Sortenflut. Brauchen wir 170 Weizensorten?
Eine Auswahl zu haben, ist schön. Aber Vielfalt kann auch erschlagen – und Geld kostet sie obendrein. Wir haben uns umgehört, was Experten dazu sagen.
Auf was kommt es beim Anbau von Weizen eigentlich an? Bei allen Nuancen, die es unzweifelhaft gibt, sind es vor allem der Ertrag, die Qualität und die Gesundheit einer Sorte, die über die Anbauwürdigkeit entscheiden. Eine sortenspezifische Vermarktung wird seitens der Politik zwar seit über 15 Jahren angestrebt, um auch bei niedrigeren Eiweißgehalten (und damit reduzierter Düngung) Backqualitäten erzeugen zu können. Aber praxistauglich ist das nicht. Von der Erfassung im Handel bis hin zum Walzenstuhl der Mühle bzw. dem Verladeterminal des Exporteurs geht es um Schnelltests mittels NIR, und die erlauben keine tiefergehenden Qualitätsmessungen.
Eigenschaften statt Sorten: Was Mühlen wirklich interessiert
Wenn es also am Ende nur um wenige Parameter wie Proteingehalt, Hektolitergewicht, Klebergehalt oder Fallzahl geht, wozu benötigt man dann so viele Sorten? »Handel und Mühlen kaufen nicht nach Sorten, sondern nach Eigenschaften. Und die sind recht grob gestaffelt« – so Norbert Krisch von der Rolandmills Mühlengruppe. »Das Protein spielt dabei eine Riesenrolle, am Ende zählt nur die Klebermenge«. Daher kaufen alle Mühlen grob kalibrierte Partien ein, separieren, analysieren (Glutengehalt und -index, Amylogramme, Proteinstrukturen) und mischen die zu Partien, aus denen sich spezifische Mehle mahlen lassen. Bei Bedarf können Müller noch Gluten zumischen. Die sind jedoch in aller Regel unspezifisch und nicht einheitlich, weil sie aus der Stärkemüllerei kommen.