Kommentar. Weggabelungen
Betriebsentwicklung. Zwei Professoren, zwei entgegengesetzte Perspektiven – aber beide passen zusammen. Prof. Dr. Fries sprach auf der DLG-Wintertagung über Transformationen in der Landwirtschaft davon, dass Wandel in landwirtschaftlichen Betrieben oft in Form von Brüchen stattfände, ausgelöst durch Generationswechsel oder persönliche Schicksale. Eine gleichförmig laufende stetige Entwicklung sei eher die Ausnahme. Prof. Dr. Isermeyer betonte im Juni auf einer Festveranstaltung, dass sich trotz aller befürchteten Umbrüche und radikalen Änderungsankündigungen der Politik die Entwicklung der Agrarbranche am Ende in ruhigen Bahnen bewegt habe. Weder die Künast‘sche »Agrarwende« noch der Wegfall vieler Zollschranken und Quoten noch die Düngeverordnung und rote Gebiete hätte zu Strukturbrüchen geführt.
Es sind zwei Blickwinkel, die da aufeinanderstoßen. Für den einzelnen Betrieb sind die politischen Maßnahmen der vergangenen Jahre häufig durchaus hart gewesen, stellten Brüche dar bis hin zur Aufgabe von Betriebszweigen oder gar dem gesamten Betrieb. Blickt man hingegen auf die Branche als Ganzes, so hat sich nicht dramatisch viel verändert. Auch nach 20 Jahren sind 30 % »Bio« etwa das Dreifache der Realität, Flächen sind (außer politisch verordnet) nicht brachgefallen und Betriebe werden in der Regel im Rahmen des Generationswechsels geschlossen. Das große Fiasko, das mit jedem Wechsel der Agrarpolitik oder mit jedem Einschnitt an die Wand gemalt wurde, blieb regelmäßig aus. Mehr Bürokratie, mehr Vorschriften, mehr Gängeleien – am Ende haben Landwirte immer gelernt, dem auszuweichen oder damit umzugehen. Soweit die beiden Blickwinkel.
Aber das muss natürlich nicht so bleiben. Was sind denn die potentiellen »gamechanger«, auf die wir uns in Zukunft einstellen müssen? Politische Umwälzungen, Fragen des Umweltschutzes und der Ernährung, Energiekosten oder technologische Entwicklungen könnten echte Weggabelungen nicht nur für einzelne Betriebe, sondern auch für die Landwirtschaft als Ganzes werden. Es gibt sicherlich noch andere. Politische Umwälzungen müssten schon echte Systemwechsel sein. Krieg gehörte dazu (vor allem, wenn es um Taiwan ginge), aber auch weitere Brüche zwischen den EU-Staaten bis hin zu einem Austritt à la Brexit oder der Erweiterung um die Ukraine und die verbliebenen Balkanländer. Die ganz großen Räder eben. Jenseits dessen verändert ein Regierungs- oder Politikwechsel auch in Zukunft wenig an der großen Richtung. Deutlich schwerwiegender können Umweltfragen werden. Seien es großflächige radikale Umweltschutzmaßnahmen, seien es Anhäufungen klimatischer Extreme.
Am Ende werden beide Professoren vermutlich recht behalten: Die Landwirtschaft bleibt vor Ort, nur vielleicht mit anderen Zielen und Vorzeichen. Politik, Klimawandel, Ernährungsgewohnheiten – ob der einzelne Betrieb von heute auch morgen noch dazugehört, hängt in erster Linie von der Fähigkeit der heutigen Betriebsleiter ab, der nächsten Generation Mut zu machen.