Neuer Anlauf für ein altes System
Unter den aktuellen Rahmenbedingungen lockt die Direktsaat mit vielen positiven Effekten. Allerdings handelt es sich dabei nicht nur um ein Säverfahren, sondern ein in sich geschlossenes Anbausystem, das gut durchdacht sein will.
Die Direktsaat ist in Deutschland nach wie vor eine sehr kleine Nische. Zwar ackern inzwischen viele Betriebe ohne Pflug. Gänzlich auf eine Bearbeitung verzichten wollen die meisten aber nicht. Im Zuge der veränderten Klimabedingungen und der »regenerativen
Bewegung« wird aktuell aber wieder stärker über das Thema diskutiert und Chancen sowie Grenzen ausgelotet.
Direktsaat ist die Königsdisziplin. Schon in den 1990er Jahren tasteten sich auch in Deutschland einige Landwirte an das System heran. Die wenigsten sind aber bis heute dabeigeblieben. Die Gründe: phytosanitäre Probleme sowie Ertragseinbußen. Pioniere des Verfahrens betonen jedoch immer wieder, dass die Direktsaat nur funktioniert, wenn man das Gesamtsystem im Auge hat. Die Technik allein ist nicht ausschlaggebend. Mindestens genau so wichtig sind eine angepasste Fruchtfolge, der konsequente Zwischenfruchtanbau und der gänzliche Verzicht auf eine mechanische Bodenbearbeitung. Und noch etwas müssen interessierte Ackerbauern mitbringen: Geduld. In vielen Versuchen hat sich gezeigt, dass es durchaus mehrere Jahre dauern kann, bis sich der Boden in einem neuen Gleichgewicht befindet. Gelingt das, verspricht das System viele positive Effekte. Dazu gehören ein verbessertes Wasserhaltevermögen, sehr geringe Bodenabträge, eine gute Befahrbarkeit, ein geringerer Energie- und Arbeitszeitbedarf sowie die Anreicherung organischer Substanz.
Weltweit betrachtet sind die Motivationen für die Umstellung auf Direktsaatverfahren unterschiedlicher Natur. In den trockenen Regionen ist der Fokus ganz klar auf das Wassersparen gerichtet. In heißen, teilweise auch subtropischen Gebieten spielt die Bodenbedeckung eine entscheidende Rolle, damit der Boden nicht überhitzt. Landwirte in niederschlagsreichen Regionen setzen auf die Direktsaat, um Erosion zu vermeiden. Und auf sehr ertragsschwachen Standorten ist die Kosteneinsparung durch das Verfahren ein zentrales Argument. Auch bei uns nimmt der witterungsbedingte Leidensdruck zu. Die vergangenen Jahre waren vielerorts von extremer Trockenheit geprägt. Zudem haben die knappe Verfügbarkeit und die hohen Preise von Mineraldüngern im vergangenen Jahr für manch einen Praktiker den Anstoß gegeben, über alternative Ansätze nachzudenken. Nicht zuletzt bereiten die Entwicklungen im Pflanzenschutz vielen Landwirten Kopfzerbrechen. Tatsächlich berichten Direktsäer vor allem aufgrund der Fruchtartendiversität langfristig von einem reduzierten Pflanzenschutzaufwand.
Da der Boden nicht bearbeitet wird, muss die Sätechnik mit den Besonderheiten des Verfahrens zurechtkommen. Die Zahl der Anbieter von Direktsaatmaschinen nimmt zu. Einer der jüngsten Spieler auf dem Markt ist das französische Unternehmen Novag. Die Besonderheit des Direktsaatspezialisten ist sein Scharsystem. Letzteres besteht aus einem t-förmigen Kreuzschlitzschar und einem automatischen Schardruckregler. Auch dieses Schar schafft es nicht immer, alle Erntereste zu zerschneiden und drückt sie mit der Schneidscheibe zum Teil in den Boden. Allerdings laufen die Säschuhe oberhalb des Tiefgangs der Scheibe, sodass die Saatgut- bzw. Düngerablage rechts und links sowie in der Höhe versetzt zum Scheibenschlitz erfolgt. So soll für das Saatgut stets ein entsprechender Bodenschluss gewährleistet sein. Novag bietet Direktsaatmaschinen von 1 bis 10 m Arbeitsbreite an. 40 Geräte laufen bereits in Deutschland. Das neueste Modell ist die »T-ForcePlus 250« mit variablen Arbeitsbreiten zwischen 2 und 3 m und bis zu 12 Scharen.
Das größte Damoklesschwert für die Direktsaat wäre ein Aus von Glyphosat gewesen. Denn das Totalherbizid ist aktuell ein elementarer Baustein des Systems, um Verunkrautungen oder nicht abgefrorene Zwischenfrüchte zu beherrschen. Überzeugte Direktsäer haben sich von diesem Szenario nicht entmutigen lassen und intensiv über mögliche Alternativen diskutiert. Dazu gehören z. B. mechanische Maßnahmen (walzen und/oder schlegeln) sowie spezielle Zwischenfrüchte wie Schwarzhafer oder Roggen, die vor der Aussaat der Hauptkultur niedergewalzt werden und absterben.