Interview. "An der Gerste kommen wir kaum vorbei"
Wirtschaftlich ist Wintergerste mitunter nicht die attraktivste Kultur. Aber als Vorfrucht ist sie nahezu unverzichtbar. Welche Alternativen es gibt, haben wir Ute Kropf gefragt.
Frau Dr. Kropf, der Gerstenanbau macht finanziell kaum noch Spaß. Welche pflanzenbaulichen Alternativen gibt es?
Die Wintergerste hat durch ihre frühe Ernte den Vorteil, die Erntespitzen zu entzerren und nach einem guten Ernterückstandsmanagement
Raps rechtzeitig in den Boden bringen zu können. Auch eine Sommerzwischenfrucht plus organische Düngung zur Aufwertung der Fruchtfolge und Verbesserung der Bodenfruchtbarkeit ist nach Gerste möglich. Die Gerste erweist sich auch gegenüber Witterungseinflüssen in ihrer Ertragsbildung durchaus resilienter als z. B. Winterweizen. Und im Hinblick auf den Krankheitsbefall und die Verfügbarkeit von Wirkstoffen ist Rost in der Gerste besser einzudämmen als Septoria oder Fusarium im Weizen. Insofern sollte die Gerste nicht nur nach dem finanziellen Erlös beurteilt werden, sondern nach ihrem Wert in der gesamten Fruchtfolge. Außerdem müssen wir die wertvollen ernährungsphysiologischen Eigenschaften der Gerste für den Menschen wieder in die Wertschöpfungskette integrieren. Gerste kann mehr Verwendung finden als nur in der Schweinefütterung und zum Bierbrauen.
Wollen Sie also sagen, dass wir Gerste anbauen müssen, um Raps anbauen zu können?
Nein, ganz so eng sehe ich das nicht. Natürlich bietet uns die Wintergerste den größten Spielraum für die Bodenbearbeitung bis zur Rapsaussaat. Aber wir drillen den Raps heute bis zu zwei Wochen später als noch vor 20 Jahren. Daher ist auch Weizen eine Option vor Gerste, ebenso der Hafer. Früh gesäter Hafer, der im Kurztag noch bestocken kann, bringt rund 90 dt/ha Kornertrag und wird von hiesigen Verarbeitern immer mehr aufgenommen. Außerdem ist Hafer sehr konkurrenzfähig gegenüber Ackerfuchsschwanz und beugt damit einem weiteren Problem im Ackerbau vor. Wir müssen also nicht zwingend Gerste anbauen.
Bei beiden Getreidekulturen haben wir aber das Stroh ...
... und das ist das Problem. Häufig nicht nur die Menge, sondern auch die Häckselqualität und Verteilung. Beim Pflügen entstehen Strohmatten, bei pflugloser Bodenbearbeitung werden Schnecken und immer mehr Feldmäuse zum Problem. Die Restriktionen bei der
Düngung haben offenbar auch das C/N-Verhältnis im Stroh auf bis zu 200 erhöht, was einen höheren N-Bedarf für die Strohrotte bedeutet.
Damit fehlt dem Raps, der im Herbst rund 100 kg N/ha aufnimmt, Stickstoff für die Herbstentwicklung. Daher testen wir gerade Ackerbohnen als Vorfrucht für Raps, um dessen Nährstoffbedarf im Kurztag zu decken. Je nach Region wären dann auch andere Leguminosen vor Raps denkbar.
Wäre die Fruchtfolge also besser durch Leguminosen aufgelockert?
Körnerleguminosen haben nährstoffreiche Ernterückstände, die schnell mineralisieren und dem Raps auch in einem langen Herbst noch versorgen. Insgesamt stabilisieren sie auch die Getreideerträge in der Fruchtfolge und unterbrechen einige Krankheitszyklen. Insofern sind Leguminosen ein wichtiger Bestandteil jeder Fruchtfolge. Aber nicht in jedem Fall sind sie wirtschaftlich vermarktbar. Alternativ könnten dann Leguminosenanteile als Zwischenfrucht eingesetzt werden, um die Krumenvitalität zu verbessern. Da die Anbauabstände auch zu Zwischenfrucht-Leguminosen eingehalten werden müssen, wäre es sinnvoll, sich entweder für die Leguminose als Hauptfrucht oder als
Zwischenfrucht zu entscheiden.
Wenn die Gerste schon so wichtig in der Fruchtfolge ist, wie können wir sie dann im Anbau optimieren?
Gerste leidet immer dann, wenn Bodenstruktur und Bodenbearbeitung eine gute Wurzelbildung im Herbst behindern. Das Defizit im Wurzeltiefgang und in der Durchwurzelungsintensität der Krume wird meist erst nach dem Ährenschieben sichtbar, wenn durch hohe Einstrahlung und Hitze die Wurzeln zur Stressreduktion das tiefer sitzende Wasser nicht mehr erreichen. Nach wenigen Tagen schlagen grüne Bestände in eine zügige Abreife um. Die verkürzte Kornfüllung bedeutet schlechte Hektolitergewichte und weniger Ertrag. Hier müssen wir schneller einbrechende Bestände selbstkritischer analysieren.
Also eine sehr frühe Aussaat?
Na ja, die hat auch ihre Tücken, wie man aktuell sehen kann. Gersten, die in der warmen ersten Septemberhälfte gedrillt wurden, zeigen verbreitet Symptome des Gelbverzwergungsvirus, das durch Läuse übertragen wird. Typhula ist ebenfalls latent zu sehen, kam aber mangels verharschter Schneedecke nicht massiv zum Ausbruch. Früh genug – aber nicht zu früh – säen wäre ideal, ist aber gerade nach dem frühen Ende des Saatzeitfensters Anfang Oktober 2023 nicht immer konsequent einzuhalten. Für die spätere Aussaat bis Mitte Oktober eignet sich Hybridgerste. Insbesondere Einzelährentypen kommen auch mit niedrigeren Bestandesdichten gut zurecht.
Die Fragen stellte Dr. Christian Bickert