Wir hatten uns daran gewöhnt, dass es Kredite praktisch gratis gab. Massives Kreditwachstum in Zeiten der Nullzinspolitik, steigende Kapitalintensität auf den Zukunftsbetrieben, jetzt anstehende Anschlussfinanzierungen – drei gewichtige Gründe, sich des Themas anzunehmen. Wir sprachen darüber mit Bernd Lührmann.
Die Nullzinsen sind Geschichte. Wir kehren mit Siebenmeilenstiefeln zurück in ein Umfeld, in dem die Substanz unseres Geldes nicht mehr verwässert, sondern Kapital angemessen bewertet wird. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren liegen die Topkonditionen der Landwirtschaftlichen Rentenbank nach einigen Erhöhungsschritten wieder bei 4%.
Herr Lührmann, Wachstumsbetriebe weisen eine steigende Verschuldung auf, Finanzierungsanteile ohne Absicherung nahmen zu, das Eigenkapital sinkt. Wie reagieren die Betriebsleiter auf die jetzt gestiegenen Zinsen?
Die Betriebsleiter tun sich schwer damit, sich an das aktuelle Zinsniveau zu gewöhnen. Das ist menschlich. Denn es ist immer die Frage, aus welcher Richtung man diese 4% kennenlernt. 2010 hatten wir sie schon einmal aus dem Bereich von über 6% kommend erlebt. Dann ging das Zinsniveau aber weiter Richtung 1% und zeitweise sogar darunter. Und jetzt sind wir binnen weniger Monate auf dem Rückweg. Das ist eine andere Sichtweise, weil man natürlich immer die Vergangenheit im Hinterkopf hat. Und wenn wir ehrlich miteinander sind: Niemand hat damit gerechnet, dass die Zinswende mit einem solchen Tempo auf uns zurollt.
Zumal nicht nur die Zinsen, sondern auch die Investitionskosten deutlich gestiegen sind.
Genau richtig. Mit der Inflation haben wir die kuriose Situation, dass die Zinsen steigen und parallel die Investitionsgüter auch teurer werden. Die Preissprünge, egal ob für Gebäude, Maschinen und Geräte oder für Flächen und sonstige Investitionsgüter, sind enorm. Und das ist selten eine Entwicklung, die für eine hohe Investitionsbereitschaft steht. Ob sich eine Investition lohnt, hängt von den Erträgen ab, die Betriebe in der Zukunft erwarten – und vom Zinssatz auf das eingesetzte Fremdkapital. Steigende Zinsen bremsen also die Investitionstätigkeit. Die Inflation wirkt als Verstärker.
Und auch bei anstehenden Anschlussfinanzierungen werden die Rechnungen jetzt knapp?
Das ist korrekt. Wobei hier aus meiner Sicht ganz klar nicht die Rendite im Vordergrund steht, sondern vielmehr die Liquidität der Betriebe. Die Frage, die sich Betriebsleiter stellen, ist: Kann ich mir das leisten? Und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen? Denn wir haben in der Tiefzinsphase Wirtschaftsgüter und Anlagevermögen in deutlich kürzeren Zeiträumen finanziert, als es eigentlich für die Liquidität sinnvoll gewesen wäre. Beispielhaft wurden Flächenkäufe auf 20 Jahre finanziert, auch auf teilweisen Druck der Banken hin. Jetzt müssen wir feststellen, dass das liquiditätsmäßig bei 4% Zinsen nicht drin ist.
Ist die Streckung der Darlehenslaufzeit ein Thema?
Bei den Milchviehbetrieben ist das vor dem Hintergrund der guten Erlössituation aktuell eher ein untergeordnetes Thema. Aber wenn man mit einem realistisch erzielbaren Milchpreis der nächsten Jahre kalkuliert, sollte man das fest ins Kalkül ziehen. Bedenken Sie aber, dass man bei Darlehen der Landwirtschaftlichen Rentenbank dann komplett umfinanzieren muss. Denn bei diesen Darlehen ist eine Anpassung der Laufzeit nicht möglich. Wir verhandeln tatsächlich bei einigen Betrieben, die jetzt gerade die Liquiditätslöcher der schlechten Milchpreise vor drei, vier Jahren gestopft haben, entweder über eine Laufzeitverlängerung oder tilgungsfreie Zeiten. Wobei tilgungsfreie Jahre nur dann von Interesse und realistisch einplanbar sind, wenn man überblickt, welche Darlehen bzw. welcher Kapitaldienst dann wegfällt.
Das sollte aber doch in Zusammenarbeit mit der Hausbank kein Problem sein?
Nun, das ist sicherlich ein Aspekt, den man vielen Betriebsleitern noch anheimlegen sollte: Verschaffen Sie sich einen Überblick über die Kapitaldienste der kommenden 10 Jahre. Ich mache in der Beratung immer wieder die Erfahrung, dass das noch längst nicht alle Landwirte verinnerlicht haben.
Betriebsleiter sind also stetig gefordert, die Finanzierung zu überprüfen und anzupassen. Hält die bisher typische Agrarfinanzierung den Herausforderungen der heutigen Zeit stand?
Ja, das schon. Aber es ist ein höheres Maß an Flexibilität gefragt. Im Fokus steht eine nachhaltige Kapitaldienstfähigkeit mit ausreichend Reserven – dem muss sich die Finanzierungsform stets unterordnen. Es ist klug, sich Strategien zu überlegen, die mit den stark schwankenden Einkommen zurechtkommen. Immer wieder muss eingegriffen werden, um die Liquidität den neuen Rahmenbedingungen anzupassen.
Es braucht also im Finanzierungsmix mehr Flexibilität?
Genau. In wirtschaftlich guten Zeiten sind Sondertilgungen eine gute Gelegenheit, um sich frühzeitig von Verbindlichkeiten zu lösen. Übertriebener Ehrgeiz ist aber fehl am Platz. Die Inanspruchnahme von mehr als 10% pro Jahr Sondertilgungsoption in Bezug auf die Gesamtverschuldung ist unrealsitisch und kostet nur unnötig Konditionsaufschläge. Wichtig ist, dass man diese außerordentlichen Rückführungsmöglichkeiten auch nutzt.
Denken die Ackerbau- und Milchviehbetrieb angesichts der guten Erlössituation an Sondertilgungen und Rücklagen, oder fließen die Überschüsse in Investitionen?
Ich hoffe, dass die Betriebe auch an Rücklagen denken. Denn man sollte den Blick aufs Konto auch dahin gehend schärfen, dass da in den Guthaben auch noch Steuerzahlungen stecken, die in den nächsten Monaten fällig werden. Hier muss eindeutig zur Vorsicht gemahnt werden. Denn die Erfahrung zeigt es immer wieder, dass die Ideen der Landwirte zum Geldausgeben in Jahren mit guten Preisen nur so sprudeln. Ich persönlich befürchte, dass der ein oder andere Betrieb da noch ein böses Erwachen erlebt.
Was raten Sie?
Für mich lautet das Motto der Stunde: Wir können in alles investieren, in das wir auch in der Tiefpreisphase investiert hätten. Ich glaube, es ist ein ganz guter Maßstab, dass man nur dann in etwas investiert, wenn es zusätzliche Rentabilität bringt, nachhaltig Kosten reduziert oder aber zu einer Einkommensdiversifizierung führt.
Wird Überschussliquidität vermehrt auch außerhalb der Landwirtschaft untergebracht?
Ja, durchaus. Der Gedanke zur Einkommensdiversifizierung ist, in Anbetracht der derzeitigen politischen Großwetterlage, sehr präsent. Für Investitionen in neue Ställe fehlt es an Planungssicherheit. Zudem ist für einige Betriebe der Einstieg bzw. Ausbau von regenerativen Energieanlagen eine attraktive Investition mit langfristigem Einkommensbeitrag. Bemerkenswert ist auch, dass sich Tierhalter vermehrt zu den Umnutzungsmöglichkeiten ihrer Wirtschaftsgebäude informieren.