Herausforderungen und Erwartungen der Landwirtschaft
Die Landwirte befinden sich in bewegten Zeiten mit riesigen Herausforderungen. Dies macht ein Umdenken mit in der Folge innovationsgetriebenen Entscheidungen unabdingbar.
„Die Agrarbranche bewältigt einen Berg an Herausforderungen!“, sagt Dr. Lothar Hövelmann, Hauptgeschäftsführer des Agritechnica-Veranstalters DLG, in Frankfurt am Main. „Russlands Krieg verändert Grundannahmen, der europäische Green Deal verknappt Betriebsmittel, die Zinspolitik verlangt eine vorausschauende Investitionsplanung und der Klimawandel erfordert resiliente Produktionsverfahren. Das kann man nur mit leistungsstarken Innovationen stemmen.“
Stimmung für Investitionen auf den Betrieben in Europa
Im August 2023 hat die DLG über 2.300 europäische Landwirtinnen und Landwirte im Rahmen einer „Short Study Agrifuture Insights“ zum Geschäftsklima und ihren Investitionsabsichten befragt. Die Ackerbaubetriebe haben ihre betriebliche Situation zumeist als wirtschaftlich gut eingeschätzt, das zukünftige Geschäftsumfeld wird als durchschnittlich bewertet. In der Schweinehaltung wird die aktuelle Geschäftslage im August aufgrund hoher Preise positiv betrachtet, für die betriebliche Weiterentwicklung fehlen derzeit noch stabile Rahmenbedingungen.
In der Milchviehhaltung sind viele Betriebe nach Erweiterungsinvestitionen mit einem hohen Schuldendienst und höheren Zinsen belastet. Dies führte 2023 bei niedrigeren Erzeugerpreisen zu weniger Liquidität im Vergleich zum Vorjahr.
Ackerbauern sehen die zunehmende Regelungsdichte und die agrarpolitischen Rahmensetzungen ebenso wie den Klimawandel als Top-Herausforderung. Große Anstrengungen erfordern auch anhaltend hohe Preise für Ackerflächen sowie die gestiegenen Kosten für Betriebsmittel. In der Tierhaltung wirkt sich die Zinsentwicklung stark aus auf kurzfristige Finanzierungslinien und Anschlussfinanzierungen.
Wo stehen Investitionen an?
Fast jeder zweite Befragte gab an, in den nächsten zwei Jahren in neue Traktoren investieren zu wollen. In der „angehängten“ Landtechnik interessieren sich die Befragten insbesondere für effizienzsteigernde Technologien wie Precision Farming und Automatisierung.
Welche Innovationen sind im Ackerbau gefragt?
- Das Thema Energieeffizienz steht überall im Fokus, da die Energiekosten für alle Geschäftsfelder zentral sind. Überdurchschnittlich hoch ist das Interesse für Innovationen im Bereich Gülleausbringung, denn Umweltschutz setzt Technikinnovationen voraus.
- Auf Smart Farming- und Precision Farming-Technologien liegt große Aufmerksamkeit wegen der hohen Betriebsmittelkosten. Hier ist Verbrauchsoptimierung gefragt. In die gleiche Richtung zielt die zunehmende Regulierung, sie erfordert einen immer präziseren Einsatz von Inputs und Ressourcen.
- Der physikalische und biologische Pflanzenschutz wird zunehmend Teil der landwirtschaftlichen Anbaustrategien und ersetzt bzw. ergänzt den chemischen Pflanzenschutz.
- Das Dauerthema Interoperabilität und Kompatibilität zwischen vernetzten Landmaschinen wird von den Befragten aus Beratung, Forschung und Industrie weit wichtiger eingeschätzt als von praktischen Ackerbauern, denn der Weg von der Forschungserkenntnis zur Praxisumsetzung dauert sehr lange. Noch immer funktioniert die Zusammenarbeit nur teilweise und die Zusammenführung und Verarbeitung von Daten sind noch aufwändig. Dennoch werden auch in der Landwirtschaft „Big Data“ und „Künstliche Intelligenz“ zukünftig wichtige Problemlöser sein.
- Generell erhoffen sich die Befragten mehr Innovationen in Bereichen, die stark reguliert werden, insbesondere im Pflanzenschutz. Aber auch von der Pflanzenzüchtung erwarten die Befragten mehr und schnellere Lösungen für die Anpassung an den Klimawandel und Pflanzenkrankheiten (Resistenzen). Die Entwicklung neuer Technologien im Bereich Düngung wird im Vergleich zu diesen Themen von den Befragten etwas weniger priorisiert.
- Der Bedarf sensorbasierter Systeme und die Verbesserung des Datenmanagements werden von Befragten aus der Beratung, Wissenschaft oder Industrie dringender gesehen als von Landwirten. Sie geben an, dass Funktionalitätsverbesserungen den Ansprüchen hinterherlaufen und es wird auch mehr Anwenderschulung gewünscht.
Bewertung grüner Maßnahmen im Ackerbau
Im Ackerbau werden viele „grüne Maßnahmen“ heute schon umgesetzt, um Ressourcen effizient zu nutzen und um dem Klimawandel zu begegnen. Über zwei Drittel der Befragten haben ihre Fruchtfolge bereits erweitert, fast 20 Prozent planen es in den nächsten Jahren. Dieselsparen ist heute schon für die Mehrheit wichtig und weitere 40 Prozent wollen es zukünftig umsetzen. Eine teilflächenspezifische Ausbringung von Betriebsmitteln ist bei 38 Prozent der befragten Betriebe heute schon Praxis, weitere 40 Prozent fassen es für die Zukunft ins Auge. Und bei einem Drittel ist das Thema Wassermanagement heute schon betriebliche Praxis und 40 Prozent wollen Wassermanagement zukünftig umsetzen.