Nach der Reform ist vor der Reform – aber wie?
»Öffentliches Geld (nur) für öffentliche Leistungen« – das ist seit Jahren die Zauberformel, um Agrarprämien der Gesellschaft (dem Steuerzahler) gegenüber zu begründen. Die aktuelle Anpassung der Ökoregeln zeigt jedoch und nicht zum ersten Mal, wie schwierig das in der Praxis ist.
Also beginnt langsam eine Diskussion, für die ein zweiter Spruch passt: »Nach der Reform ist vor der Reform.« Dies zu einem Zeitpunkt,
zu dem die Reform überhaupt gerade erst begonnen hat.
Warum so früh, wo doch die aktuelle Regelung bis 2027 gilt? Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.
- Erstens will die Bundesregierung zu ihrer Halbzeit die Agrarpolitik im Hinblick auf die Gemeinwohl-Orientierung bewerten. Das steht also Ende 2023 an. Die vorliegenden Diskussionspapiere von Umwelt und Bauernverbänden folgen der Linie, die sowohl im Koalitionsvertrag als auch in der Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) vorgezeichnet wurde: ein Ende der Basisprämie. Konkrete Konsequenzen werden allerdings unterschiedlich gesehen. Die »Verbändeplattform« (von AbL, BDM und den Ökolandbau-Verbänden bis NABU und Greenpeace) möchte die GLÖZ-Standards, also die bisherigen Voraussetzungen für die Basisprämie, ins Ordnungsrecht überführen. Der DBV stellt sich vor, dass Landwirte ohne GLÖZ und Basisprämie wirtschaften und dennoch an (dann erweiterten) Agrarumweltmaßnahmen teilnehmen können.
- Zweitens steht 2025 ein neuer EU-Finanzrahmen auf der Tagesordnung. Die Agrarier sind immer gut damit gefahren, möglichst präzise Vorstellungen schon vorher zu präsentieren, um der Gefahr von Etatkürzungen vorzubeugen. Aber nicht nur der absolute Umfang der Agrarzahlungen steht zur Diskussion; 2023 bis 2026 sind es EU-weit 386 Mrd. € und damit ein Drittel des gesamten EU-Haushaltes. Es wird auch der Verteilschlüssel innerhalb der EU-Länder erneut auf den Tisch kommen. National würde ein Abschied von der Flächenprämie auch die durchaus revolutionäre Frage nach sich ziehen, ob die »historische« Verteilung der Gelder auf die einzelnen Bundesländer noch so bleiben kann. Aber das sind erstmal Gedankenspiele. Man musste auf der Agritechnica nur einmal unter polnischen Besuchern nachfragen, um zu erkennen, wie wichtig die Basisprämie in vielen EU-Ländern nach wie vor ist.
- Drittens ist da der massive Unsicherheitsfaktor »Ukraine«. Unter normalen Umständen müsste man sich (trotz der Eröffnung des Verfahrens) noch lange keine Gedanken über einen konkreten EU-Beitritt machen. Da aber die Zeit aus den Fugen ist und gerade die ukrainische Landwirtschaft vorher Unterstützung braucht und verdient, spielt die schiere Größe der Fläche, die neu dazukommen würde, dann doch eine Rolle. Und damit die Größe der Herausforderung: Hier geht es nicht um bunte Blumen, sondern unter anderem darum, Flächen überhaupt erst wieder bewirtschaften zu können.
- Viertens werden die handelnden Personen von heute nicht die von 2027 sein: Im Mai 2024 wird ein neues EU-Parlament gewählt, ein halbes Jahr später folgt eine neue EU-Kommission. Im Herbst 2025 sind außerdem Bundestagswahlen.
Über allem schwebt die allgemeine Unzufriedenheit mit der EU-Agrarpolitik. Weil diese mit alten Instrumenten zu viele neue Herausforderungen angeht, funktioniert sie einfach nicht gut. Umweltprämien und Produktpreise passen in den Augen (und auf dem Taschenrechner) zumindest vieler deutscher Landwirte nicht zusammen. Umweltschützer monieren das überwiegend »flache« Niveau und die Zufälligkeit der Umsetzung dieser Regeln. Verwaltungen beklagen die Komplexität der Kombination aus Konditionalität, Ökoregeln und Agrarumweltprogrammen. Künftig werden (ohne Verbindung zur GAP) die Pflanzenschutz-Verordnung und das Naturwiederherstellungsgesetz als Motoren des »Green Deal« dazukommen und das Durcheinander weiter erhöhen.
Ein Grundproblem dabei ist, dass es zu viel Ausgleich und zu wenig Anreize gibt. Feste Ausgleichsbeträge und schwankende Erträge und Agrarpreise passen aber selten zusammen. Jeder Landwirt hofft doch, dass er mit einer intensiven Produktion mehr vom Acker holt als durch die Kombination von Extensivierung und Prämie. Deshalb erzeugen Ökoprämien zum Teil nur Mitnahmeeffekte. Besonders deutlich ist das in Frankreich zu sehen. Dort ist die Eingangsstufe der Ökoregeln so niedrig, dass fast alle Landwirte teilnehmen können, ohne viel im Betrieb ändern zu müssen.
In einem Satz: Einkommen für die Landwirte über (echte) Klima- und Umweltleistungen zu ermöglichen, bleibt die zentrale Herausforderung der EU-Agrarpolitik.