Jahresabschlussanalyse. Kennzahlen für bessere Entscheidungen
Eine Diagnose der wirtschaftlichen Situation anhand einer Abschlussanalyse hilft, das große Ganze im Blick zu behalten. Wir zeigen, welche Kennzahlen für die Planung der Betriebsentwicklung wichtig sind.
Die Landwirtschaft und die Struktur der Unternehmen hat sich stark gewandelt: Neue Betriebszweige im Bereich der Eneuerbaren Energien, Lohnarbeiten und Dienstleistungen, Direktvermarktung oder gänzlich neue Geschäftsmodelle sollen die Existenz sichern. Doch diese Vielfalt erschwert es dem Unternehmer, den Überblick zu behalten. Häufig gibt es unterschiedliche Bilanzstichtage. So sind die entscheidenden Termine für die Landwirtschaft der 30. Juni, für den Gewerbebetrieb etwa einer Biogasanlage jedoch der 31. Dezember. Auch die meist nicht unerheblichen internen Verrechnungen tragen nicht gerade zur Transparenz bei. Dies stellt eine Herausforderung für die Jahresabschlussanalyse dar, sowohl für Landwirte als auch für Dritte, etwa Banken, Verwaltung oder allgemeine landwirtschaftliche Beratung.
Eine Anleitung zur Analyse von Erfolgs- und Risikofaktoren in landwirtschaftlichen Unternehmen bietet die »Effiziente Jahresabschlussanalyse«. Der DLG-Ausschuss für Wirtschaftsberatung und Rechnungswesen hat dieses Standardwerk jetzt überarbeitet und neu aufgelegt. Darin werden anhand eines Beispielbetriebs die zentralen Kennzahlen sehr plastisch und praxisnah ausgewertet. Hier stellen wir Ihnen die wichtigsten Kennzahlen vor.
Besonderheiten landwirtschaftlicher Jahresabschlüsse. In der Land- und Forstwirtschaft sind verschiedene Jahresabschlüsse üblich. Einmal gibt es den steuerlichen Jahresabschluss, der durch Wahlrechte und Sonderregelungen beeinflusst ist. Dann gibt es den handelsrechtlichen Jahresabschluss, der zwar frei von steuerlichen Wahlrechten ist, aber mehr Buchhaltungsaufwand erfordert. Das liegt
darin begründet, dass das Anlagevermögen parallel nach handels- und steuerrechtlichen Grundsätzen geführt und die Bewertung von Feldinventar und Vorräten durchgeführt werden muss. Der betriebswirtschaftliche Jahresabschluss ähnelt dem handelsrechtlichen, kann aber kreative Bewertungen enthalten, die vom Handelsgesetzbuch abweichen.
Alle diese Abschlüsse sollten das steuerliche Sonderbetriebsvermögen berücksichtigen. Bei komplexen Unternehmen werden konsolidierte Jahresabschlüsse erstellt, die die einzelnen Unternehmensabschlüsse zusammenfassen und unternehmensinterne Beziehungen eliminieren. Handelsrechtliche und konsolidierte Abschlüsse sind gute Grundlagen für Analysen, während der steuerliche Abschluss dafür nur begrenzt genutzt werden kann.
Bewertung der nicht entlohnten Faktorausstattung. Die Buchführung berücksichtigt nur Aufwendungen und Erträge, die tatsächlich entstanden. Die Familienarbeitskräfte, das eigene Land sowie das in Gebäude, Maschinen und Tieren gebundene Eigenkapital muss noch aus dem im Rahmen der Buchführung ermittelten Gewinn entlohnt werden. Bei einer Jahresabschlussanalyse soll jedoch die Leistungsfähigkeit des Betriebes analysiert und mit anderen verglichen werden. Vor diesem Hintergrund ist es interessant, ob der Betriebsgewinn ausreichend ist, um die Entlohnung für die eigenen Produktionsfaktoren Arbeit, Boden und Kapital marktgerecht zu erwirtschaften. Um diese Frage beantworten zu können, wird der Jahresabschluss um die sogenannten kalkulatorischen Kosten für die eigenen Produktionsfaktoren ergänzt.
Die Kennzahlen der Rentabilität, Liquidität und Stabilität. Der Jahresabschluss liefert eine Fülle von Daten und Informationen, die, aufbereitet durch die Unternehmensanalyse, das landwirtschaftliche Unternehmen mithilfe von Kennzahlen durchleuchten.
- Die Rentabilitätskennzahlen sind als Erfolgskennzahlen zu verstehen. Sie werden durch das Verhältnis des Gewinns bzw. des Verlusts und davon abgeleiteter Größen wie z. B. das Betriebseinkommen zu den eingesetzten Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ausgedrückt.
- Die Liquiditätskennzahlen drücken die Fähigkeit des Unternehmens aus, seinen fälligen Zahlungsverpflichtungen fristgerecht nachzukommen.
- Die Kennzahlen der Stabilität weisen die Fähigkeit eines Unternehmens aus, die Rentabilität und Liquidität auch bei Eintritt unvorhergesehener Risiken und verschlechterten Rahmenbedingungen langfristig zu sichern.
Rentabilität
- Ordentliches Ergebnis. Die Basis für die Jahresabschlussanalyse ist der Gewinn bzw. Verlust, im Falle der juristischen Personen der Jahresüberschuss/- fehlbetrag. Daraus wird das ordentliche Ergebnis ermittelt, indem das Jahresergebnis um Sondereffekte bereinigt wird. Diese zentrale Kennzahl dient als Ausgangsgröße für die weiteren Berechnungen, weil sie das Ergebnis der operativen Betriebstätigkeit im Wirtschaftsjahr darstellt. Eine isolierte Beurteilung der Kennzahl ist nicht möglich. Sie ist aber hilfreich, um Entwicklungen über mehrere Jahre einzuordnen. Hierfür sind Datenreihen von mindestens drei, besser fünf Jahren erforderlich. Der Anspruch muss es sein, das ordentliche Ergebnis im Zeitablauf zu steigern. Gelingt das nicht, ist in jedem Fall eine weitergehende Analyse der leistungswirtschaftlichen Situation z. B. mit einer Betriebszweiganalyse erforderlich.
- Ordentliches Betriebseinkommen. Diese Kennzahl gibt Auskunft über die im Unternehmen stattfindende Wertschöpfung. Dabei werden zum ordentlichen Ergebnis die tatsächlich geleisteten Zinsen, Personalkosten sowie Miet- und Pachtaufwand (somit die gesamte Entlohnung fremder Produktionsfaktoren) addiert. Das Ergebnis ist der Betrag, der zur Entlohnung aller eingesetzten Faktoren (Arbeit, Boden, Kapital) zur Verfügung steht. Das ordentliche Betriebseinkommen dient als Zwischengröße für die Berechnung der folgenden Kennzahlen.
- Relative Faktorentlohnung. Sie gibt an, inwieweit das ordentliche Betriebseinkommen ausreicht, um die insgesamt eingesetzten Produktionsfaktoren zu entlohnen. Zur Berechnung wird das ordentliche Betriebseinkommen durch die Kosten für eigene und zugekaufte Produktionsfaktoren geteilt. Hierbei kommt der Ermittlung der kalkulatorischen Faktorkosten für eigene Arbeit, Boden und Kapital eine besondere Bedeutung zu. Ein Wert von über 100 % zeigt an, dass eine vollständige Entlohnung der tatsächlichen und kalkulatorischen Produktionsfaktoren stattgefunden hat und ein Unternehmergewinn erzielt wurde. Liegt der Wert dauerhaft und deutlich unter 100 %, dürfte die Einstellung des operativen Betriebes und die alternative Verwertung der eigenen Produktionsfaktoren (Verpachtung, außerlandwirtschaftliche Tätigkeit) zu einer Steigerung des Familieneinkommens führen.
- Unternehmerergebnis. Die Kennzahl zeigt, ob es gelungen ist, eine Wertschöpfung zu erzielen, die neben der Entlohnung der gesamten Produktionsfaktoren auch die unternehmerische Tätigkeit entlohnt. Sie spiegelt die relative Faktorentlohnung in absoluten Werten wider. Vom ordentlichen Ergebnis werden die kalkulatorischen Faktorkosten für die eigenen, noch nicht entlohnten Produktionsfaktoren abgezogen. Grundsätzlich sollte das Unternehmerergebnis positiv sein.
- Besatzkapitalrentabilität. Sie zeigt die Verzinsung des Betriebsvermögens ohne Grund und Boden. Zur Ermittlung des durchschnittlich eingesetzten Besatzkapitals zieht man vom ordentlichen Ergebnis Lohn- und Pachtansatz ab und addiert die gezahlten Zinsen hinzu. Dieses modifizierte ordentliche Ergebnis und das durchschnittlich eingesetzte Besatzkapital werden ins Verhältnis zueinander gesetzt. Während das Kapital in Grund und Boden weitgehend risikolos gebunden ist, gilt das für das Besatzkapital nicht. Es besteht ein latentes Risiko, das eingesetzte Kapital in Folge von z. B. Witterungs-, Preis- oder Forderungsrisiken teilweise zu verlieren. Diesem Ausfallrisiko ist über den Zinsanspruch Rechnung zu tragen.
- Eigenkapitalrendite. Diese Kennzahl gibt Auskunft darüber, wie sich das im Betrieb gebundene Eigenkapital verzinst, ohne dabei die stillen Reserven in Grund und Boden zu berücksichtigen. Vom ordentlichen Ergebnis ziehen Sie lediglich den Lohnansatz ab. Das so ermittelte Einkommen zur Entlohnung des Eigenkapitals wird durch das eingesetzte Eigenkapital geteilt. Die Kennzahl muss in Relation zur Eigenkapitalquote des Unternehmens interpretiert werden. Betriebe mit einer hohen Eigenkapitalquote werden in der
Regel eine eher geringe Eigenkapitalrentabilität ausweisen. Bei einer geringen Eigenkapitalquote kann die Eigenkapitalrentabilität sehr hoch (> 30 %) ausfallen.
Liquidität
Eine ausreichende Liquidität ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Unternehmens. Insofern zeugen die verschiedenen Liquiditätsgrade vom wirtschaftlichen Erfolg des laufenden Betriebes und seiner Finanzkraft. Diese Kennzahlen sind daher auch ein Kernstück der Bewertung durch die Bilanzanalysten der Kreditinstitute. Mit anderen Worten: Sie gehören zum Rating und fließen in Kreditentscheidungen ein.
- Entwicklung der Liquidität 2. Grades. Als Richtwert für die Liquidität 2. Grades gilt 100 % – das heißt, dass alle kurzfristigen Verbindlichkeiten durch kurzfristiges Vermögen finanziert werden sollten. In der Bankenpraxis wird diese Empfehlung auch als »Bankers Rule« bezeichnet. Es herrscht eine Fristenkongruenz. Für die Ermittlung bleiben Bestände an Produkten oder Produktionsmitteln oder unfertige Erzeugnisse (Feldinventar) unberücksichtigt. Sie ziehen von den kurzfristig verfügbaren Finanzmitteln (z. B. Bankguthaben und Forderungen) die kurzfristigen Verbindlichkeiten ab. Ist der Saldo positiv, kann der Betrieb seinen kurzfristigen Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Ist er negativ, können Sie nicht unmittelbar alle Verbindlichkeiten bedienen. Die Kennzahl gibt einen ungeschönten Blick auf die Liquiditätssituation zum Bilanzstichtag.
- Ausschöpfung der Kapitaldienstgrenzen. Zunächst wird der tatsächliche Kapitaldienst als Summe aus Zinsen und Tilgungen gebildet. Zur Ermittlung der langfristigen Kapitaldienstgrenze werden bei Einzelunternehmen und Personengesellschaften vom ordentlichen Ergebnis Privatentnahmen abgezogen und Privateinlagen hinzugerechnet. Der verbleibende Betrag zuzüglich der Fremdkapitalzinsen
stellt den langfristig maximal zahlbaren Kapitaldienst dar. Zur Bestimmung der mittelfristigen Kapitaldienstgrenze wird ferner die Abschreibung auf Gebäude und bauliche Anlagen hinzuaddiert – bei der kurzfristigen auch noch die Abschreibung auf technische Anlagen und Maschinen. Liegt die mittelfristige Kapitaldienstgrenze nicht über 100 %, dann ist die Liquidität in keiner Weise gefährdet. Alle Ersatzinvestitionen können aus der Abschreibung heraus vollständig mit Eigenkapital finanziert werden. Wird jedoch die gesamte Abschreibung für den Kapitaldienst benötigt, dann muss jede Ersatzinvestition vollständig mit Fremdkapital finanziert werden. Ein langfristiger Abbau von Schulden ist nicht möglich. - Kalkulatorische Tilgungsdauer oder dynamischer Verschuldungsgrad. Für einen sehr schnellen Überblick zur Verschuldungslage wird die Kennzahl der kalkulatorischen Tilgungsdauer ermittelt. Die um Forderungen und Guthaben bereinigten Verbindlichkeiten werden hierfür ins Verhältnis mit dem Mittelüberschuss nach Einlagen und Entnahmen gebracht. Verfügt ein Betrieb über einen hohen Anteil an Eigentumsflächen und langlebigen Wirtschaftsgebäuden, kann diese kalkulatorische Tilgungsdauer unter Umständen bei über 15 Jahren liegen und die Stabilität des Unternehmens ist trotzdem als akzeptabel einzustufen.
- Gewinnrate. Die Gewinnrate gibt an, wie viel Prozent des Betriebsertrags als ordentliches Ergebnis im Unternehmen verbleiben. Je höher die Gewinnrate, desto besser sind Sie in der Lage, auch in Preistiefs bzw. bei steigenden Kosten profitabel zu wirtschaften. Hingegen können bei einer niedrigen Gewinnrate schon leichte Umsatzrückgänge oder Kostenerhöhungen dazu führen, dass der Betrieb Verluste erzielt.
- Fremdkapitaldeckung. Hier wird das Anlagevermögen ohne Grundstücke und Gebäude der Verschuldung des Unternehmens gegenübergestellt. Dahinter verbirgt sich die Überlegung, ob bei einem Verkauf der Anlagegüter alle Verbindlichkeiten bedient werden können. Liegt die Kennziffer über 100 %, stehen Ihnen nach einer theoretischen Betriebsaufgabe die Fläche und die Gebäude weiterhin schuldenfrei zur Verfügung. Diese Kennziffer dient ausschließlich der individuellen Risikoabwägung. Für Betriebe, die stark in Eigentumsflächen und Gebäuden gewachsen sind, eignet sie sich nicht. Ebenso ist sie mit der Einschränkung behaftet, dass steuerliche Effekte und mögliche Vorfälligkeitsentschädigungen der Bank in der Berechnung keine Berücksichtigung finden.
- Ordentliche Eigenkapitalveränderung. Reicht das ordentliche Ergebnis aus, um neben Entnahmen bzw. Ausschüttungen neues Eigenkapital zu bilden? In Einzeljahren sind auch negative Eigenkapitalentwicklungen (insbesondere bei stark schwankenden Ergebnissen) zu tolerieren. Im mehrjährigen Durchschnitt muss das Unternehmen Eigenkapital bilden, um langfristig existieren zu können. Unternehmen, die dauerhaft kein Eigenkapital bilden, leben von ihrer Substanz. Die Aussagekraft ist jedoch dahingehend
eingeschränkt, dass Entnahmen zur außerlandwirtschaftlichen Vermögensbildung (z. B. private Geldanlage oder Entnahmen für andere Formen der Vermögensbildung) und Einlagen aus privaten oder anderen betrieblichen Vermögen nicht berücksichtigt werden.