Teilflächenbehandlung. Einfacher als gedacht, aber ...
... der Teufel steckt im Detail. Beim automatisierten Applizieren von Herbiziden oder Insektiziden auf Teilflächen kann viel schief gehen. Thies Schmoldt zeigt, was es zu beachten gibt.
Was ist Precision Application? Die einfachste, fachlich aber nicht ganz korrekte Definition: Alles, was keine Flächenspritzung ist. Bei der Behandlung werden Teilbereiche der Fläche ausgelassen bzw. verändert sich die Aufwandmenge innerhalb der Fläche während der Behandlung automatisiert. Dies lässt sich, grob gesagt, erreichen durch: Aufwandmengen-Applikationskarten, An-/Aus-Applikationskarten und Punktapplikationen. Eine Bandspritzung zählt genau genommen damit nicht zu Precision Application. Denn es ist
kein digitaler Vorgang in die Entscheidung zur Applikation zwischengeschaltet. Da sie aber zusammen oder anstelle der anderen Methoden angewendet wird und sich die technischen Anforderungen an die Spritze teilweise überschneiden, ist sie dennoch hier mitgenannt.
Bandspritzung
Das ist die einfachste und auch die älteste der Anwendungen. Denn sie kann auch ohne Hilfstechnik wie Kamerasteuerung oder RTK-Systeme seit Jahrzehnten eingesetzt werden, vor allem in Spezialkulturen. Anstelle eines Düsenverbandes, der ein gleichmäßiges Spritzbild appliziert, arbeitet jede Düse für sich und erzeugt innerhalb ihres Applikationsbandes eine möglichst einheitliche Benetzung. Dafür sollte das Applikationsgerät mit Even-Spray-Düsen ausgestattet sein. Sie sind nach den gängigen Düsenangaben am Ende mit einem »E« gekennzeichnet. Ihr Einsatz hat einen besonders hohen Anspruch an die Gestängeführung. Besonders vertikale Gestängeschwankungen führen zu einer verstärkten Über- und Unterdosierung in den Randbereichen oder im schlimmsten Fall zu einem totalen Verfehlen der Zielfläche.
Wenn in einer Reihenkultur mit 75 cm Reihenabstand und einem verhältnismäßig breiten Band appliziert wird, ist die Gefahr solcher Ausreißer relativ gering. Ab Reihenabständen von 50 cm und weniger wird hingegen schnell am Ziel vorbei appliziert. Klassische Feldspritzen, die für eine Bandspritzung aus- oder umgerüstet sind, stoßen bei solchen Beständen generell an ihre Grenzen. Eine sehr wichtige Vorgabe, die einer erfolgreichen Bandspritzung vorausgeht, ist die präzise Aussaat durch die Legetechnik. Sind die Fahrspuren nicht mit höchstmöglicher RTK-Präzision angelegt, können Sie in diesem Anbaujahr keine Bandspritzung mehr durchführen. Ein weiterer, hoher Anspruch an die Saattechnik entsteht, wenn eine klassische Drill-Kultur, um Bandspritzung und Hackgänge zu ermöglichen, auf eine Reihensaat umgestellt wird. Beispielhaft steht hierfür der Raps, der bereits in nennenswerten Umfang in 45- oder 50-cm-Reihen gedrillt wird. Hierbei ist neben der RTK-Genauigkeit auch die Verteilung der Körner innerhalb der Reihe wichtig. Um eine
ausreichende Pflanzenzahl/m2 zu erreichen, müssen die Einzelkörner optimal innerhalb der Reihe mit ausreichendem Abstand
zueinander platziert werden.
Schlussendlich ist bei der Einführung von Bandspritze mit Blick auf die Kosten auch die möglicherweise notwendige Investition in die Saattechnik zu berücksichtigen. Dabei gilt: Je schmaler das Applikationsband angelegt wird, um so höher sind die Pflanzenschutzmitteleinsparung, aber wiederum auch die Applikationskosten. Es lohnt sich aus ökonomischer Sicht nicht in jedem Fall, das Maximum an Mitteleinsparung erreichen zu wollen, wenn im Verhältnis dazu die Technikkosten stark steigen. Dies hängt davon ab, bei welcher Anwendung welches Produkt mit welchem Preis/ha eingesetzt werden soll. Der große Vorteil der Bandspritzung gegenüber den anderen Applikationsmethoden ist die Berechenbarkeit der Pflanzenschutzmittelverbräuche. Wenn die Breite des Applikationsbandes feststeht und die Reihenweite der Reihenkultur sich ebenfalls nicht ändert, sind alle wichtigen Kennzahlen einfach berechenbar. Faktoren wie der Wechsel zu Düsen mit einem anderen Spritzwinkel, Veränderung der Gestängehöhe oder der Reihenweiten sind mit wenig Aufwand errechnet.
Aufwandmengen-Applikationskarten
Sobald es in den Bereich Applikationskarten geht, wird ein gewisser Wortschatz englischer Fachbegriffe notwendig. Häufig ist hier von »variable rate maps« oder »variable rate prescription« die Rede. Dabei handelt es sich um Applikationskarten, die auf das Terminal der Pflanzenschutzspritze hochgeladen werden. Mit ihrer Hilfe wird die Aufwandmenge in den unterschiedlichen Teilbereichen der Fläche angepasst. Sowohl für Düngekarten als auch für Wachstumsregler-Applikationen werden Satellitenkarten verwendet, die z. B. auf dem sogenannten NDVI beruhen. Dies ist ein Index, der grob gesagt die Reflektion vitaler Pflanzenmasse wiedergeben soll. Aber es handelt sich dabei nicht 1:1 um die Biomasse/ha. Ein kleiner Bestand mit einer geringen TM/ha, der allerdings noch vital ist, kann höhere Werte aufweisen als ein großer Bestand mit hoher TM/ha, der sich bereits in der Abreife befindet. Bei allen sensorbasierten Daten handelt es sich immer nur um eine Ableitung von Teilaspekten der Realität. Dieser Umstand spiegelt sich auch in der Auflösung wider. Technisch kann z. B. der NDVI mit einer sehr genauen Auflösung wiedergegeben werden. Welche Auflösung aber tatsächlich benötigt wird, klärt sich am besten mit einem Blick auf das reale Feld. Wie groß sind die einzelnen Teilbereiche? Schwankt der Bestand im Groben nur alle 100 m2, und kann die Applikationstechnik auf dem Betrieb sowieso nur sehr grobe Raster ausbringen? Dann ist eine Auflösung von weniger als 10 m x 10 m zwar möglich und auf dem Markt verfügbar, aber nicht notwendig.
Mittlerweile liegen diese Daten aus dem All schon für etliche Jahre vor, und in vielen Anwendungsfällen wird daher nicht nur auf aktuelle Daten zurückgegriffen, sondern auch auf Werte der Vorjahre. Datenquellen können aber auch Ertragskartierungen des Dreschers, Ertragspotentialkarten, Bodenkarten, der Bestandssensor auf dem Schlepper oder Sensoren an Bord einer Drohne sein. Betriebsleiter, die schon länger diese Applikationskarten nutzen, verschneiden meist mehrere Datengrundlagen miteinander. Die Kunst besteht hierbei nicht darin, die Daten zu sammeln, sondern sie sinnvoll aus unterschiedlichen Quellen in einer Plattform miteinander verarbeitbar
zusammenzubringen.
Die Nutzung mehrjähriger Daten ist eher beim Wintergetreide der Fall, da sich die Bestände sehr an den Bodenunterschieden orientieren und somit über Jahre ähnliche Muster aufweisen. Winterraps wiederum ist im Wuchsverhalten viel variabler und von saisonalen Effekten abhängig: Liegt die Saat im leichten Boden und keimt im trockenen Spätsommer nicht, oder sehen wir einen verregneten Frühherbst und auf schweren Böden will nichts auflaufen? Zusätzlich sind die Unterschiede beim Raps in der Entwicklung wesentlich kleinteiliger. Ein Streifen mit einer Strohmatte dicht am Graben mit massivem Schneckenbesatz und zusätzlich hohem Erdflohdruck kann in einer sonst guten Ecke in Einzeljahren zur Schwarzbrache werden. Diese Unterschiede auf wenigen m2 können per Satellit nicht ausreichend erfasst
werden bzw. sind mit gängiger Applikationstechnik nicht exakt behandelbar. Zwischen zwei Fahrgassen kann sich der Raps pro Drescherbreite im Wechsel mehrmals üppig und im verzettelten Nachauflauf mit wenigen Pflanzen/m2 präsentieren. Der Satellit wird dann für diesen Teilbereich einen Mittelwert wiedergeben.
Ein wichtiger Punkt ist außerdem wieder die Applikationstechnik, die im Betrieb verfügbar ist. Die beste Applikationskarte, die kinderleicht auf das Terminal geladen werden konnte, bringt wenig, wenn die Spritze die Aufwandmenge nicht wie vorgegeben anpassen kann, ohne massiv das Spritzbild zu verändern. Auch mit Pulsweitenmodulation können die Aufwandmengen momentan nur um 30% angepasst werden. Allerdings können in Extremjahren die Algorithmen auf stark verschießenden Flächen Aufwandmengenunterschiede
von bis zu 100 l/ha vorgeben. Spätestens dann muss der Bediener auf der Spitze die Fahrgeschwindigkeit anpassen, und dabei wird das Tropfenspektrum der eingesetzten Düsen deutlich verändert. Momentan wird bei diesem Thema häufig nur bis zum Spritzterminal gedacht, wobei das wichtigste Bauteil einer Spritze die Düse ist, die den realen Spritztropfen erzeugen muss. Dieser soll zum einen Wirkung erzielen und darf zum anderen nicht auf Nicht-Zielflächen gelangen. Der Bediener der Spritze muss sich hierfür sowohl mit der Software des Terminals und den Düsentabellen als auch mit dem Zusammenspiel aus beidem auskennen.
Aufgeräumt werden muss auch mit dem Punkt, dass Precision Application grundsätzlich Wirkstoff/ha spart. Dies trifft gerade bei Aufwandmengenapplikationskarten oft nicht zu. Zur Erzeugung der Karten wird meistens der Mittelwert genutzt, den der Betrieb bei einer Flächenbehandlung ausgewählt hätte. Dieser wird dann an die Bestandssituation im Minimum und Maximum angepasst. Die Gesamtspritzbrühe wird folglich nur besser auf die Ausreißer im Feld angepasst verteilt. Also wird der Nutzen/l Pflanzenschutzmittel verbessert, aber nicht der Gesamtbedarf an Spritzbrühe nennenswert verringert. Theoretisch kann der Betrieb aber in dem Wissen, dass er den Bestand angepasst behandelt, die Durschnittsaufwandmenge etwas herabsetzen. Erfahrungswerte zeigen, dass hierbei selten über 10 % Einsparungen erreicht werden.
Punktapplikations- bzw. An-/Aus-Applikationskarten
Der wichtigste Unterschied zum vorherigen Thema ist die Kleinteiligkeit, mit der diese Applikationen durchgeführt werden. Die Anwendungen lassen sich bis zur Identifikation von Einzelpflanzen herunterbrechen. Während in Übersee dieser Ansatz beim Einsatz von Totalherbiziden auf Stoppelflächen schon seit zwei Jahrzehnten gemeistert wird, ist der Ansatz in Europa, kleine Unkrautinseln oder Einzelpflanzen in der stehenden Kultur zu behandeln. Und spätestens hier fällt der Satellit als Datenquelle weg, da eine Auflösung mit
aktueller Sensorik nicht machbar ist und auch technisch nicht möglich sein wird. Ein frisch gekeimtes Unkraut kann aus dem All nicht erkannt werden. Bei Spot-Spray benötigen wir also eine Kamera an einer Drohne oder am Applikationsgerät selbst. Die Erkennung von Distelnestern als sogenannte Patches (Flicken) ist hierbei noch recht einfach. Mit einer halbwegs modernen Spritze mit Teilbreitenschaltung kleiner der Hälfte des Gesamtgestänges, lassen sich bei Behandlungen im späten Frühjahr nennenswerte Einsparungen erzielen.
Ein wichtiger Punkt ist auch hierbei die Amortisierung der Datenerhebungs- und Applikationskosten durch die potentiellen Einsparungen. Der Betrieb kann hierfür eine Drohne fliegen lassen, die als Dienstleistung zwar niedrige Fixkosten, aber hohe variable Kosten erzeugt. Oder er nutzt die ersten spritzenbasierten Sensoren, die aber die Anschaffungskosten für eine neue Spritze momentan verdoppeln können. Die große Unbekannte: Welche Einsparungen kann der Betrieb erzielen? Die Unkräuter in der Zuckerrübe stehen recht lückig, aber vielleicht so verteilt, dass doch immer jede Teilbreite angeschaltet wird und am Ende eine Flächenbehandlung durchgeführt worden ist. Auf diese saisonalen Effekte kann mit dem Ansatz von Drohnenbefliegungen flexibler reagiert werden als mit eigener Sensorik auf der Spritze, die vielleicht nach wenigen Jahren nicht mehr dem Stand der Technik entspricht. Aber auch das absetzige Verfahren, bei dem die Drohne vor der Spritze vorweg fliegt, hat seine Tücken.
Momentan erfolgen zwischen Drohnenflug und Applikation der Herbizide viele Arbeitsschritte, bei denen die Details stimmen müssen, damit der Spritzpunkt nicht neben dem Unkraut landet. Auch hier spielen die Kalibrierung der Spritze und Einstellung der Düsen eine sehr wichtige Rolle – neben dem hohen Anspruch an RTK-Genauigkeit und die Teilbreitenschaltung. Zudem werden große Datenmengen verarbeitet, sodass zwischen Unkrautkartierung und Applikation Tage vergehen können. Hierbei ist jeder Tag einer zu viel, und spätestens zwei Tage nach dem Drohnenüberflug sollte die Applikation durchgeführt werden. Dieser zeitliche Vorteil der Echtzeitbehandlung von Kameras an der Spritze wird mit der Weiterentwicklung der Unkrautkartierung per Drohne künftig aber schwinden. Spezialspritzen, die extra für Spotsprayapplikationen entwickelt worden sind, weisen noch recht hohe Investitionskosten bei geringer Schlagkraft und hohen Applikationskosten/ha auf, sodass sie sich zuerst bei Spezialkulturen im Gemüsebau etablieren werden. Sobald die Applikation der Kulturpflanzen mit Insektiziden und Fungiziden mit dieser Technik Standard wird, werden sich solche Geräte schnell auf vielen Gemüsebetrieben durchsetzen. Grob gesagt: Wenn die Kulturpflanze mit Wachstumsregler, Dünger oder Biostimulanzien behandelt werden soll, reicht für die Kartenerzeugung die Satellitentechnologie zumindest bei Drillsaaten oft aus. Sobald es um die Blattherbizidapplikation geht, müssen die Daten am Boden bzw. per Drohne erzeugt und maximal innerhalb von zwei Tagen verarbeitet werden.