada.
Milchprodukte im Handelskonflikt
Schon 2019, nach der Festnahme einer Huawei-Managerin auf kanadischem Boden, strafte Peking die Nordamerikaner durch einen Kaufstopp und eine wochenlang verzögerte Abfertigung in den chinesischen Häfen ab, woraufhin sich in Kanadas Exporthäfen die Ware stapelte. Heute sind es die gestiegenen Zölle auf Stahl und Elektroautos aus China, auf die Peking mit einer Antidumpinguntersuchung gegen Raps aus Kanada antwortet. Die von der EU erhobenen Antidumpingzölle auf chinesische E-Autos sind auch der Grund dafür, dass China im Juli eine auf den gleichen Vorwurf lautende Untersuchung gegen EU-Schweinefleisch einleitete. Zudem muss seit Oktober bei der Einfuhr von Branntwein »Made in EU« nach China eine »Sicherheitskaution« hinterlegt werden. Und nun hat Peking auch noch Milchprodukte in den Handelskonflikt hineingezogen. Worum geht es dabei?
Gestartete Untersuchung als Warnschuss
Zunächst geht es Peking wohl darum, zu zeigen, dass man die Strafzölle nicht tolerieren wird und seinerseits Gegenmaßnahmen ergreifen wird. Der laut dem chinesischen Handelsministerium Ende Juli von zwei chinesischen Branchenverbänden eingereichte Antrag auf eine Ausgleichsuntersuchung enthält eine Liste mit sieben Vorwürfen gegen die EU-Milchpolitik sowie 20 weitere, länderspezifische Vorwürfe. Dabei beweisen die chinesischen Branchenverbände eine genaue Kenntnis der länderspezifischen Förderprogramme.
Die jetzt gestartete Untersuchung kann zudem als Warnschuss verstanden werden, denn die betroffenen Produkte (Rahm (> 10 % Fett), Frischkäse/Quark, Verarbeitungs-, Blauschimmel- und Schmelzkäse, geriebener/pulverisierter Käse) lassen die mengenmäßig bedeutsamen Milch- und Molkenpulver außen vor. Neben einer Erweiterung der erhobenen Vorwürfe auf diese bislang unberührten Bereiche sind auch weitere Maßnahmen gegen ganz andere Sektoren denkbar. Vor allem die deutsche Autoindustrie sorgt sich vor Strafmaßnahmen gegen ihre Produkte – was ja deutlich näher läge als der Molkereibereich.
Untersuchung der Vorwürfe gegen die EU-Milchpolitik bis weit ins Jahr 2025
Die Rabobank rechnet in einer Analyse der Situation damit, dass die Untersuchung der Vorwürfe gegen die EU-Milchpolitik sich bis weit ins Jahr 2025 ziehen wird. Mit einem tatsächlichen Einfluss auf den Milchmarkt ist demnach erst im Jahr 2026 zu rechnen. Zu spüren bekämen das vor allem die Anbieter aus Frankreich, die zuletzt etwa 37 % der von China bemängelten EU-Lieferungen stellten.
Zugleich habe China in den vergangenen Jahren die Importquote bei den gelisteten Milchprodukten auf 50 % senken können. Sollten tatsächlich Antidumpingzölle gegen die EU folgen, dürften von einer Verschiebung der Nachfrage aus dem Reich der Mitte vor allem Neuseeland und Australien – und eventuell auch das Vereinigte Königreich – profitieren. Nicht vergessen werden darf auch, dass Chinas heimische Milchbranche stark expandiert und der Importbedarf im Bereich der Molkereiprodukte sinkt.
Es bleibt festzuhalten, dass eine Strafmaßnahme Chinas die EU-Anbieter vor Herausforderungen stellen würde. Größere Schäden sind aktuell aber nicht absehbar.