Getreide. Ist Weizen wirklich knapp?
In Russland fehlen im Vergleich zur Vorjahresernte 10 Mio. t, in der EU 12 Mio. t. Andere wichtige Exportländer hingegen verzeichnen größere Ernten. Und die Wirtschaftskrise führt zu Sparzwängen allenthalben auf dem Globus. Das ist kein Umfeld für steigende Preise.
Sehen wir noch einmal die 300 €/t Weizen (gemeint ist die MATIF-Notierung), wie es Ende Oktober ein BayWa-Händler auf der Mühlentagung in Volkach prognostizierte? Oder sind wir schon froh, wenn die Börsenkurse wieder auf 250 €/t steigen?
Verschiebung der Handelsströme
Wenn man die Ernten in Westeuropa (speziell in Frankreich und Deutschland) sowie in Russland im Blick hat, scheint diese Prognose durchaus realistisch. Aber die Märkte zeigen derzeit ein ganz anderes, geradezu diametral entgegengesetztes Bild. Woran liegt das, und womit müssen wir rechnen?
Verschiebung der Handelsströme: EU und Russland verlieren, Australien und die amerikanischen Exportländer gewinnen. Aus europäischer Sicht haben wir vor allem das geringe Angebot im Blick: In der EU fehlen 12 Mio. t zur durchschnittlichen Ernte von rund 135 Mio. t. Weichweizen. Vor allem in Frankreich ist die Ernte mit Einbußen von rund 6 Mio. t besonders klein ausgefallen, bei uns fehlen etwa 3 Mio. t. Und in Russland fehlt eine unbekannte Zahl, das USDA mutmaßt ebenfalls 10 Mio. t im Vergleich zur letztjährigen Ernte.
Hingegen verzeichnen andere Länder höhere Ernten, Kasachstan etwa, Argentinien und Australien, Kanada und die USA. Unter dem Strich wird außerhalb Chinas nach Einschätzung des US-Agrarministeriums (USDA) auf die Tonne genau ebenso viel Weizen geerntet wie ein Jahr zuvor. Ob die Zahlen stimmen oder nicht – wer weiß das schon? Aber sie geben die Richtung vor: Was Russland und die EU an Exportmöglichkeiten verlieren, gewinnen die Exportländer Amerikas hinzu.
Kasachstan ist ein Sonderfall, denn das Binnenland kann nur den Iran auf dem Seeweg bedienen, mit der Bahn geht es noch nach China. Alles andere muss durch Russland und da gibt es Streit um die Transportkosten. Aber am Ende findet der Weizen seinen Weg auf den Weltmarkt. Bis auf Weiteres ist die globale Weizenbilanz gedeckt, zumal die Exporte nach China schrumpfen (das können zwischen 2 und 3 Mio. t weniger sein). Mehr noch: Länder wie Argentinien wollen ihre große Ernten um jeden Preis verkaufen und unterbieten sogar die russischen Preise. Diese sind also nicht mehr wie bisher das Maß der Dinge. Selbst französische Herkünfte preisen sich ein.