Zuchtfortschritt. Kehrt die gelbe Lupine zurück?
Einst blühte auf deutschen Äckern nicht nur der Raps gelb. Doch Mitte der 1990er Jahre kam der Anbau Gelber Lupinen vor allem wegen der Pilzkrankheit Anthraknose nahezu zum Erliegen. Nun wollen Züchtungsforscher die proteinreiche Körnerleguminose wieder attraktiver für Landwirte machen. Was sie bereits erreicht haben, zeigen Brigitte Ruge-Wehling und Florian Haase.
Mit etwa 30 000 ha ist der Lupinenanbau in Deutschland eine Nische. Dabei macht der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche nahezu die Hälfte aus. Doch warum sind die Landwirte bei dieser Kultur so zurückhaltend? Einer der wesentlichen Gründe ist sicherlich die fehlende Ertragsstabilität. Doch neuerdings findet Lupineneiweiß neben der Verwertung als Tierfutter zunehmend Eingang in die Humanernährung. Und auch im Non-Food-Bereich eröffnen sich neue Absatzmärkte durch Nutzung der Nebenprodukte (Schalen, Keime, Hülsen) zur Herstellung von Kunststoffen und Textilfasern oder veganer Kosmetik.
Pilzkrankheit Anthraknose als Problem
Von den drei landwirtschaftlich nutzbaren Lupinenarten eignet sich die Gelbe Lupine besonders für leichte, grundwasserferne
Böden. Sie ist eine wertvolle Eiweißpflanze. Allerdings galt sie in der Vergangenheit als wenig ertragreich und sehr anfällig gegenüber der Pilzkrankheit Anthraknose. Da diese Krankheit immer häufiger auftrat, ist vor allem der Anbau der Gelben Lupine, aber auch der anderen Lupinenarten in Deutschland seit Mitte der Neunzigerjahre praktisch zum Erliegen gekommen. Das hatte zur Folge, dass sämtliche Zuchtprogramme zur Gelben Lupine eingestellt wurden, sodass es nahezu keinen Zuchtfortschritt bei dieser Kulturart mehr gab.
Der Klimawandel erfordert allerdings neue, robuste Kulturen auf unseren Feldern. In dem Zusammenhang könnte der
vermehrte Anbau der Gelben Lupine ein Teil der Lösung sein. Das Julius Kühn-Institut (JKI) in Groß Lüsewitz verfügt mit seinen leichten, sandigen Böden und dem Einfluss der nahe gelegenen Ostsee über optimale Anbaubedingungen für die Gelbe Lupine. Forschungsprojekte zu initiieren, die den Zuchtfortschritt bei dieser Kultur ankurbeln, lag somit nahe. Für eine zeitnahe Umsetzung der Forschungsergebnisse in die Zuchtprogramme haben wir von Beginn an praktische Züchtungsunternehmen in unsere Arbeit eingebunden. Das IPK in Gatersleben lieferte zudem verschiedene genetische Quellen in Form von alten Sorten und Genbankmaterial. Ein weiterer interdisziplinärer Partner war das Fraunhofer Institut für Verfahrenstechnik und Verpackung (IVV) in Freising. Seit 2018 hat sich das Konsortium zum Ziel gesetzt, die genannten Schwächen in Angriff zu nehmen und die Anbauattraktivität dieser lange vernachlässigten Körnerleguminose zu erhöhen.
Inzwischen konnten wir verschiedene züchtungsrelevante Merkmale in einem Maß verbessern, das eine unmittelbare
Prüfung der neuen Zuchtlinien beim Bundessortenamt zulässt.
Anthraknoseresistenz
Die am wenigsten empfindliche Lupinenart ist die Schmalblättrige (Blaue) Lupine – wobei die Erbfaktoren dafür lange nicht bekannt waren. Unsere Forschungsarbeiten resultierten in der Selektion einer genetisch bedingten Resistenz bei der Blauen Lupine, die mit molekularen Markern selektiert werden kann. Kombiniert mit einer weiteren Resistenz aus australischen Quellen steht dem sicheren Anbau Blauer Lupinen in Deutschland nichts mehr im Weg.
Dieser Erfolg war Ansporn für weitere Forschungsarbeiten auch bei der Gelben Lupine. Nach Gewächshausversuchen unter kontrollierten Bedingungen konnten wir eine Resistenz in einer polnischen Sorte identifizieren. Während sich bei anfälligen
Pflanzen der Haupttrieb eindreht und der Blütenstand nicht mehr in der Lage ist, Samen zu produzieren, zeigten resistente Pflanzen im Gewächshaus nahezu keinerlei Symptome. Die Wirksamkeit der Resistenz bestätigte sich in mehrjährigen Feldversuchen. Im Rahmen der Vererbungsanalyse der Resistenz konnten wir den verantwortlichen Erbgang bestimmen. Da es sich um eine monogene Vererbung handelt, konnten wir unter Nutzung aller Sequenzinformationen der Lupinengenome
molekulare Marker für die Züchtung entwickeln. Diese sollen die Sortenentwicklung beschleunigen.
Kornertrag
Mit einem durchschnittlichen Kornertrag von weniger als 2 t/ha gilt die Gelbe Lupine als die ertragsschwächste unter den in Deutschland landwirtschaftlich genutzten Lupinenarten. Zum Vergleich: Die modernen Weißlupinen-Sorten erreichen Erträge von über 4 t/ha, ertragreiche Sorten der Blauen Lupine bis zu 3,5 t/ha. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Weiße Lupine aufgrund ihrer Ansprüche häufig auf besseren Böden angebaut wird. Die Gelbe Lupine auf das Ertragsniveau der Weißen und Blauen Lupine zu heben, war für uns ein weiteres wichtiges Zuchtziel. Dafür fand in Groß Lüsewitz ein Feldscreening von über 250 Linien aus verschiedenen genetischen Quellen statt. Etwa 60 Linien konnten 2019 selektiert und im Jahr 2020 in einem Ertragsversuch ausgewertet werden. Im Ergebnis zeigten 35 Linien das Potential, einen deutlichen Mehrertrag im Vergleich zu den früher genutzten Sorten und Zuchtstämmen zu erzielen.
Um den tatsächlichen Ertrag dieser 35 Linien zu erfassen, legten wir Parzellenversuche mit Wiederholungen an zwei Standorten an. Als Referenz dienten neben der resistenten polnischen Sorte zwei neue, ertragreiche Sorten der Blauen Süßlupine. Insgesamt neun Linien, die auf die resistente polnische Sorte zurückgehen, zeigten einen deutlichen Mehrertrag. Der Kornertrag von vier dieser Linien entsprach dem der beiden ertragreichen Blauen Lupinen.
Proteingehalt
Im Vergleich zu Ackerbohnen und Erbsen ist der Proteingehalt bei Lupinen deutlich höher. Die vom Fraunhofer Institut in Freising untersuchte resistente polnische Sorte der Gelben Lupine wies einen Rohproteingehalt von rund 40 % auf. Das übertraf deutlich die Werte der Blauen Lupine (knapp unter 30 %) und sogar der Sojabohne (etwa 35 %). Ein vergleichbar hohes Niveau konnte in den vier als signifikant ertragreicher eingestuften Gelblupinen-Linien aus den genannten Ertragsversuchen nachgewiesen werden. Erste Ergebnisse zeigen, dass der Alkaloidgehalt der selektierten Linien auf dem gewünschten Niveau von < 0,05 % im Samen liegt. Dieser Wert ist sowohl in der Tierfütterung als auch in der Humanernährung erstrebenswert.
Winterhärte
Winterformen haben eine längere Entwicklungszeit zur Verfügung und durchlaufen ertragsrelevante, trockenheitsempfindliche Entwicklungsphasen weitgehend schon vor Einsetzen der Frühsommertrockenheit. Dies kann im Vergleich zu Sommerungen zu höheren Erträgen und mehr Ertragssicherheit führen, setzt allerdings eine hinreichende Winterhärte voraus. Erfolgreiche winteranuelle Sorten sind bislang nur bei Erbsen und Ackerbohnen bekannt. Deshalb haben wir ein umfangreiches Set an genetischen Ressourcen und Zuchtlinien der Gelben Lupine zunächst unter kontrollierten Bedingungen in der Klimakammer auf deren Frosttoleranz geprüft. Im Ergebnis konnten wir sieben kältetolerante Linien identifizieren und im Freiland testen. In zweijährigen Feldversuchen mit Aussaat im Oktober und Ernte im Juli des Folgejahres bestätigten diese Linien ihre Frosttoleranz.