Standort Deutschland. Ein Blick von außen
Wirtschaftskrise, Bürokratie, Umweltschutz, Außenpolitik – in unserem Land klemmt es derzeit an allen Ecken und Enden. Wie sieht man im Ausland auf Deutschland, was bestimmt den Blick der Partner oder Konkurrenten? Wir haben uns in einigen Ländern umgehört.
Die Krise bei VW bewegt aktuell Deutschland und treibt die Politik vor sich her. Aber das ist nur der Auslöser oder besser das markante Zeichen einer Krise, die schon lange schwelt. Nicht erst seit der Ampel-Regierung, sondern schon viel früher beginnend. Wie sehen das
wichtige Handelspartner oder politisch befreundete Länder? Welches Bild haben die von Deutschland und wie bestimmt das deren Handeln in Bezug auf unser Land? Für diese Frage gibt es keine allgemeingültigen Antworten. Fragen Sie einen Amerikaner im Mittleren Westen der USA, so erhalten Sie mit Sicherheit eine andere Antwort als in New York oder Los Angeles. Dennoch gibt es Grundmuster, die exemplarisch für einzelne Länder stehen. Die in diesem Artikel gewählten Beispiele beruhen sämtlich aus eigenen Gesprächen und Anschauungen vor Ort. Und sie sind in der Summe nicht gerade ermutigend.
Brasilien: »Wir brauchen Euch nicht!«
Brasilien ist ein Kontinent, jedenfalls ist das Land so groß wie Europa ohne Russland und die Ukraine. Wir sprechen gerne vom Bundesstaat Mato Grosso, wenn wir über neue Sojafelder reden. Aber wir tun das so, als ob wir über Belgien reden. Dabei ist alleine das Mato Grosso so groß wie Deutschland, Polen, die Tschechei, Slowakei, Ungarn, Slowenien und die Schweiz zusammen und wird gerade einmal von 4 Mio. Menschen bewohnt. In einem Land, das so viel Platz bietet, denkt man anders als im engen Deutschland.
Die Bevölkerung Brasiliens ist jung und »hungrig«. Hungrig nicht im Sinne von zu wenig essen, sondern im Sinne von Wohlstand
und etwas erreichen wollen. In dem Land herrscht eine hohe Dynamik, etwas, was wir so in Deutschland nicht kennen.
2 Mio. ha aus dem Nichts – in 30 Jahren. Ein Beispiel dafür ist die Kleinstadt Louis Eduardo Magalhaes im Bundesstaat Bahia. Vor 35 Jahren standen dort an einer Militärstraße ein Hotel, eine Tankstelle und ein kleiner Laden. Drumherum nichts als Cerrado, die brasilianische Form der Savanne. Heute ist Louis Eduardo Magalhaes eine pulsierende Stadt mit fast 100 000 Einwohnern, beherbergt die größte Ölmühle Brasiliens, und rund um den Ort werden über 2 Mio. ha Ackerland bewirtschaftet – in der Regel mit zwei, bei Bewässerung drei Ernten im Jahr. Dieser Aufbau in nur 35 Jahren zeugt von einer unglaublichen Dynamik und fördert ein starkes Selbstbewusstsein. Einer der »Macher« dieser Entwicklung ist Siegfried Epp, Brasilianer mit deutschen Wurzeln. Er hat 1989 mit nichts angefangen und nennt heute 50 000 ha Land sein Eigentum. Andere Landwirte befinden sich noch im Aufbau, es gibt viele Städte wie
die Neugründung in Bahia. Aber auch andere Berufsgruppen schauen nach vorne – Tourismusführer etwa am Wasserkraftwerk in Itaipu oder Lkw-Fahrer (in Brasilien meist selbstständige Unternehmer).
Wir Deutschen sind für die Brasilianer vor allem Oberlehrer, die Vorschriften machen wollen, gerade im Umweltschutz und sozialen Fragen. »Wir brauchen Euch nicht«, so eine häufige Aussage. Und: »Wenn Ihr Bäume haben wollt, pflanzt sie doch selbst. Ihr habt im 13. Jahrhundert doch auch die Wälder gerodet, heute wollen wir den Fortschritt genießen«. Es ist eine junge Gesellschaft, die vorankommen möchte und die deutsche Bedenkenträger nicht verstehen kann. Wichtiger als Deutschland sind für Brasilien Länder wie China, Russland oder die USA. Deutschland ist allenfalls ein Absatzmarkt oder ein (durchaus geschätzter) Lieferant von Landmaschinen.