Oftmals werden bei Pflanzenanalysen oder sogar visuell Nährstoffdefizite sichtbar, obwohl die Nährstoffgehalte des Bodens eigentlich vollkommen ausreichend sind. Woran das liegt und wie Sie gegensteuern können, zeigt Michael Dreyer.
Die Nährstoffgehalte des Bodens sind nicht notwendigerweise mit einer entsprechenden Pflanzenverfügbarkeit gleichzusetzen. Zwar ist ein absolutes Defizit eines bestimmten Nährstoffs verständlicherweise mit einem Mangel an den Pflanzen verbunden. Umgekehrt muss aber ein hoher Bodengehalt nicht unbedingt einen entsprechenden Versorgungsstatus der Pflanzen gewährleisten. Deshalb sollten Sie Analysewerte, die je nach Probennahmetiefe unterschiedlichen Bodenschichten zugewiesen werden können, zunächst als »potentielle« Nährstoffverfügbarkeit interpretieren, von welcher die aktuelle Nährstoffverfügbarkeit mitunter stark abweichen kann.
Strukturdefizite schränken die räumliche Nährstoffverfügbarkeit ein
Damit die im Boden enthaltenen Nährstoffe von den Pflanzen aufgenommen werden können, müssen sie von deren Wurzeln zunächst räumlich erschlossen werden. Hohe mechanische Widerstände infolge von Bodenverdichtungen, welche beispielsweise durch zu hohe Radlasten entstehen, setzen die Durchwurzelbarkeit des Bodens und somit auch die Nährstoffverfügbarkeit herab. Ferner beeinträchtigen sie den Luftund Wasserhaushalt des Bodens, sodass Staunässeereignisse zunehmen. Die daraus resultierende Sauerstoffarmut behindert sowohl das Wurzelwachstum als auch die Wurzelatmung, was wiederum die Nährstoffaufnahme massiv hemmt. Doch auch direkte Nährstoffverluste sind möglich: Im Zuge von Staunässe kann es ausgehend vom Nitrat zu massiven gasförmigen N-Verlusten in Form von Lachgas (oder molekularem Stickstoff) kommen. Hier gehen zulasten der Umwelt teils beachtliche N-Mengen verloren, welche den Pflanzen dann fehlen. Auch Versauerungsprozesse ziehen Strukturdefizite nach sich. Denn im Zuge der Bodenversauerung werden Ca2+-Brücken in Gegenwart von Säure (H+) aufgelöst, was zum Zerfall von Ton-Humus- Komplexen führt. In der Folge steigt die Lagerungsdichte an.
Insofern sinkt mit zunehmend suboptimalen pH-Werten auch die Nährstoffausnutzung. Ein Spezialfall sind Verdichtungen, die infolge von Bearbeitungsfehlern nur in bestimmten Bodenschichten entstehen. Am bekanntesten ist hier die Pflugsohlenverdichtung aufgrund einer immer gleichen Bearbeitungstiefe oder einer Bearbeitung bei zu hoher Bodenfeuchte. Eine solche Verdichtungsschicht kann mitunter so massiv sein, dass die Pflanzen die Nährstoff- und Wasserreserven der darunterliegenden Schichten nicht mehr erschließen können. Gleichsam ist auch der Aufstieg von Kapillarwasser mitsamt den darin gelösten Nährstoffen behindert. Wegen des ausbleibenden Kapillarwasseraufstiegs trocknet zudem der Bereich oberhalb der Verdichtung schneller aus, sodass auch dort die Durchwurzelung sinkt. Kurzum: Je schlechter die Durchwurzelbarkeit des Bodens, desto geringer ist die Nährstoffausnutzung und umso höher müssen die Nährstoffgehalte des Bodens im Wurzelraum sein. Oder umgekehrt: Je besser ein Boden von den Wurzeln sowohl horizontal als auch vertikal erschlossen werden kann, desto niedriger dürfen die Nährstoffgehalte des Bodens sein. Dies lässt sich in der Praxis oft beim Phosphor (P) beobachten: Bei optimaler Bodenstruktur kommen viele Kulturen mit einer P-Versorgung im oberen Bereich der Versorgungsstufe B gut zurecht, und eine Düngung mit frischem Phosphor zieht nur geringfügige oder gar keine Ertragseffekte nach sich. Hingegen lässt sich in strukturschwachen Böden selbst in Versorgungsstufe C durch eine Zufuhr frischen Phosphors noch ein Ertragseffekt erzielen.
Bodenverdichtungen haben oft Staunässe zur Folge. Diese wiederum führt zu Sauerstoffarmut im Boden und schränkt somit das Wurzelwachstum ein.
Strukturdefizite – ganz gleich, woher sie rühren – sind nicht immer massiv, sondern sehr häufig moderat ausgeprägt.
Da sie sich oft unterhalb der Bodenoberfläche befinden, werden sie nicht erkannt, und man wundert sich zuweilen über eine unzureichende Düngeeffizienz. So macht selbst eine verlustarme und teilflächenspezifische N-Düngung wenig Sinn, wenn die Pflanzen den Stickstoff anschließend nicht aus dem Boden herausbekommen bzw. wenn der Stickstoff noch vor einer möglichen Aufnahme gasförmig entweicht.
In welcher Tiefe steckt der Nährstoff?
Die mobilen Nährstoffe Stickstoff und Schwefel werden im Zuge von Winterniederschlägen häufig in tiefere Bodenschichten verlagert. Die Gesamt-Nmin/ Smin-Werte (0 – 90 cm) sind mitunter hoch, doch die obere Schicht (0 – 30 cm) ist stark verarmt. Dies erfährt besonders bei der Andüngung schwächer entwickelter Winterkulturen häufig zu wenig Berücksichtigung, sodass dann zulasten der Bestandesentwicklung bzw. Ertragsanlage die erste N- bzw. S-Gabe zu stark reduziert oder sogar gänzlich ausgelassen wird. In solchen Fällen kann es daher zielführender sein, die Frühjahrs- Nmin-Werte nicht allein in der Startgabe zu berücksichtigen, sondern sie vielmehr auch in der zweiten oder dritten N-Gabe bzw. anteilsmäßig auf die Einzelgaben anzurechnen.
Nährstofffestlegung
Es kommt auch vor, dass die Pflanzen selbst bei hohen Nährstoffgehalten und intensiver Durchwurzelung des Bodens Defizite aufweisen. Dies tritt besonders häufig bei Mikronährstoffen auf, denn deren Pflanzenverfügbarkeit hängt stark von den Bedingungen im Boden ab. So wird beispielsweise Mangan (Mn) bei hohen pH-Werten und hohen Sauerstoffgehalten im Boden zu nicht pflanzenverfügbarem Braunstein (MnO2) oxidiert. Weist die Bodenuntersuchung die höchste Versorgungsstufe E aus, so muss dies besonders an schwereren Standorten mit pH-Werten im neutralen bis leicht alkalischen pH-Bereich längst keine Garantie für eine ausreichende Mn- Versorgung der Pflanzen sein. Eine Bodendüngung kann die Defizite nicht nachhaltig ausgleichen, da frisch zugeführtes Mangan schnell der Festlegung unterliegt. Zielführender sind in diesem Fall Maßnahmen zur Mobilisierung: Durch das Walzen hochgefrorener Böden lässt sich im Frühjahr der Sauerstoffgehalt moderat senken und somit die Mn-Verfügbarkeit steigern. Auch saure N-Dünger auf Ammoniumbzw. Harnstoffbasis können zur Verbesserung der Mn-Verfügbarkeit beitragen. Auch Zink (Zn) wird bei hohen pH-Werten festgelegt, sodass eine »saure Düngung« dessen Verfügbarkeit gleichsam verbessern kann. Doch auch ein P-Überschuss im Boden kann zur Zn-Festlegung führen. Das heißt, dass bei fortgesetzter P-Anreicherung im Boden die Zn-Aufnahme der Pflanzen zurückgehen kann, obwohl die Zn-Gehalte unverändert hoch sind. Das Beispiel zeigt, dass für eine ausgewogene Nährstoffversorgung der Pflanzen auch eine ausgewogene Nährstoffversorgung des Bodens notwendig ist. Die Betrachtung von Einzelnährstoffen und das Ziehen entsprechender Rückschlüsse auf die Pflanzenernährung greift zu kurz.