Betriebsführung. So werden Risiken kalkulierbar
Das Gefährliche ist nicht das Risiko selbst, sondern wie man mit ihm umgeht. Und dafür gibt es präventive Maßnahmen, die verhindern, dass einem alles um die Ohren fliegt.
Auch landwirtschaftliche Betriebe sollen Risikomanagement betreiben – kaum ein Ratschlag hat seit dem Ausbruch der Maul- und Klauenseuche, der Afrikanischen Schweinepest oder den extremen Marktverwerfungen der vergangenen Jahre eine so hohe Konjunktur erlebt. Die jüngsten Wirtschaftsergebnisse im abgelaufenen Wirtschaftsjahr 2023/24 zeigen deutliche Einbrüche bei den Erzeugerpreisen, insbesondere bei Getreide, Raps und Milch. Trotz vereinzelter Preissteigerungen bei Produkten wie Kartoffeln oder Schweinefleisch ist insgesamt ein Rückgang von rund 5 % im Vergleich zum Vorjahr zu verzeichnen. Dies verdeutlicht, wie volatil die Agrarmärkte sind und wie notwendig es ist, sich intensiv mit einem strategischen Umgang mit Risiken auseinanderzusetzen.
Aktive Gestaltung der eigenen Zukunft
Ein modernes Risikomanagement bietet Ihnen die Chance, nicht nur auf diese Preisschwankungen zu reagieren, sondern auch langfristig resiliente Strategien für Ihren Betrieb zu entwickeln. Dabei geht es eben nicht nur um kurzfristige Schadensbegrenzung,
sondern um die aktive Gestaltung der eigenen Zukunft. Der Blick auf strategische Themen ist jedoch eher schwach ausgeprägt. Doch
genau hier liegen die kritischen Risiken, die einem Unternehmer das Genick brechen können. Die Gründe für das Scheitern von Unternehmen wurden vielfach untersucht und sind eindeutig: 50 bis 60 % liegen im Bereich der strategischen Risiken. Umso wichtiger ist es, die relevanten Risiken zu identifizieren und präventiv gegenzusteuern.
Strategisches Risikomanagement: Das Lernen aus der Zukunft
Ein modernes Risikomanagement ist darauf ausgerichtet, schwache Signale zu erkennen und böse Überraschungen zu vermeiden. Dabei geht es nicht darum, Risiken komplett auszuschalten – das ist weder möglich noch sinnvoll. Vielmehr liegt der Fokus darauf,
Unsicherheiten bewusst zu analysieren und Chancen sowie Gefahren in Entscheidungen einzubeziehen. Denn das Gefährliche an einem Risiko ist nicht das Risiko selbst, sondern wie man mit ihm umgeht. Dies bedeutet, verschiedene Zukunftsszenarien zu entwerfen und sich systematisch mit den potenziellen Auswirkungen zu befassen.
Hierbei spielen Werkzeuge wie Szenarioanalysen und Kreativitätsmethoden eine entscheidende Rolle. Sie könnten beispielsweise beginnen, eine einfache SWOT-Analyse (Stärken, Schwächen, Chancen, Risiken) durchzuführen, um ein grundlegendes Verständnis für Ihre betriebliche Lage zu entwickeln. Auch Checklisten könnten hilfreich sein, um potenzielle Risiken zu identifizieren. Ebenso bietet der Einsatz von digitalen Tools wie Simulationssoftware eine praxisorientierte Lösung, um Überforderung zu vermeiden. Solche Werkzeuge helfen Ihnen, Sensoren für das Unerwartete zu entwickeln und fundierte Entscheidungen zu treffen.
Das graue Nashorn: offensichtliche Gefahren nicht ignorieren. Ein wiederkehrendes Problem im Risikomanagement ist der sogenannte »Risiko-Blindflug «. Landwirte fokussieren gern auf ein Wunschszenario, das in die eigene Wahrnehmungsblase passt, und ignorieren alternative Szenarien. Die Konsequenz: Kritische Risiken werden nicht wahrgenommen oder zu spät adressiert. Im Risikomanagement
spricht man von dem grauen Nashorn, welches sich langsam und offensichtlich auf uns zubewegt – aber was bequemerweise ignoriert wird. Nach dem Motto »Et hätt noch immer jot jejange!«
Die Bedeutung von Szenariodenken. Gerade Landwirte sind oft in ihrer täglichen Routine gefangen und betrachten ihren Betrieb zu wenig aus einer ganzheitlichen Perspektive. Eine seriöse Risiko- und Chancenanalyse bedingt immer einen interdisziplinären Diskurs basierend auf Fakten sowie fundierten Methoden jenseits gefühlter Wahrheiten. Wir sollten hierbei vor allem akzeptieren, dass nichts von Natur aus so oder so ist, und deshalb richtig oder falsch. Wir müssen lernen, Zukunftsszenarien ergebnisoffen zu denken und über den eigenen Tellerrand hinauszuschauen.
Der Branchenblick: konstruktiver Dialog und interdisziplinärer Ansatz. Neben methodischen Ansätzen besteht die Notwendigkeit eines offenen und faktenbasierten Dialogs zwischen allen Akteuren der Landwirtschaft. Wir brauchen eine gegenseitige Wertschätzung und einen interdisziplinären Austausch, um Ideologien und Schuldzuweisungen zu überwinden. Nur so kann ein nachhaltiges Risikomanagement in der Branche etabliert und mehr Risikomündigkeit erreicht werden. Ein solcher Ansatz erfordert jedoch auch, dass Landwirte ihre oft als Opferrolle wahrgenommene Position überdenken. Wie wäre es, statt die Schuld für aktuelle Herausforderungen bei Politik, Handel oder Verbrauchern abzuladen, proaktiv nach Lösungen zu suchen und Verantwortung für die Gestaltung Ihrer eigenen Zukunft zu übernehmen?