Die Stickstoffdüngung steht aktuell gleich vor mehreren großen Herausforderungen:
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Die Düngerpreise haben zuletzt ungekannte Ausmaße erreicht.
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Die Vorgaben der Düngeverordnung geben ertragsabhängige Obergrenzen bei der N-Menge vor, was vor allem in den Roten Gebieten Kopfzerbrechen bereitet.
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Nicht zuletzt bringen die klimatischen Veränderungen Unsicherheiten bei der Wirkung von N-Düngern mit sich.
Diese Umstände machen es mehr denn je notwendig, sowohl mineralische als auch organische N-Dünger so effizient wie möglich einzusetzen. Das Ziel, aus jedem zugeführten Kilo Stickstoff möglichst viel an Ertrag und Qualität herauszuholen, kann durch eine bessere Ausnutzung der N-Reserven des Bodens, der Nachlieferung aus der Mineralisierung sowie der N-Düngung selbst erreicht werden.
»Die eine Lösung« gibt es nicht.
Viele Landwirte haben die Hoffnung, durch einen schlichten Wechsel des N-Düngers oder durch Hightechlösungen (z.B. Precision Farming) einen Quantensprung in Richtung höherer N-Effizienz zu erzielen.
Umso größer ist dann häufig die Enttäuschung, wenn die gewünschten Erfolge ausbleiben. Vergessen wird dabei häufig, dass Dünger oder Technik eben nur zwei von sehr vielen Stellschrauben sind. Entsprechend den klimatischen Bedingungen, den Bodenverhältnissen, der Fruchtfolge und weiteren Faktoren sind an jedem Standort sehr unterschiedliche Wege zur Steigerung der N-Effizienz zu beschreiten.
1. Verlustarm und bedarfsgerecht düngen.
Was so trivial klingt, ist es oft leider nicht. Die maximal zu düngende N-Menge ergibt sich aus den Vorgaben der Düngeverordnung und ist besonders im Hochertragsbereich »auf Kante genäht«. N-Verluste über Ammoniakemissionen, Lachgas oder Nitratauswaschung müssen daher unbedingt auf ein Minimum reduziert werden. Allein durch eine vorteilhafte Art und Weise der Applikation können
Sie hier kostenneutral großen Einfluss nehmen. So trägt beispielsweise die vorzugsweise Applikation von Wirtschaftsdüngern und ammoniumhaltigen Mineraldüngern bei kühl-feuchter Witterung maßgeblich zur Minderung von Ammoniakverlusten bei. Reine Harnstoffdünger müssen inzwischen mit einem Ureaseinhibitor versehen sein, sofern sie nicht nach der Ausbringung eingearbeitet werden. Damit lassen sich mögliche Ammoniakverluste im Zuge der Harnstoffhydrolyse recht zuverlässig vermindern. In der Kombination mit einer Applikation bei kühl-feuchter Witterung gehen die Ammoniakverluste nahezu gegen null.
2. Nmin-Werte voll ausnutzen und vorallem richtig in die Düngung integrieren.
Viele Regionen Deutschlands waren in den zurückliegenden Jahren von Niederschlagsdefiziten betroffen, sodass die Erträge oft hinter den Erwartungen zurückblieben. Die daraus resultierenden N-Überhänge führten in Kombination mit geringen Winterniederschlägen häufig zu recht hohen Frühjahrs-Nmin-Werten: Über 100 kg N/ha waren keine Seltenheit. Und diese Mengen wurden dann – gemäß den Vorgaben der Düngeverordnung – in der Düngebedarfsermittlung berücksichtigt. Wer sich nun im Wintergetreide auf diese Nmin-Werte verlassen hatte und folglich die erste N-Gabe komplett ausfallen ließ, sah sich später mit einer mitunter zu geringen Bestandesdichte und letztlich Ertragseinbußen konfrontiert.
Das Problem: Häufig befindet sich der Stickstoff nicht in den ersten 0 bis 30 cm, sondern in der zweiten oder dritten Bodenschicht, also in 30 bis 60 cm bzw. 60 bis 90 cm. Dort können ihn insbesondere schwach entwickelte Pflanzen zunächst nicht erreichen. Erschwerend kommt oft auch hinzu, dass sich die Strohrotte der Vorfrucht wegen herbstlicher Trockenheit auf das Frühjahr verlagert, was in der Krume dann eine temporäre N-Sperre zur Folge hat. Die Pflanzen leiden also zu Vegetationsbeginn Hunger »am gedeckten Tisch«. Eine zu geringe Bestockung ist die Folge, sodass die Zielbestandesdichte mitunter deutlich unterschritten wird. Wenn dann plötzlich 100 oder 150 Ähren/m2 fehlen, können die Pflanzen dies zumeist nicht vollständig über die Kornzahl oder das Korngewicht kompensieren.
Die Folge: Der kalkulierte Zielertrag kann gar nicht erreicht werden. Das heißt also, die hohen Nmin-Vorräte in den tieferen Schichten können zu Vegetationsbeginn nicht effizient genug genutzt werden. Deshalb ist es in vielen Fällen sinnvoller, die Nmin-Werte nicht auf die erste, sondern auf die zweite und gegebenenfalls dritte N-Gabe anzurechnen bzw. zu splitten. Dabei orientiert sich die anteilsmäßige Aufteilung an den Nmin-Gehalten in den unterschiedlichen Schichten und am Entwicklungsstand der Pflanzen.
3. Vorsommertrockenheit »umschiffen«
Der Pflanze mit kleinen und ganz gezielten Gaben »ins Maul zu düngen« und damit steuernd in den Ertragsaufbau (Trieb-/Ährendichte, Kornzahl/Ähre, TKG) einzugreifen, ist im Grunde eine gute Idee. Das funktioniert allerdings nur, wenn eine sichere Wasserversorgung bzw. eine ausgeglichene Niederschlagsverteilung auch die alsbaldige Löslichkeit und anschließende Aufnahme durch die Pflanzen gewährleistet. In Regionen mit ausgeprägter Frühjahrstrockenheit ist dies in der überwiegenden Zahl der Jahre nicht gegeben. Besonders die zweite N-Gabe wirkt wegen ausbleibender Niederschläge häufig nicht zuverlässig bzw. rechtzeitig.
Was also tun? Betrachten wir als Beispiel den Winterweizen: Zum Zeitpunkt der ersten N-Gabe ist die Bodenfeuchte meistens hoch, sodass ausgebrachte N-Dünger zügig in Lösung gehen und sich im Wurzelraum verteilen. Es macht nun Sinn, die Applikationsmengen zur ersten N-Gabe zu steigern und dafür die zweite Gabe zu reduzieren. Dies sollte aber mit ammonium- bzw. harnstoffbetonten Düngern erfolgen, um die Bestände nicht zu überziehen. Für eine komplette Gabenzusammenfassung sollte man auf stabilisierte N-Dünger zurückgreifen. So hat man (je nach mengenmäßiger Aufteilung) bereits ca. zwei Drittel des gesamten N-Bedarfs im Bodensystem. Eine sichere Basis also.
4. Loten Sie die Möglichkeiten einer
Depotdüngung aus
Die Depotdüngung ist ein vielversprechender Ansatz, der aktuell in Düngungsversuchen im Mais erfolgreich getestet wird. Zwischen den Reihen (in jede zweite Reihe) wird ein N-Depot in ca. 20 cm Tiefe abgelegt und wieder verschlossen. Dabei kommen Ammoniumdünger zum Einsatz. Durch die hohe Salzkonzentration kommt es im Depot zu einer »Selbststabilisierung«, sodass die Nitrifikation nur sehr langsam abläuft.
Es besteht also die Möglichkeit, den gesamten N-Bedarf in einer Gabe zu verabreichen. Das Depot selbst müssen die Pflanzen dann aktiv erschließen. Die Wurzeln werden also in tiefere Schichten »gelockt«. Das Ziel ist die Vermeidung von Ammoniakausgasung und Auswaschungsverlusten. Durch die Ablage in einer tieferen Bodenschicht soll der Stickstoff auch dann noch pflanzenverfügbar sein, wenn die Krume bereits austrocknet. In mehrjährigen Mais-Düngungsversuchen des Landmaschinenherstellers Rauch ließ sich die N-Menge im Depot gegenüber einer breitflächigen Düngung ohne Ertragseinbußen um 15 bis 20% reduzieren.
5. Bei Bedarf Stickstoff auch übers Blatt geben
Vorrangig wird Stickstoff über die Wurzel aufgenommen, sodass die N-Blattdüngung immer nur eine Unterstützung sein kann. Sie eignet sich aber häufig sehr gut zur zügigen Schließung kleinerer Lücken und zur Absicherung der Qualität.
Wenn beispielsweise eine ausgetrocknete Krume die Löslichkeit des Düngers verhindert, kann Stickstoff in Größenordnungen von ca. 10 kg N/ha auch über das Blatt appliziert werden (z.B. als AHL oder aufgelöster Harnstoff). Diese Maßnahme macht jedoch nur solange Sinn, wie die Pflanzen in tieferen Bodenschichten noch ausreichend Wasser vorfinden, also noch nicht an Trockenstress leiden.
6. Organische Dünger so einsetzen, dass sie auch richtig wirken können
In Gülle oder Gärresten liegt nur etwa die Hälfte des Stickstoffs in wasserlöslicher, also direkt pflanzenverfügbarer Form vor. Die andere Hälfte ist organisch gebunden und muss im Zuge der Mineralisierung erst freigesetzt werden. Da diese jedoch erst mit nachhaltigem Anstieg der Bodentemperatur anspringt, kann eine effiziente Ausnutzung der organischen Phase bei Frühjahrsdüngung nur durch solche Kulturen erfolgen, die den ganzen Sommer über Stickstoff aufnehmen, also beispielsweise Mais. Der frühe Winterraps hingegen vermag diese Nachlieferung nicht mehr effizient zu nutzen. Und auch ein auf Raps folgendes Getreide kann den N-Überhang bei Weitem nicht aufnehmen: N-Verluste durch winterliche Auswaschung sind hier programmiert.
7. Konservieren Sie den Stickstoff über die Fruchtfolge
Die größten N-Verluste entstehen nicht während der Vegetationsperiode bzw. bei der Düngung selbst, sondern durch Auswaschung während der winterlichen Sickerwasserperiode. Da die Sickerwassermenge weitgehend natürlich bedingt ist, bleibt zur Minderung von Auswaschungsverlusten nur die N-Konservierung in pflanzlicher Biomasse. Hier können Sie durch eine sinnvolle Fruchtfolgegestaltung und die Etablierung von Zwischenfrüchten sehr zielführend Einfluss nehmen. Dazu ein Beispiel: Leguminosen hinterlassen bekanntermaßen viel Stickstoff im Boden, den ein nachgestelltes Getreide niemals vor Winter aufnehmen kann. Ein Großteil der N-Hinterlassenschaft würde also durch winterliche Auswaschung verloren gehen. Nach einer Leguminose würde sich daher bei rechtzeitiger Aussaat eher ein Raps anbieten, der vor Winter bei ordentlicher Entwicklung durchaus 100 bis 120 kg N/ha aufnehmen kann. Eine N-Düngung im Herbst könnte also unterbleiben. Als Alternative wäre eine frohwüchsige Zwischenfrucht denkbar, auf die dann in Hauptkultur eine Sommerung folgt.
8. Welcher andere Nährstoff wirkt möglicherweise limitierend?
Für eine wirklich effiziente Umsetzung des gedüngten Stickstoffs in Ertrag und Qualität kommt es darauf an, dass auch alle anderen Nährstoffe in ausreichender Menge vorhanden sind. Tatsächlich ist im Rahmen von Pflanzenanalysen immer wieder festzustellen, dass nicht die N-Versorgung der Pflanzen selbst, sondern eine unzureichende Versorgung mit anderen Nährstoffen limitierend wirkt. Ist auch nur ein einziger Nährstoff im Mangel, begrenzt dieser die Effizienz aller anderen Nährstoffe. Prinzipiell sind alle Nährstoffe direkt oder indirekt am N-Stoffwechsel der Pflanzen beteiligt, sodass eine Unterversorgung die N-Ausnutzung insgesamt schmälert. Fehlt es beispielsweise an Schwefel, welcher genau wie Stickstoff am Aufbau von Proteinen beteiligt ist, so kann auch der Stickstoff selbst nicht verwertet werden.
Auch Mikronährstoffe, die unter anderem an der Photosynthese oder der Aktivierung zahlreicher Enzyme beteiligt sind, können bei Unterversorgung die N-Effizienz einschränken. Daher ist es unbedingt empfehlenswert, zumindest stichprobenartig im Betrieb Pflanzenproben zu ziehen und diese auf alle Nährstoffe analysieren zu lassen. Meist sind es ein oder zwei, vielleicht auch drei Nährstoffe, welche die Effizienz aller anderen Wachstumsfaktoren und somit die Ertragsbildung begrenzen.
9. Fördern Sie gezielt die Wurzelbildung
Besonders nach einem feuchten Herbst bzw. Winter sind die Pflanzen zu Vegetationsbeginn oft schwach bewurzelt. Zugleich wurden dann mobile Nährstoffe – also auch Stickstoff und Schwefel – aus dem Wurzelraum in tiefere Schichten verlagert. Somit fallen ein schlechtes Nährstoffaneignungsvermögen und eine geringe Nährstoffverfügbarkeit zusammen. Als im Frühjahr 2018 nach feuchtem Herbst/Winter die Temperaturen schlagartig anstiegen, konnte besonders beim frohwüchsigen Raps das Wurzelwachstum nicht mit dem Sprosswachstum schritthalten. Knospenabwurf war die Folge. Unter solchen Bedingungen gilt es, durch gezielte Düngung nicht nur die Nährstoffversorgung der Pflanzen, sondern auch deren Nährstoffaneignungsvermögen zu verbessern.
Beispiel N-Form: Im Gegensatz zu Nitrat ist Ammonium am Sorptionskomplex des Bodens gebunden und muss daher aktiv durch die Wurzeln erschlossen werden. Durch eine ammoniumbetonte Startgabe kann man also das Wurzelwachstum bzw. die Durchwurzelungsintensität stimulieren, was dann der räumlichen Erschließung der Nährstoffreserven insgesamt zugutekommt. Durch die Wahl der N-Form kann man also bereits einiges für die Nährstoffversorgung der Pflanzen tun.
Beispiel Magnesium: Als Zentralatom des Chlorophylls ist Magnesium unerlässlich für die photosynthetische Bildung energiereicher Assimilate in den Blättern. Es ist in Folgeschritten maßgeblich am Abtransport dieser Assimilate über das Phloem in die Wurzel beteiligt, wo sie als Energiequelle und Baustoff für das Wurzelwachstum und die Nährstoffaufnahme benötigt werden. Durch das Wurzelwachstum werden die gesamten Bodennährstoffreserven besser genutzt. Besonders auf leichteren Standorten kann eine Mg-Düngung im Frühjahr über Boden oder auch Blatt maßgeblich zur Steigerung der Nährstoffeffizienz beitragen.
10. Nur gesunde Pflanzen bilden Ertrag.
Kranke Pflanzen nutzen die zur Verfügung stehenden Nährstoffe schlechter aus. Fehlt es beispielsweise aufgrund eines starken Mehltau- oder Rostbefalls an photosynthetisch aktiver Assimilationsfläche, so nimmt verständlicherweise auch die N-Ausnutzung ab. Eine (temporäre) Überversorgung mit Stickstoff fördert indes die Krankheitsanfälligkeit, sodass ein »Zuviel« an Stickstoff indirekt seine eigene Effizienz herabsetzt. Die Pflanzen sollten also immer ausreichend, zu keinem Zeitpunkt aber übermäßig versorgt sein.
Kommt es im Zuge eines Magnesiummangels zu einer Störung des Abtransports von Assimilaten aus den Blättern, so stört dies nicht nur das Wurzelwachstum. Die Zuckeranreicherung in den Blättern erhöht auch ungemein deren Attraktivität für saugende Insekten, was wiederum das Infektionsrisiko für Viruserkrankungen (z.B. Gelbverzwergung) deutlich erhöht. Diese können letztlich zum Totalausfall führen, was wiederum eine gute Nährstoffeffizienz konterkariert.
11. Achten Sie auf eine gute Bodenstruktur
Ist der Stickstoff möglichst verlustarm im Boden angekommen, ist das zunächst einmal die halbe Miete. Ebenso wichtig ist es aber im Anschluss, dass die Pflanzen ihn auch wieder aus dem Boden herausbekommen. Alle genannten Maßnahmen können nur dann zum Erfolg führen, wenn die Pflanzen den Boden ungestört erschließen können. Häufig sind es aus mechanischer Belastung, Bodenversauerung oder einseitiger Überdüngung resultierende Strukturschäden, die dies nicht gestatten.
Mit einer gezielten Bodenbearbeitung, Kalkung und dem Anbau von Zwischenfrüchten können Sie hier eine solide Basis schaffen.
Dr. Michael Dreyer,
Pflanzenbauberater, Am Großen Bruch