»Wir brauchen mehr Klarheit«
Herr Professor Don, Sie haben kürzlich über 100 internationale wissenschaftliche Arbeiten rund um das Thema CO2-Speicherung, Humusaufbau und Klimaschutz analysiert. Welche Erkenntnisse hat das gebracht?
Wir haben festgestellt, dass in der Wissenschaft der Begriff Kohlenstoffsequestrierung in Böden nicht einheitlich verwendet wird bzw. nicht so, wie es der Weltklimarat IPCC definiert hat. Tatsächlich kann man erst dann von einer Kohlenstoffsenke sprechen, wenn in der Bilanz mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre im Boden gespeichert als emittiert wird. Der Begriff Kohlenstoffspeicherung hingegen umfasst auch die Erhaltung bestehender Humusvorräte.
Warum ist das so wichtig?
Wenn selbst in der Fachwelt die Begrifflichkeiten durcheinandergehen, könnten mit Blick auf potentielle Klimaschutzleistungen durch die Landwirtschaft falsche Erwartungen geweckt werden. Tatsächlich verlieren viele Äcker in Europa derzeit Humus und somit Bodenkohlenstoff wegen des Klimawandels oder durch eine nicht nachhaltige Bewirtschaftung. Maßnahmen zum Humusaufbau verringern daher zunächst oft nur den Abbau organischen Kohlenstoffs. Das ist zwar durchaus im Sinne des Klimaschutzes. Allerdings wird dadurch nicht automatisch eine negative Emissionsbilanz erreicht.
Bedeutet das, die Klimaschutzleistung eines Betriebes lässt sich gar nicht objektiv bewerten?
Doch, mithilfe gut kalibrierter Modelle ist das durchaus möglich. Dafür ist allerdings die gesamte Treibhausgasbilanz eines Betriebes entscheidend. Das heißt, es müssen auch Emissionen berücksichtigt werden, die nicht unmittelbar auf dem Betrieb entstehen. Verfüttert man beispielsweise importiertes Soja, so trägt dieses bereits einen CO2-Rucksack. Dieser muss genauso eingerechnet werden wie andere Verlagerungseffekte. Im Rahmen des groß angelegten Projektes »Humus-Klima-Netz« sammeln wir am Thünen-Institut aktuell viele Daten dazu und entwickeln ein Modell, das in der Lage ist, eine Klimabewertung abzugeben.
Aktuell wird politisch viel über »öffentliches Geld für öffentliche Leistungen« diskutiert. Ist das im Bereich Klimaschutz überhaupt realisierbar?
Ja, es ist realisierbar. Allerdings nur, wenn man es maßnahmenbasiert angeht. Die realen Treibhausgaseffekte zu messen, ist praktisch nicht umsetzbar. Eine maßnahmenbasierte Honorierung hätte auch den Vorteil, dass Landwirte, die bereits über einen längeren Zeitraum humusaufbauende Maßnahmen umsetzen, nicht benachteiligt werden.
Aber ein und dieselbe Maßnahme hat doch nicht auf allen Standorten den gleichen Effekt, oder?
Das ist richtig. Wir müssen uns von der Idee verabschieden, eine Maßnahme direkt eins zu eins in CO2-Äquivalente umrechnen zu wollen. Eine gewisse Unsicherheit wird immer bleiben. Deshalb sollten wir uns auch auf Maßnahmen fokussieren, die nicht nur dem Klimaschutz dienen. Die Bedeutung von Humus für gesunde, stabile Böden ist weithin bekannt. Es lohnt also immer, sich darum zu kümmern.