Fuckup Nights. Scheitern ist keine Schande
Wer sein Unternehmen in den Sand setzt, wird schnell als Versager abgestempelt. Eine in Mexiko geborene Veranstaltungsreihe will das ändern. Das Ziel: Scheitern soll als Teil des Weges zum Erfolg gesehen werden.
Wer scheitert, ist ein Verlierer. Das gilt auch heute noch im deutschsprachigen Raum (aber nicht nur dort), wo eine in den Sand gesetzte Geschäftsidee gleichgesetzt wird mit »Misserfolg« oder »Niederlage«. Im englischsprachigen Raum, allen voran den USA, ist das ganz anders. Dort gilt nicht das Scheitern einer Idee, sondern vielmehr das Aufgeben als Niederlage. Anders gesagt: Hinfallen ist keine Schande, wenn man danach wieder aufsteht und weitermacht. Oder um es mit den Worten des Erfinders Thomas Edison zu sagen: »Ich bin nicht gescheitert. Ich habe bloß 10 000 Wege entdeckt, wie es nicht funktioniert.« Doch langsam verschiebt sich etwas. Auf »Fuckup Nights« überall in Deutschland reden Unternehmer vor Publikum über das Scheitern ihrer Geschäftsideen. Doch was soll das bringen, und woher stammt die Idee?
Die Entstehung der Fuckup Nights
Der Legende nach begann alles mit einer Gruppe von fünf Freunden in (nein, nicht in den USA) Mexiko. Die kamen eines Abends zusammen und fragten sich, warum alle Welt immer über die erfolgreichen Mark Zuckerbergs und Bill Gates dieser Welt redet, aber niemand offen über sein Scheitern spricht. Aufgelockert und ermutigt durch den einen oder anderen Agavenschnaps erzählte jeder der fünf von seinem wichtigsten Misserfolg. Das sich daraus entwickelnde Gespräch war für alle derart lebensverändernd, dass sie es mit weiteren Freunden teilen wollten – damit war die Idee einer »Fuckup Night« geboren, wobei sich »Fuckup« am ehesten mit »vermasselt« übersetzen lässt. Die erste derartige Veranstaltung ging im Jahr 2012 in Mexiko über die Bühne. Was sich leicht kitschig liest, hat sich mittlerweile zu einer Organisation entwickelt, die nach eigenen Angaben aktuell in 215 Städten, verteilt auf 62 Länder, vor Ort vertreten ist.
Das Scheitern soll vom Stigma des Versagens befreit werden.
Warum sollte man (oder Frau) sich die Zeit nehmen, um sich die Gründe für das Scheitern anderer Gründer anzuhören? Habe ich gerade selbst beruflichen Erfolg, stellt sich die Frage nach den Folgen eines möglichen Scheiterns überhaupt nicht. Und habe ich gerade ein Geschäft in den Sand gesetzt, kann ich mir vielleicht Besseres vorstellen, als anderen Leidensgenossen zuzuhören. Dabei geht es genau darum: Nicht nur wir Deutschen haben große Angst vor dem (beruflichen) Scheitern. Eine Studie der Uni Hohenheim kam 2015 zu dem Ergebnis, dass für allgemeine Fehler, wie sie auch im Privatleben gemacht werden, in der Bevölkerung eine höhere Akzeptanz besteht als für berufliche Fehlentscheidungen. Das wollen Fuckup Nights verändern, indem sie das Scheitern aus der Schmuddelecke herausholen. Anstelle des Stigmas »Versagen« soll auf konstruktive Weise mit dem Scheitern umgegangen werden.
Auf den Veranstaltungen sprechen Gründer über eigene Unternehmungen die den Bach runter gegangen sind, und was sie dabei erlebt und gefühlt haben. Ziel ist die Suche nach den Ursachen und das gemeinsame Lernen aus den Fehlern anderer. Die Annahme dahinter: Nicht nur der Erfolg, auch das Scheitern lässt sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten. Dabei kommt früher oder später die Frage auf, was wertvoller ist und wo man die besten Lektionen lernt: beim Erfolg oder beim Scheitern?
Der Ablauf einer Fuckup Night ähnelt sich, ganz egal, in welcher Stadt sie stattfindet. Üblicherweise drei eingeladene Sprecher erzählen auf der Bühne nacheinander ihre Geschichte vom Scheitern. Dabei reicht die Spannweite der Themen von Niederlagen im Alltagsgeschäft bis hin zu Insolvenzen. An den Vortrag schließt sich der direkte Austausch mit den Zuhörern an.