Reportage. Brotweizen mit nur 164 kg N?
Torsten Reim ist Precision Farming-Landwirt von der Saat bis zur Ernte. Im Rahmen eines Projekts zur teilflächenspezifischen Düngung von Winterweizen erfasst er auch die Eiweißgehalte in der Teilfläche. Jetzt weiß er, dass seine Stickstoffnutzungseffizienz im Optimum liegt und er seinen Brotweizen klimafreundlich erzeugt.
Brotweizen mit nur 164 kg N/ha kann funktionieren«, sagt Landwirt Torsten Reim und schaut sich die Ernteergebnisse 2024 einer seiner Schläge an: 10,2 t/ha Ertrag und 12,1 % Rohprotein. Auf seinem konventionellen Ackerbaubetrieb »Zweilindenhof« im südhessischen Rheingau-Taunus-Kreis baut er rund 100 ha Winterweizen an – mit dem Ziel, ihn an eine große Krefelder Mühle zu verkaufen. Vieh hält er nicht und düngt fastausschließlich mineralisch.
»Nach Düngebedarfsermittlung wären es eigentlich 197 kg N/ha gewesen. Möglicherweise kann ich sogar noch weiter runtergehen, ohne Ertrag und Qualität einzubüßen«, spekuliert er und zeigt am PC auf eine Grafik zur Stickstoffnutzungseffizienz (NUE). »Die NUE
ist der Leistungsindikator in der Stickstoffdüngung. 2024 habe ich auf diesem Schlag einen Wert von 89 % erreicht und dünge damit bereits nachhaltiger als der Bundesdurchschnitt (64 %)«, sagt der staatlich geprüfte Landwirt.
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Zur Erinnerung: Die NUE beschreibt, wie effektiv Pflanzen den zugeführten Stickstoff (N) aufnehmen und in Ertrag umwandeln. Nach Expertenmeinung sollte die NUE zwischen 75 % und 90 % liegen. Bei einem dauerhaft höheren Wert wird zu viel Stickstoff mit der Ernte abgefahren bzw. dem System zu wenig über die Düngung zugeführt. Dadurch sinkt die Bodenfruchtbarkeit. Unterhalb von 75 % hingegen nehmen die Pflanzen zu wenig N auf und die zu viel zugefügten Mengen gehen verloren und beeinträchtigen die Umwelt und das Betriebsergebnis. Die NUE hängt direkt mit dem CO2-Fußabdruck zusammen, den Torsten Reim sich in diesem Jahr erstmals für den genannten Schlag hat berechnen lassen: 191,8 kg CO2-Äq./t Weizen sind es laut Bayerischer Landesanstalt für Landwirtschaft. Damit steht er gut da.
Wie erreicht er diese Werte?
Zum einen durch eine gezielte Düngerwahl, zum anderen durch teilflächenspezifische Bewirtschaftung in einer sehr hohen Ausbaustufe. Seit fast 15 Jahren nutzt er modernste Sensortechnik und Satellitensteuerung, um Saatgut, Dünger und Wachstumsregler
präzise und nach Bedarf zu verteilen. Er arbeitet sowohl mit satellitenbasierten Applikationskarten als auch einem Online-Pflanzensensor (Isaria von Fritzmeier). »Ich führe seit Jahren Versuche zur Düngemenge und Verteilung über mehrere Gaben und in der Fläche durch«, erklärt der Landwirt. So profitiere er mittlerweile von einer umfangreichen und sehr guten Datengrundlage in Form von Boden-, Biomasse-, Ertrags- und Potentialkarten. Keiner seiner Schläge liege im roten Gebiet. Trotzdem treibe ihn die Frage um, ob er mit weniger Stickstoff noch B-Weizen erzeugen könne, indem er den Nährstoff besser verteile. Diese Frage war auch der Auslöser für das von ihm 2022 initiierte dreijährige EIP-Projekt (Europäische Innovationspartnerschaft), das er mit zwei Betrieben in Hessen und Thüringen sowie der Universität Gießen durchführt.
"Deep Farming"
Der On Farm-Versuch mit dem Titel »Deep Farming« vergleicht die Teilflächenapplikation anhand von Satelliten-Düngerkarten zweier Anbieter (Xarvio, Vista) mit der Betriebsvariante vom Zweilindenhof sowie der in Deutschland üblichen Praxis mit drei flächigen Gaben à 60 kg N/ha. 2023 wurde eine zusätzliche N-reduzierte Variante (Vista – 10 %) aufgenommen. Anfangs hat Reim mit einer 28-m-Feldspritze mit Teilbreiten-, aber ohne Teilmengenschaltung flüssig gedüngt (Alzon 25-6). 2024 kamen in der Abschlussgabe granulierter Dünger (Alzon Neo-N) und ein pneumatischer Düngerstreuer (Rauch Aero) mit Multirate-Dosiersystem mit 24 Teilbreiten
und -mengen zum Einsatz.
Betriebsüblich streut Torsten Reim mit einem Zweischeibenstreuer in zwei Teilmengen. Er führt eine Andüngung, etwa 100 kg N/ha, mit schwefelhaltigem und stabilisiertem Dünger durch, den er in getrennten Überfahrten mit einem Abstand von etwa fünf Tagen flächig ausbringt. Damit könne er auf die Schossergabe verzichten und führe nur noch eine späte Abschlussgabe mit dem N-Sensor durch.
NIRS-Sensor
Im Rahmen des EIP-Projektes schaffte er einen NIRS-Sensor für den Mähdrusch an und erfasst nun neben Ertrag und Feuchte auch den Eiweißgehalt seines Weizens in der Teilfläche. »Ich streue also stabilisierten Stickstoff, angepasst an den berechneten Bedarf in der
Teilfläche und verrechne diese Daten später mit der Ertrags- und Eiweißkarte zur NUE. So kann ich analysieren, was meine Düngung tatsächlich bringt und wie nachhaltig sie ist«, fasst er grob zusammen.
Was sind die bisherigen Erkenntnisse? Im EIP-Projekt werden N-Effizienz, Umweltwirkung und Wirtschaftlichkeit betrachtet. Die Auswertungen 2024 waren zum Redaktionsschluss noch nicht final. »Die bisherigen Ergebnisse über alle drei Betriebe zeigen kein klares Bild, denn die Schwankungen der Erträge und Eiweißgehalte zwischen den Parzellen waren 2022 und 2023 deutlich höher als die Differenzen zwischen den Mittelwerten der Varianten. Im Schnitt zeigte keine Variante klare Vorteile«, resümiert Torsten Reim etwas
enttäuscht. Selbst mit der Variante (Vista – 10 %) seien die Erträge und die Proteingehalte 2023 nahezu gleich geblieben, was aber gezeigt habe, dass das Düngeniveau insgesamt mehr als ausreichend sei. Um die Effekte der einzelnen Varianten sichtbarer zu machen, wurde 2024 in allen die N-Menge um 20 kg/ha reduziert, aber die erhofften Unterschiede blieben erneut aus. Über alle Varianten wurden
durchschnittlich 9,7 t/ha mit 10,8 % Rohprotein geerntet, wobei einzelne Parzellen Backqualität erreichten. Allerdings stieg wie zu erwarten die NUE – auf dem Zweilindenhof von durchschnittlich 75 % (2023) auf 100 %.
Betriebsüblich erreichte Reim Erträge zwischen 6 und 11 t/ha mit Proteingehalten von 11,1 – 14,5 %. »Ich habe es in weiten Teilen geschafft, B-Weizen mit weniger Input zu produzieren. Was aber die hohe NUE langfristig für den Humusgehalt meiner Böden bedeutet, weiß ich noch nicht«, räumt er ein und möchte gern genau dazu sein EIP-Projekt fortschreiben.
CO2-Fußabdruck
Auch »grünen Dünger« hat er durchkalkuliert. »Das wäre für meinen CO2-Fußabdruck das Sahnehäubchen und brächte nochmals – 30 %«, überlegt er laut. Interessant werde es aber erst, wenn die Agrarpolitik dies honoriere. »Dank unserer langen Datenhistorie bin ich für die Zukunft gewappnet und kann neue Förderansätze oder Geschäftsmodelle zeitnah nutzen«, ergänzt Torsten Reim. Neben Verbesserungen bei Produktqualität und Umweltschonung zeigen seine im Rahmen der Teilflächenbewirtschaftung gesammelten Daten Einsparungen bei Arbeitskosten und Betriebsmitteleinsatz auf und unterstützen bei Dokumentationspflichten. »Die Umsetzung der Teilflächenbewirtschaftung ist technisch einfacher geworden, aber es geht immer noch präziser. Ich werde weiter an der Optimierung der Düngung arbeiten«, verspricht er abschließend.
Weitere Impressionen vom Betrieb "Zweilindenhof" (bitte auf das Bild klicken)
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Torsten Reim ist Precision Farming-Landwirt von der Saat bis zur Ernte. Im Rahmen eines Projekts zur teilflächenspezifischen Düngung von Winterweizen erfasst er auch die Eiweißgehalte in der Teilfläche. Jetzt weiß er, dass seine Stickstoffnutzungseffizienz im Optimum liegt und er seinen Brotweizen klimafreundlich erzeugt. Foto: Ehnts-Gerdes