Pflanzenschutz: Was kommt noch nach?
Die Pflanzenschutz-Verordnung der EU (SUR) vom Tisch, das Glyphosat für zehn Jahre erneut zugelassen: Viele Landwirte konnten Ende November aufatmen. Aber ist das nun ein Zeichen für mehr Vernunft seitens der Politik? Schön wär’s.
Glyphosat. Die rechtliche Lage ist eindeutig. Der Wirkstoff hat eine EU-Zulassung für zehn Jahre, und das BVL (die Zulassungsbehörde) folgte mit einer Verlängerung vorerst bis zum 15. Dezember 2024. Anfang Dezember hat das Verwaltungsgericht Aachen die Rechtswidrigkeit eines generellen Glyphosat-Verbotes bestätigt. EU-Recht rangiere vor nationalem Recht. In den Ampelparteien sprechen sich Abgeordnete von SPD und FDP für ein Ende des Anwendungsverbotes aus. Einfach aussitzen und auf eine Klage bzw. ein Gerichtsurteil warten, auf diese Option konnte das BMEL nicht vertrauen. Es hat nun im Dezember eine Eilverordnung erlassen, die das Anwendungsverbot zunächst für sechs Monate außer Kraft setzt. Eine Neuregelung soll zusammen mit dem Bundesrat erarbeitet werden.
Gerade für die Grünen ist diese Situation nicht einfach. Steht doch das Glyphosat wie sonst nur die Gentechnik für eine Landwirtschaft, die sie so nicht haben wollen. Dass gerade sie das Anwendungsverbot kippen mussten, ist für sie bitter. Ironischerweise stammt es jedoch gar nicht von ihnen: Vor dem Hintergrund einer erwarteten Nichtzulassung in der EU hatte 2021 die damalige Große Koalition von CDU und SPD das Anwendungsverbot im Rahmen des Insektenschutzes auf den Weg gebracht. Möglicherweise wird es ab 2024 weitere Anwendungsbestimmungen geben, die das Glyphosat zum Nischenprodukt machen. Das drohende Verbot und höhere Preise haben den Verbrauch in Deutschland ja schon kräftig dezimiert.
Das BMEL denkt zusätzlich darüber nach, die Verwendung von Glyphosat (und anderer Wirkstoffe) über Quoten oder Steuern zu regulieren. Ob dieses schnell umzusetzen oder doch eher eine Trotzreaktion ist, weiß nur der Kaffeesatz.
SUR. Ende November hatte die Abstimmung über die »Verordnung zum nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln« im EU-Parlament für eine seltene Überraschung gesorgt. Noch kurz vorher galt es als sicher, dass die Verordnung nach einer Fülle von Änderungsanträgen angenommen werden würde. Diese Anträge (meist zugunsten der Landwirtschaft) haben aber gerade die Grünen im Parlament dazu bewogen, mit »Nein« zu stimmen.
Da die EU-Länder (der Rat) noch nicht abgestimmt haben, hält die EU-Kommission das Verfahren zumindest formal am Laufen. Es galt aber schon vor der Parlamentsentscheidung als fraglich, ob eine Ratsentscheidung rechtzeitig kommt. Im Mai 2024 sind Wahlen zum EU-Parlament, im Dezember kommt eine neue Kommission. Diese wird das Verfahren (mit einem neuen Vorschlag?) neu aufrollen müssen, wenn sie das überhaupt noch will.
Immerhin sind mit dem Scheitern der von vornherein schlecht angelegten und von der zuständigen Berichterstatterin (Sarah Wiener von den österreichischen Grünen) provokativ-polemisch verhandelten SUR die Pflanzenschutz-Verbote in sensiblen Gebieten vom Tisch. Mehr noch als die prozentualen Einschränkungen (die ja anders als oft dargestellt nicht für den einzelnen Betrieb gegolten hätten, sondern für das EU- bzw. Bundesland) waren sie am Ende der Knackpunkt in den Verhandlungen.
Das Thema »Reduzierung von Pflanzenschutzmitteln« wird gleichwohl weiterhin auf der Tagesordnung bleiben. Nur wahrscheinlich ohne EU-Harmonisierung und mit unterschiedlichen Regeln in Europa (und in Deutschland zwischen den Bundesländern). Sicherlich ist die größte aller Gefahren vom Tisch, dass nämlich in weiten Gebieten Deutschlands keine konventionelle Landwirtschaft mehr möglich sein wird. Aber Reduktionsziele haben bereits einzelne Bundesländer festgeschrieben, sodass wir auch künftig über Striegeln, Hacken, Bandspritzung, Glyphosat-Alternativen oder Spot Spraying reden und schreiben werden. Bei aller Erleichterung: Eine EU-einheitliche SUR, die auf die Landwirtschaft mehr Rücksicht genommen hätte, wäre vielleicht doch keine ganz so schlechte Idee gewesen. Aber dann hätte die Umsetzung von Beginn an nicht dermaßen »unterirdisch« sein dürfen.