Regenerative Landwirtschaft. Das sagt die Wissenschaft
Im Rahmen der Regenerativen Landwirtschaft werden verschiedene Maßnahmen diskutiert. Wie tragfähig diese sind, wird in vielen Forschungsprojekten untersucht. Kurt Möller fasst den aktuellen Stand des Wissens zusammen.
Erklärtes Ziel der Regenerativen Landwirtschaft ist ein konsequenter Bodenschutz (durch Förderung humusbildender Prozesse und Aktivierung der Bodenbiologie), Verminderung von Nährstoffverlusten und Verringerung des Einsatzes externer Betriebsmittel. Entsprechend wird eine höhere Klimaresilienz, eine verringerte Grundwasserbelastung, verringerte Treibhausgasemissionen, eine Erhöhung der Biodiversität auf landwirtschaftlichen Flächen und ein Beitrag zum Klimaschutz angestrebt. In der Wissenschaft wird intensiv diskutiert, ob die Regenerative Landwirtschaft ein Modell zur Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie der EU sein könnte.
In Deutschland werden verschiedene Maßnahmen propagiert. Dazu zählen u. a. eine konsequente, möglichst ganzjährige Begrünung der Ackerflächen und eine eher flache Bodenbearbeitung kombiniert mit einer regelmäßigen Tiefenlockerung. Aber beispielsweise auch alternative Bodenuntersuchungsmethoden nach der Philosophie von Albrecht, die Anwendung von Komposttees und von sogenannten Effektiven Mikroorganismen sind Teil des Anbaukonzeptes. Was ist an diesen Methoden dran, und was folgt daraus für die Praxis?
Bodenuntersuchung. Die Theorie der optimalen Nährstoffverhältnisse im Boden, häufig auch Albrecht-Methode genannt, wonach die Kationen Calcium, Magnesium, Kalium und Natrium in einem gewissen Verhältnis zueinander im Boden vorkommen müssen, ist in der Vergangenheit wissenschaftlich anhand zahlreicher Feld- und Gefäßversuche überprüft worden. In Datenbanken finden sich über 200 000 Fachartikel zu dem Thema, sie gilt als widerlegt. Sie führt zu erheblich höheren Kosten, dabei werden in Dauerversuchen in der Regel die gleichen Erträge erzielt. Es sei denn, am Standort herrscht Schwefelmangel oder ein anderer Mangel, der durch eine Routine-Grundbodenuntersuchung nicht adressiert wird. Daher führt die Albrecht-Methode in der Regel zu einem ineffizienten Einsatz von
Düngemitteln (z. B. erhöhte Schwefelauswaschungsgefahr). Allerdings kann eine Düngung nach dieser Methode durch die starke S-Zufuhr gegebenenfalls unerkannten S-Mangel beheben. Dafür wären aber viel geringere Mengen als die häufig empfohlenen S-Mengen notwendig.
Komposttees. In drei Feldversuchen in Südwestdeutschland hatte die Applikation von Komposttee keinerlei Wirkungen auf Ertrag und Blattgesundheit. Die Hypothese, dass Komposttees die Mineralisierung fördern, wurde ebenfalls widerlegt. Zu bedenken sind hier gegebenenfalls sogar negative Wirkungen wie zusätzliche Überfahrten, erhöhte Energiekosten, steigender Arbeitsaufwand sowie eine Keimbelastung mit Escherichia coli, Salmonellen oder Fäkalkeimen.
Effektive Mikroorganismen und Biostimulanzien. Die Ergebnisse eines Dauerversuches in Fernost zum Einsatz effektiver Mikroorganismen zeigen nach 13 Jahren keinerlei Effekte – weder auf den Ertrag noch auf Bodeneigenschaften. Aber auch Versuchsergebnisse in Baden-Württemberg, Bayern und der Schweiz zeigen, dass keine der postulierten Wirkungen derartiger Mikroorganismen wie ein geringerer Verlust von Stickstoff oder eine erhöhte Nährstoffverfügbarkeit eingetreten ist. Die Präparate bestehen aus Milchsäure- und Essigsäurebakterien oder auch aus Clostridien. Es gibt bekannte Prinzipien in der Bodenökologie, die die Wirksamkeit solcher Mikroben grundsätzlich sehr unwahrscheinlich erscheinen lassen. Dazu gehört, dass die Menge der zugeführten Mikroorganismen im Vergleich zur Menge der Mikroorganismen im Boden unbedeutend ist und daher keine Wirkungen zu erwarten sind. Vergleichbares gilt grundsätzlich auch für Biostimulanzien im Freiland. Umfangreiche Versuche der Landwirtschaftskammern und Landesanstalten dazu sind bislang ernüchternd.
Bodenuntersuchungen auf Praxisschlägen. Erhebungen auf den Praxisflächen zur mikrobiellen Aktivität und der Aggregatstabilität des Bodens zeigen etwas bessere Werte für die Regenerativen Flächen. Sie zeigen auch, dass die untersuchten regenerativ wirtschaftenden Betriebe innerhalb der pflanzenbaulichen Möglichkeiten mit Blick auf den Bodenschutz vieles richtig machen. Eine hohe Aggregatstabilität des Oberbodens führt nicht nur zu günstigen Wachstumsbedingungen, sondern verzögert die Verschlämmung der Bodenoberfläche und erhöht die Infiltrabilität der Böden. Für die insgesamt bessere Aggregatstabilität dürfte bei den hier vorliegenden Untersuchungen der Zwischenfruchtanbau wesentlich sein, den regenerativ wirtschaftende Betriebe besonders konsequent betreiben.
Untergrundlockerung. Die vorliegenden Untersuchungen zeigen, dass eine Lockerung des Unterbodens insgesamt eine sinnvolle Maßnahme sein kann, sofern sie mit einer unmittelbaren biologischen Stabilisierung des Bodens durch entsprechendes Wurzelwachstum (z. B. durch eine Zwischenfrucht oder unmittelbar vor der Aussaat von Winterraps) kombiniert wird. Dabei werden nicht nur Verdichtungshorizonte aufgebrochen, sondern zugleich eine höhere Infiltrabilität des Bodens und eine raschere und intensivere Durchwurzelung des Unterbodens erzielt.
Das sollten Sie "mitnehmen"
Die Regenerative Landwirtschaft hat das Potential, ein Leitbild für eine Landwirtschaft zu sein, die weit über das gesetzlich vorgeschriebene Maß eine hohe Produktivität mit Nachhaltigkeit und einer Förderung der Biodiversität verbindet. So gesehen ist es durchaus wünschenswert, einige der propagierten Elemente wie den konsequenteren Zwischenfruchtanbau, eine verringerte Bodenbearbeitungsintensität, die Integration der Tierhaltung oder die Ausweitung von Fruchtfolgen zu stärken. Diese Elemente sowie die Untergrundlockerung haben eine solide wissenschaftliche Basis. Wenn es gelingt, diese Elemente mit Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung (z. B. Anbau von Leguminosen und Mischkulturen, blühende Untersaaten, Hecken, Blühstreifen, Dauerkulturen) und einer gewissen Mäßigung im Betriebsmitteleinsatz zu verbinden, entstehen nachhaltige, ressourceneffiziente Anbausysteme mit einem hohen Bodenschutzstandard. Der Betriebsleiter muss allerdings bereit sein, auf Maximalerträge zu verzichten. Versuchsergebnisse aus Baden-Württemberg zeigen, dass eine Verringerung der N-Düngung um ca. 20 % gegenüber der DüV kombiniert mit einer Grundabsicherung im Pflanzenschutz ein Ertragsniveau von 95 – 97 % ermöglichen und durch die Einsparungen ähnliche Deckungsbeiträge erzielt werden können wie im intensiven Ackerbau.
Abzuraten ist aber von wirkungslosen Maßnahmen. Dazu zählt z. B. der Einsatz von Komposttee oder effektiven Mikroorganismen. Einige Empfehlungen von Beratern oder Ratgebern zur Regenerativen Landwirtschaft sind regelrecht kontraproduktiv, weil sie durch die zahlreichen Überfahren die Böden belasten oder die S-Auswaschungsgefahr erhöhen können. Zugleich zeigen die Ergebnisse aber auch, dass ein relevanter Beitrag zum Klimaschutz in Form signifikant erhöhter Humusgehalte nicht wirklich möglich ist.