Glyphosat: Wiederzulassung – und was dann?
Glyphosat-Entscheidungen als Hängepartie mit Überraschungen, das ist in der Zulassungsgeschichte dieses beispiellos umstrittenen Pflanzenschutzwirkstoffs nichts Neues. Wer erinnert sich noch an den Dezember 2017? Damals hatte sich in der damaligen geschäftsführenden CDU-SPD-Koalition der deutsche Landwirtschaftsminister Christian Schmidt über die vereinbarte Enthaltung hinweggesetzt und mit seiner Ja-Stimme dem Wirkstoff zu einer Verlängerung um fünf Jahre verholfen. 2022 hat dann die EU-Kommission die Zulassung »technisch« um ein Jahr verlängert.
Nach dem Patt am 13. Oktober brachte die Folgeabstimmung am 16. November das exakt gleiche Ergebnis. Es war beide Male die FDP, die Deutschlands Enthaltung bewirkt hat. Cem Özdemir hätte wahrscheinlich die »Ampel« riskieren, hätte er so freihändig abgestimmt wie sein Amtsvorgänger vor sechs Jahren. Jetzt hat er Stress mit seinen eigenen Parteigenossen und NGO’s, die auf den Koalitionsvertrag pochen, in dem ein Verbot festgeschrieben ist. Eigentlich hätte nur der Bundeskanzler die Frage regeln können, aber der hält sich bekanntlich gern zurück.
Auch viele andere EU-Ländern eierten herum
Allen voran Frankreich, dem wegen der Gewichtung der Abstimmung auch nach der Größe der Bevölkerung eine besondere Bedeutung zukommt. Zwar hatte schon bei der Abstimmung die Mehrheit (66 %) der EU-Länder eine Wiederzulassung unterstützt, diese kamen jedoch nur auf 55 statt der nötigen 65 % der EU-Bevölkerung. Auf diese Weise wirken Enthaltungen wie Nein-Stimmen. Enthalten hatten sich immerhin sechs EU-Länder: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Frankreich, Malta und die Niederlande (diese mit dem Argument, die geschäftsführende Regierung sei nicht entscheidungsfähig). Explizit gegen Glyphosat stimmten nur Österreich, Luxemburg und Kroatien. Die beiden ersten waren mit dem Versuch nationaler Verbote bereits in vergangenen Jahren auf die Nase gefallen. Das Patt bei der November-Abstimmung führte unmittelbar zur Ankündigung der Kommission, die EU-Zulassung um zehn Jahre zu verlängern. Ausschlaggebend dafür war vor allem die „positive“ Risikobewertung durch die EFSA, die zwar Datenlücken sieht, aber keine kritischen Problembereiche.
Anwendungsverbot
Aber da ist ja noch das ab dem 1. Januar 2024 geltende deutsche Anwendungsverbot!? Noch redet niemand besonders laut darüber, am wenigsten das BMEL. Kein Wunder, hat Glyphosat doch das gleiche emotionale Potential wie Atomkraft oder Gentechnik. Aber es wird wohl (Stand 23. November) so sein, dass das Anwendungsverbot fällt und allenfalls ein paar neue Anwendungsauflagen kommen. Den am Verwaltungsgericht gescheiterten Versuchs Luxemburgs, Glyphosat trotz EU-Zulassung national zu verbieten, wird die Bundesregierung kaum wiederholen wollen. Äußerungen der Staatssekretärin Silvia Bender legen das nahe. Man wird (auch angesichts des Scheiterns der SUR) versuchen, mit viel Rhetorik einer nationalen Verminderung aller Pflanzenschutzmittel das Wort zu reden, ohne dass die Instrumente dafür im Moment deutlich sichtbar sind. Jedenfalls sind Überlegungen in Richtung Pflanzenschutz-Abgabe ebenso wenig vom Tisch wie die handelbarer Nutzungsrechte. Damit könnte Glyphosat besonders teuer und entsprechend unattraktiv gemacht werden.
Mehr dazu finden sie hier in einem Beitrag aus dem Juni 2023.