Pflanzenschutz auf den Punkt mit Smart Spraying
Smart Spraying, vom teilflächenspezifischem bis punktgenauem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, wird ein wichtiges Standbein der Agrartechnik der Zukunft sein. Denn damit lassen sich die Aufwandmengen an Pflanzenschutzmitteln deutlich verringern, ohne dass dies zu Lasten des Wirkungsgrades der Mittel oder der Quantität und Qualität der Ernten geht. Gleichzeitig wird die Umwelt weniger belastet, das Spritzen wird effizienter und die Vitalität der Kulturpflanzen wird erhöht.
Smart-Spraying-Technologien sind in stetiger Entwicklung, und Technologien, die vor einigen Jahren noch als visionär galten, haben inzwischen ihre Praxisreife bewiesen. Noch sind damit ausgestattete Spritzen häufig wesentlich teurer als herkömmliche, das Smart Spraying gewinnt aber zunehmend an Vorzüglichkeit.
Smart Spraying wird zunehmend attraktiv
Die steigende Attraktivität dieser Technologien hat unterschiedliche Gründe.
- Ein wichtiger Vorteil ist die Kosteneffizienz durch die Einsparungen an Pflanzenschutzmitteln, die im höheren zweistelligen Bereich liegen können. Dabei wird nicht nur der Verbrauch reduziert, auch die Wirksamkeit der Schutzmaßnahmen wird erhöht.
- Durch einen niedrigeren Verbrauch an chemischen Pflanzenschutzmitteln kommen die Landwirte dem Ziel der Europäischen Kommission näher, die Aufwendung von diesen Mitteln bis 2030 zu halbieren.
- Da Pflanzenschutzmittel gezielt und präzise ausgebracht werden, gelangen weniger Chemikalien in die Umwelt, da nur betroffene Flächen besprüht werden.
- Die Technologien schonen nicht zuletzt die Kulturpflanzen und stärken ihre Vitalität. Bei Fungiziden und Insektiziden gibt es am Vorgewende weniger Überlappungsflächen, während bei Flüssigdüngern durch die genauere Applikation ein „Verbrennen“ von Kulturpflanzen reduziert wird.
Pulsweitenmodulation als wichtige Basistechnologie
Mithilfe der Variable Rate Technology (VRT) können Smart-Spraying-Systeme die Ausbringungsmenge der Pflanzenschutzmittel automatisch anpassen, je nachdem, wie stark der Befall oder die Unkrautdichte in einem bestimmten Bereich ist. Dies führt zu einer optimierten Verteilung der Chemikalien über das gesamte Feld.
Für viele Smart-Spraying-Anwendungen bildet die Pulsweitenmodulation, kurz PWM, die technische Grundlage. Mit den elektrisch geregelten PWM-Ventilen an den Düsenkörpern werden die Düsen am Gestänge der Pflanzenschutzspritze alternierend bis zu 50-mal pro Sekunde ein- und ausgeschaltet. Das verändert auch die Ausbringmenge jeder Düse bei konstantem Spritzdruck und gleichem Tropfenspektrum, was einem Wechsel des Düsenkalibers während des Spritzens gleichkommt.
Durch die kurzen Öffnungszeiten bei konstanter Frequenz lässt sich die Durchflussmenge exakter regeln und variieren und individuell für jede einzelne Düse anpassen. Das ist ein Vorteil nicht nur für eine punktgenaue Applikation, sondern auch bei Kurvenfahrt, wo durch PWM die Mengen innen und außen konstant gehalten und Über- und Unterdosierungen verhindert werden. Am Vorgewende werden durch die Einzeldüsensteuerung Lücken bzw. Doppelanwendungen bei nicht rechtwinklig zulaufenden Schlägen reduziert, und bei Beschleunigung wird die gleiche Aufwandmenge mit dem gleichen Tropfenspektrum ausgebracht, während es bei langsameren Geschwindigkeiten beispielsweise an Hängen zu keinen Fehldosierungen kommt.
Direkteinspeisung legt Kinderkrankheiten ab
Die Direkteinspeisung, bei der das Pflanzenschutzmittel erst kurz vor der Spritzdüse ins klare Wasser dosiert wird, ist eine weitere interessante Technologie für die gezielte, umweltgerechte Applikation von Pflanzenschutzmitteln. Ihre Vorteile sind auf den ersten Blick bestechend: Der Tank muss nicht gereinigt werden und es fallen keine angemischten Restmengen an. Hinzu kommt, dass bei entsprechender technischer Ausstattung Pflanzenschutzmittel je nach Bedarf teilflächenspezifisch ausgebracht werden können. Bislang konnten sich Direkteinspeisungssysteme nicht durchsetzen, weil ihre Reinigung anspruchsvoll war und lange Spritzleitungen für Verzögerungen gesorgt haben. Neue Lösungen versprechen diese Probleme zu lösen und ein flexibles und bedarfsgerechtes Zudosieren von Pflanzenschutzmitteln zu ermöglichen.
Offline- oder Online-Daten
Mittels teilflächenspezifischer bzw. punktgenauer Applikation lässt sich der Einsatz von Herbiziden und Flüssigdünger deutlich reduzieren und die Kulturpflanze schützen und somit stärken, da sich die Aufwandmenge nur am tatsächlichen Bedarf orientiert. Hinzu kommt die Umweltentlastung, da die unkraut- oder krankheitsfreie Fläche nicht besprüht wird. Die Feldspritze kann dafür auf zweierlei Weise angesteuert werden: Offline über satelliten- oder drohnengestützte Applikationskarten oder online mittels Echtzeit-Bilderkennung mit hochauflösenden Kameras und künstlicher Intelligenz (KI).
Applikationskarten mit Drohnen erstellen
Für Offline-Systeme gibt es bereits eine breitere Basis, da viele Feldspritzen mit Einzeldüsenschaltung Applikationskarten verarbeiten können, um etwa Unkrautnester zu bekämpfen. Satellitengestützte Applikationskarten sind hierfür aber oft zu grob, was gezielte Pflanzenschutzmaßnahmen erschwert oder unmöglich macht.
Die Antwort darauf sind Drohnen, die mit hochauflösenden Hyperspektralkameras den Pflanzenbestand überfliegen, um Unkräuter gezielt zu erkennen. Ein Dienstleister wertet die Bilder mithilfe intelligenter Software aus und erstellt Applikationskarten, die der Feldspritze anzeigen, an welchen Stellen sie an- und abstellen soll. Pflanzenkrankheiten lassen sich mithilfe multispektraler Kamerasysteme identifizieren. Durch den Drohnenüberflug inklusive Auswertung entsteht allerdings ein zusätzlicher Arbeitsschritt, der Zeit kostet und einen termingerechten Pflanzenschutz erschweren kann.
Für die teilflächenspezifische Ausbringung von Flüssigdünger kommen Offline- wie Online-Verfahren in Frage. Die Applikation kann auf der Basis von Ertragskarten erfolgen oder durch Echtzeiterfassung mittels N-Sensoren.
Unkräuter in Echtzeit erkennen
Das Problem des Zeitverzugs gibt es bei Online-Systemen nicht. Mit ihren hochauflösenden Kameras und Sensoren können in Zusammenspiel mit KI und leistungsstarken Bordcomputern vor allem Unkräuter während der Überfahrt in Echtzeit erkannt und direkt bekämpft werden. Diese hohe Präzision bei der Einzelpflanzenerkennung und -behandlung ermöglicht einen deutlich verringerten Herbizidaufwand.
Während Unkräuter auf blankem Ackerboden noch recht leicht von den Kulturpflanzen zu unterscheiden sind, stellt ihre Erkennung im Bestand hohe Anforderungen an die Online-Systeme, die mit wachsender Fahrgeschwindigkeit noch steigen. Intelligente Algorithmen sind inzwischen in der Lage, fast jedes Unkraut zu erkennen, selbst wenn es erst kurz zuvor aufgelaufen ist. Gezielt bekämpft wird erst, wenn eine vorgegebene Anzahl an Unkräutern pro Flächeneinheit (Schadschwellenprinzip) überschritten wird. Eine Herausforderung besteht hingegen noch darin, Ungräser von Getreidepflanzen zu unterscheiden. Hier ist noch einige Entwicklungsarbeit nötigt.
Schwingungsarme Spritzgestänge im Fokus
Voraussetzung für eine sichere Unkraut- oder Krankheitserkennung durch Kameras und Sensoren und für einen gleichbleibenden Zielflächenabstand ist eine ruhige und exakte Führung des Gestänges. Das erfordert eine aktive oder automatische Gestängeführung und eine Schwingungsdämpfung, um die Düsen in exaktem Abstand über dem Boden führen zu können und auch bei immer größer werdenden Arbeitsbreiten unter schwierigen Geländebedingungen und bei hoher Fahrgeschwindigkeit für eine absolut ruhige Gestängelage zu sorgen. Die Gestängeschwingung muss aber auch in horizontaler Richtung, also in bzw. gegen die Fahrtrichtung, vermieden werden, denn sie wirkt sich auf die Genauigkeit der Verteilung besonders stark aus. Damit kommt aktuell auch der Weiterentwicklung der Gestängetechnik eine zentrale Rolle zu, wenn es darum geht, reduzierte Aufwandmengen präzise und sicher zu applizieren.
Von Holger Walch (DLG)