Rapserdfloh. Den Gegner genau kennen
In einigen Anbauregionen haben sich die Bedingungen für den Rapsanbau massiv verschärft. Denn der Rapserdfloh tritt mitunter massenhaft auf. Maximilian Rüdt weiß, wo der Erdfloh seine Schwachstellen hat und mit welcher Strategie man ihn kontrollieren kann.
Nach dem Wegfall der Neonicotinoid-Beizen im Raps 2013 vermehrte sich der Rapserdfloh so stark, dass deshalb in einigen Regionen der Rapsanbau infrage gestellt werden muss. Bei massivem Auftreten erreicht der Raps oft nicht einmal das Keimblattstadium. Das ist eine
verheerende Entwicklung, vor allem angesichts der generellen Zunahme der Insektenproblematik durch den Klimawandel.
Biologie und Schadfraß
Um Möglichkeiten für die Rapserdflohbekämpfung zu entwickeln, muss man sich mit der Biologie der Erdflöhe auseinandersetzen
(Grafik 1). Die im Frühsommer geschlüpften Erdflöhe wandern nach einer kurzen Fraßzeit (an Altrapspflanzen) in ihr Sommerlager. Die eiertragenden Mutterkäfer sind hitze- und lichtempfindlich. Deshalb bevorzugen sie kühle, feuchte und schattige Plätze. Regenphasen ab Ende Juli bis Mitte August sind für die weiblichen Erdflöhe ideal.
Nach der Sommerruhe, ab Ende August, wandert der Käfer aus dem Sommerquartier in die neu gesäten Rapsbestände ein. Dort startet der Reifefraß und dauert etwa 10 bis 15 Tage. Danach beginnen die Weibchen mit der Eiablage in der Nähe bzw. unter den jungen Rapspflanzen. Je nach Herbst- und Winterwitterung legt ein weiblicher Erdfloh bis ins Frühjahr bis zu 1 000 Eier ab. Unter günstigen Bedingungen, die in den letzten Jahren häufiger der Fall waren, schlüpfen die ersten Larven bereits im Herbst und bohren sich in die Blattstiele der Rapspflanzen ein. Eiablage und Schlupf können somit von Herbst über Winter bis ins Frühjahr hinein stattfinden. Die letzten Larven wandern oft erst im Mai in die Stängel ein.
Beim Schaden des Erdflohs muss unterschieden werden zwischen dem durch den Blattfraß des Käfers und dem durch die Larve im Stängel. Ein kleiner Raps (Keimblatt bis 4-Blattstadium) kann durch den Reifefraß des Käfers so stark geschädigt werden, dass es zum Totalausfall kommt. Zusätzlich bilden Fraßschäden Eintrittspforten für Krankheiten (z. B. Phoma). In den letzten Jahren war später, Anfang September gesäter Raps vielfach stärker von Kahlfraß betroffen, da er sich zum Höhepunkt des Reifefraßes der Erdflöhe in der kritischen Auflaufphase befand. Der größere Schaden geht in der Regel von den Larven des Rapserdflohs aus. Diese bohren sich in die Stiele der Rapsblätter ein und fressen sich dann bis in den Stängel durch. Dadurch wird der Haupttrieb im Wuchs stark beeinträchtigt, zum Teil stirbt dieser auch ganz ab und es bilden sich neue Seitenverzweigungen, sogenannte »Besenreiser«. Dadurch geschwächte
Pflanzen sind anfälliger für Krankheiten (Phoma, Sklerotinia und Verticillium).
Vorbeugende Maßnahmen
Neben Insektiziden müssen alle ackerbaulichen Instrumente genutzt werden, um das Erdflohauftreten zu reduzieren.
Abstand zu Nachbarflächen. Sofern machbar, muss ein möglichst großer Abstand zwischen letztjährigen und diesjährigen Rapsschlägen eingehalten werden. In diesem Fall lohnen sich Absprachen mit den Feldnachbarn, denn nur in Zusammenarbeit lässt sich die Verbreitung des Erdflohs eingrenzen und sein Besatz unter eine kritische Schwelle drücken.
Zudem ist Ausfallraps konsequent zu bekämpfen, insbesondere wenn auf benachbarten Schlägen im Vorjahr Raps angebaut wurde. Aufgelaufener Ausfallraps muss spätestens im 4-Blattstadium beseitigt werden. Ziel ist, dass nach der Bearbeitung noch nicht gekeimter Altraps aufläuft und von Erdflöhen angeflogen wird, bevor der frisch gesäte Raps auf dem Nachbarschlag keimt.
Ideale Auflaufbedingungen. Für den neu gesäten Raps müssen ideale Auflaufbedingungen geschaffen werden. Eine gute Rückverfestigung (eventuell vor und/oder nach der Saat walzen) sichert einen gleichmäßigen und hohen Feldaufgang unter trockenen Bedingungen. Später aufgelaufene Pflanzen werden erfahrungsgemäß stärker von Erdflöhen befallen. Darüber hinaus werden durch das Zerdrücken der Kluten auch Hohlräume und damit Rückzugsmöglichkeiten für die Erdflöhe zerstört. Denn als Kühlbrüter zieht sich der Erdfloh tagsüber gern unter die Kluten zurück. Das Walzen erhöht folglich auch die Wahrscheinlichkeit, die Erdflöhe mit einer Insektizidmaßnahme zu treffen.
Sortenwahl. In Versuchen (z. B. durch das Forschungsinstitut Terres Innovia, 2020) fielen Rapssorten auf, die augenscheinlich weniger Probleme mit Erdflohlarven haben. In den Bonituren wurde in diesen Sorten ein geringerer Larvenbesatz festgestellt. Deshalb ist bei großer Belastung durch Rapserdflöhe der Probeanbau von Sorten wie KWS Alessandro oder KWS Ambos zu überlegen – wohlwissend,
dass bei massivem Erdflohzuflug der Unterschied zwischen den Sorten gering ist.
Frühe Saat und Beizung. Obwohl der Zeitpunkt des Erdflohzuflugs in Abhängigkeit von der Witterung im Juli und August variiert, haben sich in den letzten Jahren frühe Saattermine ab Mitte August als sicherer für die Bestandesetablierung erwiesen. Dies erhöht gleichzeitig aber das Kohlfliegenrisiko, weshalb eine Beizausstattung mit Lumiposa gewählt werden sollte. Die Doppelbeizung aus Buteo Start und Lumiposa verspricht eine sicherere Wirkung auch gegen Erdflöhe. Obwohl die (zu) frühe Rapsaussaat durch die milden Herbste und die Einschränkungen in Folge der Düngeverordnung kritisch zu bewerten ist, sind frühe Saattermine aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre bei starkem Erdflohbefall als ein Muss zu sehen. Die Erhöhung der Aussaatstärke hingegen ist nicht sinnvoll, weil dann die Einzelpflanze durch die größere Konkurrenz in der Drillreihe schwächer ist und das Schadrisiko durch den Larvenfraß ansteigt. Bei hoher Gefährdung ist es besser, 10 bis 15 Rapssamen je m² mit dem Schneckenkornstreuer vor der Saat auszubringen und mit der Saatbettbereitung wieder einzuarbeiten.
Düngung und Beisaaten. Eine Teilwirkung (60 %) auf den Schlupf der Larven kann mit Cyanamid erreicht werden, indem 200 kg/ha Kalkstickstoff breitflächig vor der Saat oder 5 bis 8 kg/ha Kalkstickstoff mit dem Saatgut gemischt und in der Drillreihe ausgebracht werden (DüV beachten). Eine Wirkung auf adulte Käfer (Fraßschäden) wird damit aber nicht erzielt. Alternativ erfährt der Raps einen Entwicklungsvorsprung, wenn 5 bis 10 kg/ha Harnstoff als Reihendüngung bei der Saat mit ausgebracht werden. Beisaaten zur Ablenkungsfütterung des Erdflohs haben in unseren Versuchen hingegen keine zufriedenstellenden Wirkungen gezeigt, auch nicht die Vergrämung mit Boxhornklee.
Chemische Maßnahmen
Vorbeugende Maßnahmen allein reichen für die Erdflohbekämpfung meist nicht aus, sodass Insektizide eingesetzt werden müssen. Dazu ist eine tägliche Bestandeskontrolle im Auflaufen bis EC 12 notwendig. Ab 10 % Lochfraß ist eine Bekämpfung mit Insektiziden zulässig. Sobald diese Schadschwelle erreicht ist, muss unmittelbar gehandelt werden, denn der Zeitraum bis zum Totalverlust ist in den Problemgebieten sehr eng. Bei der Bestimmung des Behandlungszeitpunktes ist zu beachten, dass Rapserdflöhe am Abend und in der Nacht am aktivsten sind.
Pyrethroide wirken immer schlechter. Für die erste Maßnahme im Keimblattstadium stehen zugelassene Pyrethroide zur Verfügung. Allerdings ist seit zwei bis drei Jahren zu beobachten, dass diese immer schlechter gegen Rapserdflöhe wirken. Wie der Rapsglanzkäfer zeigt sich auch der Erdfloh zunehmend resistent gegen Pyrethroide. Mittlerweile wurden in einigen Regionen im Nordosten Deutschlands auch Käfer mit einer Target-Site-Resistenz gefunden. Die Folge ist, dass bei ihnen alle Pyrethroide wirkungslos sind. Hinzu kommt, dass die Wirkung der Pyrethroide (insbesondere der günstigen EC- und SC-Formulierungen) in einer trocken-warmen Phase mit hoher UV-Strahlung sehr schnell nachlässt. Unter diesen Bedingungen zeigen verkapselte Pyrethroide (CS-Formulierung) eine deutlich sicherere Wirkung. Sie wirken vier bis sechs Tage. Ein Problem der Bekämpfung von Erdflöhen mit Insektiziden ist, dass die Erdflöhe oft zeitgleich in verschiedenen Stadien vorkommen. Larven reagieren im Vergleich zu adulten Erdflöhen deutlich sensitiver auf Pyrethroide (Grafik 2).
Als Alternative zu den klassischen Pyrethroiden kann gegen schwer bekämpfbare Rapserdflöhe 0,25 l/ha Sherpa Duo gespritzt werden. Es enthält neben dem Pyrethroid Cypermethrin den Zusatzstoff Piperonylbutoxid, der den Abbau der Pyrethroide im Körper der Erdflöhe hemmt und somit die Wirkung verstärkt. Eine ähnliche Wirkung hat auch der Zusatz von Tebuconazol bei der Pyrethroidspritzung als
Kürzungsmaßnahme.
Notfallzulassungen. Bereits im vergangenen Jahr hatte der Wirkstoff Cyantraniliprole in Form von Exirel und Minecto Gold eine begrenzte Notfallzulassung zur Bekämpfung des Rapserdflohs. Auch für dieses Jahr haben beide Produkte kürzlich eine Notfallzulassung
erhalten. Mit dem Cyantraniliprole, das zur Gruppe der Diamide gehört, steht neben den Pyrethroiden eine weitere Wirkstoffgruppe zur
Verfügung – angesichts der Resistenzentwicklung bei Pyrethroiden ein wichtiges Instrument zur Erdflohbekämpfung. Der Wirkstoff wird vor allem durch den Fraß aufgenommen, zum Teil aber auch über direkten Kontakt. Danach setzt sehr schnell ein Fraßstopp ein. Nach der Applikation verteilt sich der Wirkstoff in der Pflanze teilsystemisch (xylemmobil) und durch das Blatt. Ein weiterer Vorteil des Cyantraniliproles gegenüber Pyrethroiden ist die deutlich längere Dauerwirkung. Laut Notfallzulassung darf der Erdfloh ab EC 10 (bis EC 19) mit 0,4 l/ha Exirel (= 40 g/l Cyantraniliprole) oder ab EC 14 mit 187,5 g/ha Minecto Gold (= 75 g/l Cyantraniliprol) bekämpft werden. Allerdings darf Cyantraniliprole nur einmal gespritzt werden.
Ziel ist es, die Eiablage der Larven nach dem Reifefraß zu verhindern. Dafür sollte Cyantraniliprole etwa zehn Tage nach dem Höhepunkt des Erdflohzuflugs eingesetzt werden. Sind die Erdflohlarven erst einmal in den Raps eingewandert, wird nur noch eine Teilwirkung erzielt. In EC 14 bis 16 ist die Schadschwelle für den Insektizideinsatz erreicht, wenn mehr als 50 Käfer innerhalb von drei Wochen in die Gelbschale eingeflogen sind. Die Gelbschale sollte bereits mit der Aussaat aufgestellt werden.
Im Spätherbst müssen die Blattstiele auf Erdflohlarven kontrolliert werden. Die Bekämpfung mit Pyrethroiden ist zulässig, wenn in mehr als 30 % der Pflanzen Larven gefunden werden bzw. wenn sich in schwachen Rapsbeständen drei Larven und in normal bis kräftig entwickelten Rapsbeständen bis zu fünf Larven je Pflanze befinden. Bei starkem Larvenbesatz drohen Ertragsverluste von bis zu 50 %.
Der Wirkstoff Acetamiprid hat in Form von Carnadine jetzt eine Zulassung in Deutschland gegen Erdfloh im Herbst erhalten, was aufgrund der Resistenzentwicklung wichtig ist. Sobald die Nachttemperaturen im Frühjahr die 4°C-Marke und die Tagestemperaturen die 11°C-Marke überschreiten, werden die Erdflöhe nach dem Winter wieder aktiv und wechseln mehrmals die Pflanzen. Wird in diesem
Zeitraum eine Bekämpfung mit Pyrethroiden gegen den Rapsstängelrüssler oder den Kohltriebrüssler durchgeführt, kann damit auch der Larvenbesatz des Erdflohs reduziert werden. Die Rapserdflohbekämpfung ist nur dann erfolgreich, wenn neben dem Insektizideinsatz
alle weiteren ackerbaulichen Maßnahmen zur Reduktion dieses Schädlings angewandt werden. Dennoch muss der Rapsanbau für Regionen, in denen trotz sämtlicher vorbeugender und chemischer Maßnahmen keine ausreichenden Wirkungsgrade erzielt werden können, infrage gestellt werden – sofern zukünftig keine anderen Lösungen gefunden werden.