(Fast) alle Antworten auf unsere Fragen
„Wütende Bauern demonstrieren…mit ihren Traktoren auf den Straßen… Was ist los mit unserer Landwirtschaft?“ Das klingt ganz nach dem Buch zum Tage. Wenngleich mit einem „Redaktionsschluss“ im Sommer 2023 nicht tagesaktuell, ist es das ein Stück weit doch. Um ein Fazit schon vorwegzunehmen: Es tut gut, in Zeiten der schrillen Kommunikation mit Traktorhupen und Trillerpfeifen ein so unaufgeregtes Buch über eine aufgeregte Branche – unsere Branche – zu lesen.
„Unsere Landwirtschaft besser verstehen. Was wir alle wissen sollten“ – ein solcher Titel verspricht zunächst ein primär an die „städtische“ Leserschaft gerichtetes Aufklärungsbuch. Das ist es zu Beginn auch. Als Landwirt hat man die erste Hälfte schnell hinter sich: Wer ernährt die Welt, wie ernähren wir uns, was produzieren die Bauern und warum gibt es immer weniger von ihnen? Dann aber lauten die Fragen: Wie funktioniert Agrarpolitik, was könnte politisch auf die Bauern zukommen, warum stehen Bauern in der Kritik? Um mit „einer besseren Agrarpolitik“ zu enden. Das möchten wir gern von einem Autor wissen, der sein Berufsleben zunächst in Landesministerien, dann als Agrarminister in Sachsen-Anhalt und anschließend als beamteter Staatssekretär im BMEL verbracht hat und deshalb eher „Mittäter“ als neutraler Beobachter ist. An einigen Stellen (so bei den nichtlandwirtschaftlichen Investoren in Ostdeutschland) kann er die politische Passion nur mühsam hinter dem neutralen Erzählton verbergen. Erzählt er doch – in diesem Fall - über seine eigenen Misserfolge. Von einer Autobiographie ist das Buch gleichwohl Lichtjahre entfernt, und auch die Erwartung, gelegentlich mal ins politische Nähkästchen schauen zu dürfen, wird enttäuscht.
Der große Wert des Buches für Landwirtinnen und Landwirte liegt darin, dass es jenseits aller Selbstbilder und Wünsche einfach sagt, was ist. Dass Landwirtschaft trotz aller auch vom Autor hochgehaltenen „Systemrelevanz“ nicht für sich allein steht. Dass – anders als es „Borchert“ und die Zukunftskommission voraussetzen – nicht unbegrenzt Geld für eine insgesamt doch randständige Branche zu mobilisieren ist. Gewiss schwingt hier auch Selbstrechtfertigung mit, denn es war schon die „alte“ Bundesregierung, nicht die „Ampel“, die juristische Argumente gegen die Ergebnisse der beiden Kommissionen ins Feld führte. Dennoch hält Aeikens vor allem die ZKL wegen der hier unerwartet möglich gewordenen Einigung auf bestimmte Kernpunkte sehr hoch.
Wann sind unsere Bauern zufrieden? So lautet eine der abschließenden Fragen in diesem Buch. Die salomonische Antwort: „Die Gesellschaft muss mehr über Landwirtschaft lernen, und Landwirtschaft muss sich gegenüber der Gesellschaft stärker öffnen.“ Wenn Landwirte Akzeptanz und Wertschätzung einfordern, liegt das also auch ein Stück weit an ihnen. Mit Traktorhupen und Trillerpfeifen gelingt es nicht.
Hermann Onko Aeikens
Unsere Landwirtschaft besser verstehen
Mitteldeutscher Verlag Halle
276 Seiten, 24 €