Außenblick. Wer wollen Sie sein?

Sind Sie reiner »Profit-Jäger« oder schon ein »Mehr-Wert-Gestalter«? Eine ehrliche Bestandsaufnahme.
Ich mache doch alles richtig. Ich arbeite hart, ich schufte, ich gebe mein Bestes, habe auch gute Gewinne.« Kennen Sie diese Gedanken? Und doch nagt etwas in Ihnen. Ein Gefühl, das schwer zu fassen ist. Vielleicht ist es Überforderung, vielleicht Frust. Vielleicht auch die leise Stimme, die sagt: »Aber lange geht es so nicht mehr«.
Die üblichen Erklärungsansätze lauten dann: niedrige Preise, zu viel Bürokratie, extremes Wetter – also alles Dinge, auf die man keinen Einfluss hat. Doch was, wenn die wahren Ursachen näher bei uns selbst liegen? Was, wenn es unsere eigenen Denkmuster sind, die uns im Weg stehen?
- Von A nach B – zwei Wege zum Erfolg. Stellen Sie sich zwei Unternehmen vor. Unternehmen A jagt dem Profit hinterher – koste es, was es wolle. Umweltauflagen? Hindernisse, die man umgeht. Mitarbeiter? Fluktuation gehört halt dazu. Nachhaltigkeit? Die Gewinne von heute zählen, die Kosten von morgen interessieren nicht. Unternehmen B verfolgt eine andere Logik. Es sieht in Nachhaltigkeit keinen Verzicht, sondern eine Investition in die Zukunft. Compliance, Fairness und Umweltschutz sind keine lästigen Pflichten, sondern Werte, die man lebt. Und die Gewinne? Überraschung: Sie sind genauso hoch wie bei Unternehmen A. Die zentrale Frage ist: Wollen Sie A oder B sein?
- Zahlen, die es in sich haben. Die Landwirtschaft in Deutschland erwirtschaftet eine Bruttowertschöpfung von rund 31 Mrd. €. Eine beeindruckende Zahl, die oft stolz zitiert wird. Doch es gibt eine andere Zahl, die dem entgegensteht: die Schadschöpfung. Sie bezeichnet die Summe aller Schäden, die durch betriebliche Aktivitäten entstehen – darunter Emissionen, Bodendegradation und gesundheitliche Belastungen. Schätzungen beziffern die Schadschöpfung der Landwirtschaft auf 20 bis 90 Mrd. € pro Jahr. Lassen Sie das kurz wirken. Das bedeutet, dass die Landwirtschaft wirtschaftlich betrachtet in vielen Fällen mehr Schaden anrichtet, als sie an Wert schafft – und in manchen Szenarien dreimal so viel. Das führt direkt zu einer Kernfrage: Kann dieses System wirklich eine Zukunft haben? Die Antwort liegt auf der Hand. Je größer die Differenz zwischen Wertschöpfung und Schadschöpfung, desto stärker wächst der gesellschaftliche und politische Druck. Dies ist keine Theorie, sondern Realität – und die Forderungen nach Veränderung kommen schneller, als man denkt.
- Der Wandel von A nach B – wie geht das? Viele Landwirte starten als »B-Typ« – mit Idealen, mit der Vision von nachhaltigem Wirtschaften. Doch das eigene, teils unbewusst gewählte Geschäftsmodell macht sie zu »A-Typen«. Lange galt die Formel: »Wachsen oder weichen.« Heute lautet die Devise: »Bist du nicht stark genug, weiche.« Doch was bedeutet »stark«? Bedeutet es, so lange wie möglich durchzuhalten? Oder bedeutet es, die Richtung zu ändern, bevor es zu spät ist? Viele Landwirte glauben, es gäbe keinen anderen Weg. Aber das stimmt nicht. Man kann von A nach B kommen. Und das hat nichts mit Glück zu tun – sondern mit Handlungswissen.
- Schadschöpfung und Wertschöpfung – zwei Seiten einer Medaille. In der Betriebswirtschaft wird oft von Wertschöpfung gesprochen. Dabei geht es darum, wie aus Ressourcen (Boden, Arbeit, Kapital) ein Produkt (z. B. Weizen, Milch, Fleisch) wird. Doch was dabei selten berücksichtigt wird, ist die Schadschöpfung – also die negativen Effekte, die bei dieser Wertschöpfung entstehen. Ein Beispiel: Wenn Sie auf 100 ha intensive Landwirtschaft betreiben, steigt die Bruttowertschöpfung – aber es steigt auch die Schadschöpfung, etwa durch den Verlust der Bodenfruchtbarkeit, Nitratbelastungen oder die Zerstörung von Lebensräumen. Das Ziel von »B« ist es, die Schadschöpfung zu verringern, ohne die Wertschöpfung zu opfern. Oder wie es im Konzept der Ökoeffizienz heißt: Das Verhältnis von Wertschöpfung zu Schadschöpfung muss verbessert werden. Statt nur zu fragen, wie man mehr produziert, muss gefragt werden: Wie viel Schaden entsteht pro Euro Wertschöpfung? Wie lässt sich der Schaden verringern?
- Handlungswissen statt Durchhalteparolen. Die Annahme, dass man in einem »System A« gefangen ist, gehört zu den größten Irrtümern. Aber wie kommen Sie von A nach B? Die Antwort liegt in den Wechselwirkungen. Kleine Stellschrauben verändern große Systeme. Das bedeutet, Sie müssen die Wechselwirkungen in Ihrem Betrieb erkennen: Wie wirken veränderte Fruchtfolgen auf Bodenfruchtbarkeit und Düngerkosten? Was passiert, wenn Sie Arbeitszeiten anders organisieren? Welche Effekte hat eine Verringerung der Tierbestände auf Tierwohl und Kosten? Wer die Wechselwirkungen kennt, steht nicht mehr vor einer Wand, sondern vor einer Schalttafel mit Reglern.
- A oder B? Die Wahl liegt bei Ihnen. Zum Schluss eine einfache, aber entscheidende Frage: Wer wollen Sie sein? Wollen Sie ein A sein, das im Hamsterrad der Profitjagd irgendwann zusammenbricht? Oder wollen Sie ein B sein, das Gewinne mit Werten vereint? Die gute Nachricht: B zu sein, ist möglich. Es braucht keine Wundermittel, keine großen Investitionen und keine 100-Stunden-Wochen. Es braucht Wissen, Handlungswissen über die Wechselwirkungen im eigenen Betrieb, Wissen, wie man den Pfad von A zu B einschlägt – ohne dabei auszubrennen. Und ja, das kann unbequem sein. Es erfordert, dass man den Blick nach innen richtet. Dass man bereit ist, die richtigen Fragen zu stellen, anstatt die schnellen Antworten zu geben.