Tierwohl. »Der Mehraufwand muss honoriert werden.«
Die Schlachtunternehmen rühren derzeit kräftig die Werbetrommel, um Schweinemäster zur Umstellung auf höhere Haltungsstufen zu bewegen. Viele Landwirte sind aber weiter skeptisch, wie verlässlich die Zusagen des Handels sind. Wir haben mit Henrik Wiedenroth gesprochen.
Herr Wiedenroth, Lidl hat angekündigt, Frischfleisch und Wurstprodukte bis 2030 auf Haltungsstufe 3 und höher umzustellen. Was heißt das konkret?
Lidl in Deutschland engagiert sich bereits seit Jahren für mehr Tierwohl. Wir entwickeln das Angebot an tierischen Erzeugnissen in unserem Sortiment kontinuierlich weiter und erhöhen beispielsweise bis 2025 den Anteil des Frischfleischs unserer Eigenmarken aus mindestens Haltungsformstufe 3 auf 50 %. Im selben Zeitraum werden wir auch die Hälfte unseres Wurstsortiments der Eigenmarke »Metzgerfrisch« auf mindestens Haltungsformstufe 3 umstellen. Bis 2030 sollen zudem 100 % des Frischfleischs, darunter auch marinierte Grillartikel, sowie sämtliche gekühlte Wurstwaren aller Tierarten den Kriterien der Haltungsformen 3 und 4 entsprechen. Davon ausgenommen sind wenige internationale Spezialitäten.
Wie viel Prozent von Frischfleisch und Wurst verkauft Lidl derzeit in Haltungsstufe 3 und höher?
Wir sehen, dass höhere Haltungsformen in unserem Eigenmarkensortiment auf ein deutliches Interesse stoßen. Gleichzeitig stellen wir fest, dass die Landwirtschaft ihre Haltungssysteme zunehmend umbaut. Dadurch können wir zusätzliche Artikel aus höheren Haltungsformen anbieten. Bereits heute stammen über 40 % unseres Frischfleischsortiments tierartübergreifend mindestens aus Haltungsformstufe 3. Wichtig ist, dass wir die Kunden über den Mehrwert dieser Produkte transparent und leicht verständlich informieren können. Dafür bedarf es unter anderem eine hohe Datentransparenz in der Wertschöpfungskette und allgemein verständliche Kriterien.
Schweinemäster investieren derzeit nur zögerlich in höhere Haltungsstufen. Wird Lidl Landwirten direkte Verträge oder auch eine Bezahlung nach Vollkosten anbieten, um das zu ändern?
Uns ist bewusst, dass eine Transformation der Tierhaltung mit erheblichen Investitionen verbunden ist und nur funktioniert, wenn ausreichende Planungssicherheit gegeben ist. Daher gehen wir aktuell verstärkt langfristige Verträge mit unseren direkten Lieferanten aus der Schlachtung ein, um eine Abnahmegarantie sicherzustellen. Unser Anspruch ist es, Konzepte, die eine langfristige Planungssicherheit ermöglichen, weiterzuentwickeln. Dabei stehen wir praktikablen Vorschlägen offen gegenüber. Natürlich wollen wir immer das beste Preis-Leistungs-Verhältnis bieten. Gleichzeitig muss der Mehraufwand, der Landwirten für höhere Haltungsformstufen entsteht, angemessen honoriert werden.
Machen Sie die Einhaltung des Ziels 2030 von der Verfügbarkeit deutscher Ware abhängig?
Wir denken Haltung und Herkunft gemeinsam. Eine ausreichende Verfügbarkeit von deutschen Rohstoffen ist die Voraussetzung, um das gesamte Sortiment an Frischfleischartikeln und gekühlten Wurstwaren auf mindestens Haltungsformstufe 3 umzustellen. Dabei setzen wir auch künftig auf ein flächendeckendes »5xD«-Angebot: Geburt, Aufzucht, Mast, Schlachtung und Verarbeitung von Wurstwaren sowie Frischfleisch der Eigenmarke »Metzgerfrisch« erfolgen in Deutschland. Das ist ein klares Bekenntnis von Lidl zur deutschen Landwirtschaft. Gleichzeitig kommen wir damit den Kundenwünschen nach heimischen Produkten nach. Vor diesem Hintergrund weiten wir im Jahresverlauf unser Festsortiment auf über 500 Produkte aus deutscher Landwirtschaft aus. Und: Bereits umgesetzt haben wir die Umstellung von frischem Rindfleisch und Trinkmilch auf mindestens Haltungsformstufe 3 aus deutschen Rohstoffen.
Wie gehen Sie mit Ihren Zielen um, wenn die Kunden weiter an Lebensmitteln sparen und die Nachfrage nach Fleisch aus höheren Haltungsstufen gering bleibt?
Lidl ist ein verlässlicher Partner auf Augenhöhe. Daher halten wir an unserem Ziel für 2030 fest. Das haben wir zuletzt damit unterstrichen, in die Ganztiervermarktung einzusteigen und so auch Wurstwaren auf die höheren Haltungsformstufen 3 und 4 umzustellen. Die Schritte, die wir in Richtung höherer Tierwohlniveaus vollzogen haben, werden wir nicht wieder zurücknehmen.
Die Fragen stellte Christin Benecke.