Intakte Schwänze rücken in den Mittelpunkt der Anforderungen an die Schweineproduktion. Damit werden Entzündungen, Nekrosen und Bissverletzungen zu einem Kernproblem. Sie können bisher von keinem Haltungssystem dauerhaft und zu 100 % verhindert werden. Wird SINS (Swine Inflammation and Necrosis Syndrome) als Ursache mit einbezogen, können aber frühzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Entzündungen und Nekrosen im Schwanzbereich wurden lange Zeit nur als Bissverletzungen, solche im Klauenbereich nur als Technopathien angesehen. Natürlich spielt plötzliches und primäres Beißen eine wichtige Rolle als Ursache für derartige Verletzungen. SINS geht aber noch darüber hinaus und es gibt mehr Ursachen dafür als Beißen und Technopathien. Neben Schwanz und Ohren können auch die Zitzen, Nabel, Gesicht, Kronsaum, Ballen und Klauen betroffen sein.
Serie Kupierverzicht
Weitere Beiträge aus der Serie "Kupierverzicht"
- Tierschutz. Wie nah sind wir dem Ringelschwanz
- Genetik und Zucht
- Fütterung
- Umsetzung in die Praxis
Wie entsteht SINS?
Das Syndrom beginnt harmlos mit entzündungsbedingtem Borstenverlust, gefolgt von Schwellungen und Rötung. Die für eine Entzündung typischen Gewebeschäden lassen sich histologisch nachweisen. Die entzündeten Blutgefäße neigen zum Verschluss. Dadurch wird die Blutversorgung von körperfernen Teilen (Schwanzspitze, Ohren etc.) teilweise oder ganz unterbunden und diese entzünden sich ebenfalls oder können sogar absterben (Nekrose).
Letztlich beruht die Entstehung von SINS auf einer Aktivierung der körpereigenen Abwehr durch bakterielle Produkte, z. B. Lipopolysaccharide (LPS), die aus dem Darm in den Blutkreislauf gelangt sind. Es kommt zu einer Entzündungsreaktion, die u. a. auch die Leber betrifft. Aufgrund der hohen Bedeutung dieser Störungen für den Gesamtorganismus, tritt »sickness behaviour« auf, mit Appetitlosigkeit, Unwohlsein und einer generellen Reduktion des anabolen (hormonregulierten) Stoffwechsels. Durch dieses Unwohlsein kann übrigens auch Schwanzbeißen ausgelöst werden.
Für eine innere Ursache von SINS spricht nicht nur die gleichzeitige Beteiligung so unterschiedlicher Körperteile, sondern auch der Nachweis von Entzündungszellen, deren Anhäufung vier bis sieben Tage braucht, die aber bereits bei frisch geborenen Ferkeln mit SINS-Symptomatik und intakter Epidermis nachzuweisen sind. Allerdings gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den Betrieben. Dies ist auf die Bedeutung der Wechselwirkung zwischen SINS-Symptomatik und Umwelt zurückzuführen. Besonders betroffen sind die Klauen. Je stärker die Entzündung der Klauen (SINS), desto empfindlicher reagieren sie auf ungünstige Bodenverhältnisse, und je schlechter der Boden, desto mehr Schäden treten bei gegebenem SINS-Grad auf. Die Ohren sind besonders anfällig für Entzündungen, wenn es im Betrieb Probleme mit der Thermoregulation gibt und die Ohren zur Kühlung »eingeschaltet« werden müssen.