Schweinefütterung. Die Rückkehr des Roggens
Der Einsatz von Roggen in der Schweinefütterung hat positive Effekte auf Gesundheit und Verhalten – und zwar in allen Altersklassen. Und sein Klimafußabdruck ist deutlich niedriger als der von Weizen. Volker Wilke gibt einen Überblick.
Lange war Roggen die traditionelle Getreidekomponente im Schweinefutter in Nordeuropa. Irgendwann sorgten höhere Erträge bei Weizen und Mais dafür, dass er aus den Rationen verdrängt wurde. Warum erlebt Roggen nun ein Comeback?
Erforschung alternativer Futtermittel
Der Klimawandel verändert die Wahl des angebauten Getreides. Das Ziel, die Nutztierhaltung nachhaltiger und effizienter zu machen, hat dazu geführt, alternative Futtermittel zu erforschen, die essenzielle Nährstoffe liefern und gleichzeitig die Umweltbelastung minimieren. In diesem Zuge hat Roggen als potenzielles Futtermittel für Mastschweine aufgrund seines Nährwertprofils, seiner Umweltvorteile und seiner Kosteneffizienz in den letzten Jahren an Aufmerksamkeit gewonnen. Heutzutage geht es bei der Wahl der Getreidesorten in der Schweinefütterung nicht mehr nur darum, den Energie- und Proteinertrag pro Hektar zu maximieren, sondern auch um Lösungen, die an die aktuellen Bedingungen angepasst sind: Der Klimawandel fordert hitzetolerante und trockenheitsresistente Kulturen, unter Umweltschutzaspekten müssen Dünger und Pflanzenschutzmittel eingespart werden und Fortschritte in der Pflanzenzüchtung bringen neue, ertragreichere Sorten hervor. Dadurch eröffnen sich neue Optionen.
Nachhaltigkeit
Roggen ist eine robuste Kultur, die wenig Pflanzenschutz benötigt und in kälteren Klimazonen sowie auf nährstoffärmeren Böden gedeiht. Außerdem kann Roggen Teil von Zwischenfruchtstrategien sein, die Nährstoffverluste verringern und die Nachhaltigkeit des gesamten Betriebs verbessern. Roggen zeichnet sich zudem durch die effiziente Nutzung begrenzter Ressourcen wie Wasser und Phosphor aus. Unterm Strich führt das zu einem vergleichsweise geringeren CO2-Fußabdruck als alternative Rationskomponenten, wie z. B. Weizen (Grafik 1). Diese Faktoren könnten in Zukunft eine größere Rolle spielen und Marktchancen schaffen, insbesondere wenn Futter- und Lebensmittel mit einem CO2-Fußabdruck gekennzeichnet werden.
Vorteile einer nährstoffreduzierten Fütterungsstrategie
Weizen und Roggen unterscheiden sich in ihrem Stärke- und Rohfasergehalt. Zwar enthält Weizen 17 bis 33 % mehr Rohprotein als Roggen, doch Letzterer bietet relativ zum Gesamtproteingehalt ein lysinreiches Aminosäureprofil. Dies ist für die Ernährung älterer Mastschweine vorteilhaft, da der Eiweißgehalt insgesamt durch die Ergänzung einzelner Aminosäuren gesenkt werden kann, ohne dass die Leistung darunter leidet. Mit Roggen lassen sich die Anforderungen an eine stark oder sehr stark N-reduzierte Mastschweinefütterung daher mühelos einhalten. Das verringert den Gülleanfall und die Ammoniakemissionen im Stall.
Zudem fördert Roggen die Darmgesundheit. Denn er ist eine hervorragende Quelle insbesondere für lösliche Ballaststoffe. Die dadurch erhöhte Fermentation im Dickdarm führt zu höheren Gehalten an Milchsäure und kurzkettigen Fettsäuren (z. B. Buttersäure) im Verdauungstrakt, was sich positiv auf die Tiergesundheit auswirkt.
Wie viel Roggen in der Ration?
Eine hohe Akzeptanz und Futteraufnahme sind entscheidend, um günstige tägliche Zunahmen und ein niedriges Futterverwertungsverhältnis zu erreichen. In der Praxis ist immer noch die Befürchtung verbreitet, dass Schweine Roggen weniger gerne fressen. Jüngste Studien zur Verwendung von Roggen in der Mast zeigen allerdings, dass der Einsatz bereits bei Absetzferkeln ohne Probleme möglich ist. Eine frühe Gewöhnung an Roggen in der Ration wirkt sich sogar positiv auf die späteren Mastphasen aus. Für sehr junge Tiere sollten jedoch nur geringe Mengen eingesetzt werden. Eine deutsche Studie ergab, dass der Ersatz von 48 % des Weizens durch Roggen in der Ration von gerade entwöhnten Ferkeln keine negativen Auswirkungen hatte. Eine US-Studie zeigte sogar, dass bis zu 60 % des Maisanteils in den ersten fünf Wochen nach dem Absetzen durch Roggen ersetzt werden können. Abgesehen von einem leicht erhöhten Futterverwertungsverhältnis wurden dabei keine negativen Auswirkungen auf die Gewichtszunahme und die Futteraufnahme festgestellt.
In unseren eigenen Studien am Institut für Tierernährung der TiHo Hannover wurden junge Mastschweine (16 bis 40 kg) mit Futterrationen gefüttert, die steigende Anteile an Roggen enthielten. Die Ergebnisse waren ähnlich. Höhere Roggenanteile in der Ration hatten keinen Einfluss auf die Futteraufnahme und Gewichtszunahmen bei Jungtieren. Allerdings erhöhte sich bei einem Roggenanteil von 46 % in der gesamten Ration das Futterverwertungsverhältnis bei diesen jungen Schweinen.
Keine Einschränkungen der Schlachtkörper- und Fleischqualität. Auch in Polen beschäftigt man sich zunehmend mit der Verwendung von Roggen in der Schweinefütterung. Eine aktuelle Untersuchung betrachtete nicht nur die Leistung der Tiere, sondern auch mögliche Auswirkungen auf die Schlachtkörperqualität. Schweine wurden von 29 bis etwa 110 kg mit Futterrationen gemästet, die 20 %, 40 % und 60 % Roggen enthielten. Die Kontrollgruppe erhielt einer Standardration auf Basis von Gerste und Weizen. Als Proteinquelle wurde Sojaschrot verwendet.
Der zunehmende Roggenanteil hatte keine negativen Auswirkungen auf die Mastleistung der Tiere. Auch in der Schlachtkörperqualität ergaben sich keine Einbußen durch den höheren Roggenanteil: Weder die Rückenspeckdicke, der Magerfleischanteil im Schlachtkörper
noch der Anteil der wertgebenden Teile wie Schinken und Kotelett waren in der mit Hybridroggen gefütterten Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe beeinträchtigt. Zudem wurden keine Veränderungen in den physikalischen Fleischeigenschaften, der chemischen Grundzusammensetzung, dem Cholesteringehalt oder den sensorischen Eigenschaften des Fleisches festgestellt. Im Gegenteil: Es wurden günstigere Werte für Omega-3-Fettsäuren gefunden, was zu einem für die menschliche Ernährung besseren Verhältnis von Omega-6- zu Omega-3-Fettsäuren führte.
Praktische Schlussfolgerungen
Der Einsatz von Roggen bietet Vorteile in der Schweinefütterung. Für sehr junge Schweine sollten moderate Mengen zwischen 5 und 30 % verwendet werden, um einen Anstieg des Futterbedarfs zu vermeiden. In der Wachstums- und Endmastphase können jedoch deutlich größere Mengen eingesetzt werden (20 bis 50 % bzw. 40 bis 70 %).
Sattere Schweine durch Roggen?
Verhalten. Roggen enthält spezielle Nicht-Stärke-Polysaccharide (NSP), wie Fruktane. Dabei handelt es sich um sehr gut fermentierbare Ballaststoffe. Sie sind somit Futter für das Mikrobiom im Dickdarm. Das fördert die Darmgesundheit und die Passagerate des Futters im Verdauungstrakt verlangsamt sich. Eine länger anhaltende Sättigung entsteht dabei durch einen stärker gefüllten Magen-Darm-Trakt (physikalische Sättigung) sowie eine gesteigerte Fermentation im Dickdarm (chemische Sättigung). Studien an Sauen und Mastschweinen zeigen, dass fermentierbare Ballaststoffe die körperliche Aktivität über viele Stunden nach einer Mahlzeit reduzieren. Praktiker berichten von einem solchen Effekt beim Einsatz hoher Roggenanteile in der Futterration.
Christin Benecke