Grüne Dünger. Was steckt dahinter?
Vielleicht sind Sie bei Ihrem Landhändler bereits auf »grünen« Dünger gestoßen. Was hat es damit auf sich, was unterscheidet ihn von herkömmlichen Düngern und wann lohnt sich der Einsatz?
Kommt beim Dünger Farbe ins Spiel, geht es in der Regel um die Produktionsmethode, die für die Düngerwirkung keinerlei Unterschied macht. Wohl aber für den CO2-Fußabdruck der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und damit auch der Lebensmittelindustrie. Und für den Preis, der derzeit zwei bis drei Mal höher ist als für herkömmliche Dünger.
Was steckt dahinter?
Die Düngerproduktion wird vom EU-Emissionshandelssystem EU-ETS und demnächst auch dem Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) beeinflusst. Das ETS ist ein marktbasierter Mechanismus, der Unternehmen in der EU dazu verpflichtet, für ihre Treibhausgasemissionen CO2-Zertifikate zu erwerben. Es zielt darauf ab, die Emissionen in energieintensiven Industrien zu reduzieren.
Das System basiert auf dem Prinzip von »Cap-and-Trade«. Das heißt, es gibt eine Obergrenze für die Gesamtemissionen (freie Emissionsrechte) in den abgedeckten Sektoren, die aber jährlich abgesenkt wird. Unternehmen können überschüssige CO2-Zertifikate verkaufen oder zusätzliche kaufen, je nachdem, ob sie ihre Emissionen unter- oder überschreiten. Der ETS-Preis richtet sich nach Angebot
und Nachfrage auf dem Markt. 2035 wird es absehbar keine freien Emissionsrechte mehr geben. Sprich, jedes kg CO2 wird bepreist.
Damit dies für Produzenten innerhalb der EU nicht zum Wettbewerbsnachteil gegenüber denen aus Nicht-EU-Ländern führt, wird derzeit das CBAM eingeführt. Es sorgt dafür, dass importierte Waren aus Ländern mit geringeren Klimaschutzstandards die gleichen CO2-Kosten tragen wie EU-Waren. Auch hier sind die Unternehmen verpflichtet, für ihre Treibhausgasemissionen CO2-Zertifikate zu erwerben. Die Kosten entsprechen dem EU-ETS. CBAM wird schrittweise eingeführt und gilt zunächst für ausgewählte Sektoren wie Stahl, Zement, Aluminium, Elektrizität und eben auch Düngemittel.
Die Düngerindustrie ist stark von diesen Mechanismen betroffen, da die Herstellung von Stickstoffdüngern wie Ammoniak und Harnstoff besonders energieintensiv ist und traditionell mit hohen CO2-Emissionen einhergeht. Ab 2026 sollen CO2-Importzertifikate verpflichtend sein. Dann wird die Düngemittelproduktion entsprechend des CO2-Aufschlags immer teurer werden. Gegenwärtige Schätzungen für das Jahr 2026 liegen bei 93 €/t CO2. Dieser Preis soll bis 2034 auf etwa 143 €/t CO2 ansteigen. Durchschnittlich fallen bei der Düngerproduktion 3,5 kg CO2/t N an. Am Beispiel von Kalkammonsalpeter würde dies eine Preiserhöhung von rund 89 €/t (2026) bzw. 136 €/t (2034) bedeuten.
Düngerproduzenten unter Zugzwang
Die Düngerproduzenten sind folglich gezwungen, in emissionsarme Methoden zu investieren. Die größten Potentiale sehen die im Übergang zu grünem Wasserstoff und im Einsatz von Technologien zur CO2-Abscheidung und -Nutzung. Entsprechend der eingesetzten Energieträger wird zwischen grauem, blauem und grünem Ammoniak als Rohstoff für die Düngerproduktion unterschieden.
- Graue Dünger. Der für die Ammoniakproduktion notwendige Wasserstoff wird durch Dampfreformierung gewonnen. Dabei reagieren fossile Brennstoffe wie Erdgas bei hohen Temperaturen mit Wasserdampf, wobei Wasserstoff und Kohlenmonoxid entstehen. Dieses vergleichsweise kostengünstige Standardverfahren emittiert allerdings große Mengen an CO2.
- Grüne Dünger. Hier wird der Wasserstoff mittels erneuerbarer Energien hergestellt. Entweder aus Biogas oder unter dem Einsatz erneuerbarer Energien aus Wasser (Hydrolyse). In beiden Varianten wird nahezu kein CO2 emittiert. Gegenüber grauem Dünger spricht man von einer CO2-Reduktion bis zu 90 %. Allerdings ist die Hydrolyse sehr energieaufwendig und Lagerung sowie Transport von reinem Wasserstoff sind schwierig. Beim Biogas kommen übrigens nur industrielle Großanlagen zum Einsatz und keine landwirtschaftlichen.
- Blauer Dünger. Hier kommt in der Wasserstoffproduktion weiterhin Methan aus fossilen Energieträgern (Erdgas) zum Einsatz, aber das entstehende CO2 wird abgeschieden und anschließend dauerhaft, im Optimalfall in den vorherigen Erdgas-Lagerstätten, gespeichert (Carbon Capture & Storage, CCS). Während CCS beispielsweise in den USA breit akzeptiert ist, trifft es in der EU auf gesellschaftspolitische Widerstände. Abhängig von der Entfernung zwischen Düngerproduktion- und Endlagerstätte sowie dem Transportsystem liegen die CO2-Einsparungen gegenüber grauem Dünger bei bis zu 60 %.
Düngerpreise
EU-ETS und CBAM bestimmen die Rahmenbedingungen und beeinflussen die Kostenstrukturen entlang der Lieferketten. Die hohen Preise für dekarbonisierte Dünger beim Landhandel beruhen derzeit aber noch auf den höheren Produktionskosten. Unabhängig davon haben sich die großen Landhändler und Lebensmittelketten bereits dazu verpflichtet, ihre Wertschöpfungsketten bis 2050 auf null zu dekarbonisieren und geben diese Anforderung an ihre Vorlieferanten weiter. Laut Yara stammen bis zu 80 % ihrer Emissionen aus den gelieferten Produktionsmitteln, allen voran die Agrarrohstoffe. Mit »grünem« Dünger kann der Landwirt CO2-Zertifikate erwerben, die er mit seinen Erzeugnissen an den Abnehmer weiterverkaufen könnte.
Pilotprojekte geben Aufschluss
Pilotprojekte wie das der Bäckerei Harry-Brot, des Düngerproduzenten Yara und des Mehlherstellers Bindewald & Gutting Mühlengruppe sollen zeigen, wie das in der Wertschöpfungskette funktionieren kann: 2024 setzten 10 Landwirte »grünen« Dünger ein, um auf 1 212 ha 8 630 t Weizen zu ernten, der zu ca. 7 000 t Mehl und letztlich CO2-reduziertem Toastbrot verarbeitet wurde. Solche Projekte bestätigen das enorme CO2-Einsparpotential im Anbau (allein durch den »grünen« Dünger – 24 %). Sie zeigen auch, dass dekarbonisierte Dünger für den Verbraucher lediglich Preiserhöhungen im Cent-Bereich bedeuten würden. Gäbe der Lebensmitteleinzelhandel diese Mehrkosten an den Verbraucher weiter, gewänne »grüner« Dünger für den Landwirt an Attraktivität.
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