Lebendmulch. Woran es hakt
Lässt sich mit einer dauerhaften Begrünung des Bodens eine neue Dimension im Ackerbau erschließen? Nach mehrjährigen Versuchen in der Praxis ist das Ergebnis ernüchternd.
Die Idee ist gut: Kulturpflanzen in einen dauerhaften Lebendmulch zu etablieren, also im Unterschied zur Untersaat sozusagen als Bodendecker über mehrere Jahre. Damit ließen sich die Vorteile von Zwischenfrüchten mit Blick auf den Boden noch besser ausspielen. Wir wissen, wie gut zum Beispiel mehrjähriges Kleegras der Bodenstruktur und -biologie tut, wie es die Infiltrationsraten erhöht und das Bodenleben stimuliert. Wir brauchen eine solche erhöhte »Resilienz« des Bodens als Antwort auf den Klimawandel. Gerade in diesem Frühjahr haben Zwischenfrüchte (weil bereits abgefroren) mancherorts Bodenabträge durch Starkregen nicht verhindern können. Hinzu kommen die »politikgemachten« Faktoren wie die Begrenzung der N-Düngung oder der angedrohte Wegfall von Glyphosat. Eine dauerhafte Bodenbedeckung könnte somit mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Wenn sie denn funktioniert.
Ein Projekt auf Praxisbetrieben
Daran arbeiten zwei Praxisbetriebe im Westerwald (Rheinland-Pfalz) in Verbindung mit der Beratung und der GKB im Rahmen eines EIP-Projektes (Europäische Investitions-Partnerschaft). Die DLG-Mitteilungen hatten darüber bereits 2021 berichtet – und auch über die Schwierigkeiten, die sich bereits damals abzeichneten. 2023 ist das Projekt zumindest formal abgeschlossen. Um die wichtigste Botschaft vorwegzunehmen: Es zeigt vor allem, dass es als Antwort auf die neuen Herausforderungen in Zukunft keine bequemen »Autobahnen« mehr geben wird, auf denen alle Landwirte ohne Weiteres fahren können.
Was hat funktioniert? Überraschend gut die Technik. Eine Direktsaat in Lebendmulch ist noch herausfordernder als die in Stohmulch. Eine Amazone Primera mit neuen Vorwerkzeugen hat das anstandslos bewältigt. Voraussetzung dabei ist, dass der Saatschlitz frei vom Klee bleibt, damit dieser nicht die Kultur unterdrückt. Eine gedankliche Variante könnte hier sein, statt der Spezialmaschine eine herkömmliche Saattechnik mit Bandspritzung zu probieren. Eine weitere Erfahrung war, dass sich in Mischkulturen nicht jede beliebige Sorte einsetzen lässt. Bestätigt haben sich die Erwartungen hinsichtlich einer verbesserten Wasserinfiltration. Und der Stickstoff blieb im Boden und wurde nicht ausgewaschen.
Und was nicht? Leider vor allem das, was Landwirten am wichtigsten ist: der Ertrag. Zwar wurde er mit zunehmender Erfahrung besser, aber der Versuch bestätigt im Grunde eine uralte Erkenntnis: Kulturpflanzen wollen keine Konkurrenz. Auch die Annahme, der Klee würde dem Weizen Stickstoff liefern, ließ sich nicht bestätigen. Übrigens auch nicht in Versuchen an anderer Stelle. Salopp ausgedrückt: Klee ist faul und denkt nur an sich selbst. Die Weizenernte 2021 fiel in den Kleevarianten mit im Schnitt einem Drittel Ertragsverlust desaströs aus. 2022 waren es »nur« 15 % weniger, und für 2023 hofft Paul Prassler, der Betriebsleiter des am Projekt maßgeblich beteiligten Gutes Westerwald, auf Ertragsgleichheit. Selbst wenn Ertragsverluste bei diesem System nicht zwangsläufig »eingebaut« sein müssen, so ist doch eine größere Schwankungsbreite der Erträge zu erwarten, wobei positive Ausschläge vielleicht nicht unmöglich, aber bislang nicht dokumentiert sind. Müssen doch zwei Kulturen nebeneinander geführt werden, was (auch abhängig von der Witterung) mal besser, mal schlechter gelingen mag. »Führen« heißt beim Weißklee: durch Herbizide das Wachstum begrenzen, was unter Umweltfreunden und auch in der Politik sicherlich keinen Beifall hervorruft. Insgesamt sinkt zwar der Herbizidaufwand bei diesem System geringfügig, dafür steigen Lohn- und variable Maschinenkosten. Raps funktioniert überhaupt nicht, sodass man die Begrünung ohnehin alle paar Jahre unterbrechen müsste.
Auswege. Lassen sich Ertrags- bzw. Erlösverluste irgendwie ausgleichen? Da das Getreide zwangsläufig hoch gedroschen wird, bietet sich eine zusätzliche Nutzung des Untersaat-Aufwuchses in der Biogasanlage oder als Futter an. Das hat in der Praxis gut funktioniert. Eine Option wäre »Mob Grazing«. Bei dieser aktuell viel diskutierten Form der kurzfristigen Weidehaltung entsteht aus niedergetrampeltem Futter und Dung eine Mulchschicht, die vor Austrocknung schützt und das Bodenleben positiv beeinflusst. Eine zweite Option wäre, den dauerhaften Lebendmulch in die Ökoregeln oder in Agrarumweltmaßnahmen zu bekommen. Die Summe allerdings, die zum Ausgleich von 15 % Ertragsverlust nötig wäre, mag sich jeder selbst ausrechnen. Eine dritte Möglichkeit wäre, über privatwirtschaftliche Zertifikate den hoffentlich zusätzlichen Humusaufbau honoriert zu bekommen. Aber auch hier wachsen die Bäume (bzw. die Humusgehalte) nicht in den Himmel.
Fazit. Die an sich so gute Idee des dauerhaften Lebendmulches wird sich nicht ohne Weiteres in der breiten Praxis etablieren lassen. In vielen Fällen werden die Schwierigkeiten zu groß sein. Es sind sicherlich Situationen denkbar (vor allem in erosionsgefährdeten Lagen), wo die Vorteile die Nachteile überwiegen. Jeder Betrieb muss das für sich entscheiden und individuelle Lösungen selbst kombinieren. Dann spielt es keine Rolle mehr, ob das Konzept als Ganzes »funktioniert« hat oder »schiefgegangen« ist.
Glyphosat-Alternativen: Eine Momentaufnahme
Vorführung. Drei Flachgrubber, zwei Kurzscheibeneggen, eine Kettenscheibenegge und eine Bodenfräse trafen Ende April auf eine Mischung aus abgefrorenen Zwischenfrüchten und bereits üppig entwickeltem Ausfallgetreide. Ganzflächig abschneiden und flach einarbeiten war die Aufgabe bei diesem Vergleich des Landesbetriebes Landwirtschaft Hessen auf einer Fläche bei Eschwege. Was in einem Frühjahr wie diesem funktioniert, passt wahrscheinlich in den meisten Fällen.
- Die Flachgrubber (Lemken Karat, Güttler Supermaxx)konnten zwar das Pflanzenmaterial ganzflächig abschneiden, das Ausfallgetreide mit der Folge eines etwas unebeneren Ackers aber nicht vollständig zerkleinern. Die Kombination mit einer Messerwalze brachte beim Kerner Corona bessere Ergebnisse.
- Die Kurzscheibeneggen (Carrier von Väderstad, Rubin von Lemken) hinterließen im Vergleich zu den Grubbern ein gleichmäßigeres Arbeitsbild. Die Carrier hätte die aggressiveren Scheiben benötigt, weil die Pflanzen nicht ganzflächig abgeschnitten waren.
- Eine Bodenfräse von Breviglieri brachte ein gutes Ergebnis bei allerdings geringer Arbeitsgeschwindigkeit. Umgekehrt erforderte ein gutes Ergebnis der Kettenscheibenegge von Fliegl eine hohe Geschwindigkeit von 15 km/h und entsprechende Anspannung.