DLG-Unternehmertage. Bürokratie managen - Freiraum schaffen!
Die DLG-Unternehmertage 2024 fanden am 10. und 11. September in den Weser-Ems-Hallen in Oldenburg statt. Am Mittwoch, den 11. September, stand der Kongress im Mittelpunkt. Das Leitthema „Bürokratie managen – Freiräume schaffen“ sollte Impulse setzen, um Kontrollwesen und Verwaltungsprozesse so zu gestalten, dass unternehmerische Kreativität für eine erfolgreiche und nachhaltige Landwirtschaft freigesetzt wird. In Keynotes, Impulsforen und Praktiker-Pitches wurden dazu verschiedene Ansätze beleuchtet. Thematische Akzente lagen auf der Ordnung des „Dokumentations-Dschungels“ Düngung, Konzepten für den Stall der Zukunft, dem Englischen Modell der Agrarsubventionierung nach Umweltleistung sowie Best-Practice-Beispielen für die Digitalisierung von Betriebs- und Verwaltungsprozessen.
Zukunftsbejahende Stimmung erzeugen
„Ich wünsche mir bei uns Landwirten einen selbstbewussteren, mutigen Blick nach vorne.“ Das betonte DLG-Präsident Hubertus Paetow zur Eröffnung der DLG-Unternehmertage 2024 unter dem Leitthema „Bürokratie managen – Freiraum schaffen“ am Mittwoch in Oldenburg. Diese zukunftsbejahende Stimmung zu erzeugen, sei eine „große Aufgabe für Politik und Verbände“, so Paetow weiter. Dazu müssten zunächst durch Politik, Verwaltung und die Landwirtschaft selbst die passenden Rahmenbedingungen geschaffen werden. „Ein großer Kritikpunkt der Branche in Richtung der Politik, und daher auch ein großes Versprechen der Politik als Antwort auf die Bauernproteste, betrifft den Bürokratieabbau“, führte Paetow aus. Der Bürokratieabbau erfordere „ein gutes Zusammenspiel aller Beteiligten – und da gehören wir Landwirte eindeutig dazu“, unterstrich der DLG-Präsident.
Aufgabe der Politik sei es, einen neuen Ansatz bei der Regulierung zu wählen: Die politischen Akteure müssten sich darauf beschränken, Ziele zu definieren, erläuterte Paetow. Die Erreichung dieser Ziele bleibe im Anschluss daran der Kompetenz und Kreativität der landwirtschaftlichen Unternehmer überlassen – auf die wiederum die Politik vertrauen müsse. Die landwirtschaftlichen Betriebe nimmt Paetow in die Pflicht, „ihre regulierungsbezogenen Prozesse professionell und fortschrittlich organisieren.“ Denn ein professionell eingerichtetes System zur Planung und Dokumentation betrieblicher Prozesse erspare den Unternehmerinnen und Unternehmern viel Aufwand bei der Bedienung der steigenden Nachweispflichten.
Intensivierung als Anpassungsstrategie
In der gesellschaftlichen Diskussion um Anpassungen an den Klimawandel mahnte der DLG-Präsident indes mehr Technologieoffenheit und Fortschrittsdenken an: Die kürzlich abgeschlossene Erntesaison 2024 zeige, dass neben Dürren und Wüstenbildung auch überdurchschnittlicher Niederschlag als Folge des Klimawandels landwirtschaftliche Erträge gefährden könne. „Das viele Wasser hilft nicht nur den Pflanzen, sondern auch den Pilzkrankheiten“, stellte Paetow dazu fest. Wochenlange Wassersättigung beeinträchtige zudem das Wurzelwachstum sowie die Nährstoffaufnahme der Pflanzen: Das vergangene Jahr habe gezeigt, dass die Intensivierung der letzten Jahrzehnte im Bereich der Fungizide und Wachstumsregler, aber auch bei der Entwässerung von Ackerflächen, durchaus ihren Sinn hatte, so Paetow.
Auch Intensivierung, so das Argument des DLG-Präsidenten, ermögliche also eine wirkungsvolle Anpassung an den Klimawandel. „Nachhaltige Produktivitätssteigerung bedeutet, den Betriebsmittelansatz an die Lage anzupassen, und eben keine pauschalen Verbote in willkürlichen Gebietskulissen. Pflanzenschutz, Düngung und Bodenbearbeitung in Zeiten des Klimawandels bedeutet eben nicht Extensivierung oder Ertragsverzicht, sondern den Einsatz von Betriebsmitteln gezielt weiterzuentwickeln – mit verbesserten Prognose- und Entscheidungsmodellen, präziser Sensorik und wirksamem Pflanzenschutz“, sagte Paetow vor den landwirtschaftlichen Unternehmerinnen und Unternehmern im Saal.
Unternehmerische Ansätze statt ordnungsrechtliche Feinsteuerung
Insgesamt beobachtet der DLG-Präsident jedoch einen Paradigmenwechsel im agrarpolitischen Diskurs. „Die Story vom politischen Primat von Ökologie und Klimaschutz zieht nicht mehr – Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität haben sowohl national als auch in der EU inzwischen höchste Priorität“, betonte Paetow. Als Indiz dafür wertet er die Streichung von GLÖZ 8, der Stilllegungsverpflichtung im Rahmen der Konditionalitäten für die Direktzahlungen. Die Themen Biodiversitätsverlust und Klimawandel seien deswegen aber nicht weniger wichtig geworden oder die damit verbunden Herausforderungen auch nicht gelöst – sie seien nur nicht mehr im Fokus der Politik: „Und das kann ein Vorteil sein, wenn man die Phase der geringeren Aufmerksamkeit klug nutzt“, unterstrich der DLG-Präsident.
So eröffne die Streichung von GLÖZ 8 Landwirtinnen und Landwirten beispielsweise die Möglichkeit, die Überlegenheit unternehmerisch-kooperativer Ansätze zur Biodiversitätsförderung zu demonstrieren: Je mehr Betriebe jetzt in „hochrentable Projekte zur Biodiversitätsförderung einsteigen“ und Erfolge vorweisen würden, unterstrich der DLG-Präsident, umso eher würden Politik und Gesellschaft „auf ordnungsrechtliche Feinsteuerung verzichten.“
Offenheit für konstruktiven Dialog gefordert
„Die deutsche und europäische Landwirtschaft hat die Chance, den Bereich der Agrar- und Umweltpolitik für längere Zeit in eine für alle Beteiligten gute Richtung zu lenken. Dazu ist es aber notwendig, die aktuelle für die Landwirtschaft positive Situation nicht zum Anlass zu nehmen, sich einem konstruktiven weiteren Dialog zu verweigern und in der Ablehnung von ökologisch relevanten Regulierungen übers Ziel hinauszuschießen“, mahnte Paetow.
Bei der Gestaltung einer zukunftsfähigen Landwirtschaft nahm Paetow neben Politik, Verwaltung und Landwirtschaft auch den Lebensmitteleinzelhandel in die Pflicht –insbesondere mit Blick auf die Tierhaltung: Marketinggetriebene Botschaften zur Umstellung des Sortimentes im Fleischregal auf höhere Haltungsstufen passten einfach nicht zu einem Markt, auf dem schon der Standard der Initiative Tierwohl nicht mehr kostendeckend abzusetzen sei, analysierte der DLG-Präsident.
Bürokratiekosten gering halten und Investitionsmut bewahren
Prof. Dr. Jan-Henning Feil von der Martin-Luther-Universität in Halle-Wittenberg verwies in seiner Keynote zur Auftaktveranstaltung Plenum am Mittwoch auf die negativen Folgen für landwirtschaftliche Unternehmen, die durch „Bürokratie-Unsicherheit“ entstehen. Als Beispiele für Bürokratie-Unsicherheit in der Landwirtschaft nannte Feil zum einen die unvorhergesehene Entscheidung zur Streichung der steuerlichen Rückvergütung auf Agrardiesel im Winter 2023, die zu heftigen Protesten aus der Landwirtschaft geführt hatte. Zum anderen verwies er auf die Diskussion über unterschiedliche Haltungsformen und Tierwohl in der Tierhaltung. Diese wiederum führe bei Tierhaltern zur Verunsicherung darüber, wie ein zukunftsfähiger Stall konzipiert sein müsse. Bürokratie-Unsicherheit habe letztlich zur Konsequenz, „dass sich Unternehmer mit langfristigen Investitionen zurückhalten“, betonte Feil.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der DLG-Unternehmertage 2024 gab Feil Strategieempfehlungen mit auf den Weg, um die Zukunft ihrer Betriebe trotzdem positiv und mutig zu gestalten. In erster Linie riet er dazu, Bürokratiekosten auf den Höfen so gering wie möglich zu halten und den Mut zu Investitionen zu bewahren. Damit das wiederum gelinge, sollten landwirtschaftliche Unternehmer ihre gesamten Arbeitsabläufe digitalisieren, wiederkehrende Verwaltungstätigkeiten auf den Betrieben standardisieren, wo immer möglich, bürokratische Tätigkeiten „rigoros outsourcen“ sowie Kooperationen zur gemeinschaftlichen Bewältigung administrativer Aufgaben mit anderen Betrieben in Erwägung ziehen.
Feedback bündeln und Politik übergeben
Im Fazit seiner Keynote betonte Feil, dass die Landwirtinnen und Landwirte bürokratische Prozesse dann am wirkungsvollsten beeinflussen könnten, wenn sie ihre Kritik bündeln und Politik sowie Verwaltung konkrete Verbesserungsvorschläge machen würden. Die Aufgabe, das Feedback aus der Landwirtschaft zu bündeln, somit sichtbar und relevant zu machen und den politischen Entscheidungsträgern zu überreichen, schrieb der Professor der DLG zu.