Carbon Farming. Das Geschäft mit dem Kohlenstoff
Die ersten Carbon Farming-Programme in Deutschland sind knapp sieben Jahre alt. Wer sind die wesentlichen Anbieter, worin unterscheiden sich ihre Programme und wie umfangreich werden diese von der Praxis genutzt?
In Deutschland gibt es mehrere nicht staatliche Carbon Farming-Programme, über die Landwirte sich Leistungen der CO2-Sequestrierung und/oder Emissionsvermeidung honorieren lassen können. Unter anderem über CO2-Zertifikate, die am freiwilligen Kohlenstoffmarkt gehandelt werden (Offsetting). Offizielle Zahlen zur Verbreitung dieser finanzierten Maßnahmen fehlen. Annahmen der Anbieterseite liegen bei bundesweit 140 000 ha, Tendenz steigend. Das Potential wird auf über 5,5 Mio. ha und Reduktionen von 5 Mio. t CO2/Jahr geschätzt. Die Programme sind heute derart differenziert, dass keines ist wie das andere. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit stellen wir die wesentlichen vor.
CarboCert
Das deutsche Unternehmen war 2017 einer der ersten Anbieter. Heute hat es rund 26 000 ha in Deutschland und der Schweiz unter Vertrag und arbeitet mit rund 460 Landwirtsbetrieben zusammen. Das Programm honoriert die CO2-Bindung im Boden in Form von Zertifikaten
und basiert auf einer punktgenauen Bodenbeprobung und -analyse. Der Landwirt verpflichtet sich für mindestens zehn Jahre, ist in der Wahl der ackerbaulichen Maßnahmen aber frei. Nach frühestens drei Jahren wird der Humusaufbau ermittelt. Nach der Zertifizierung und dem Verkauf erfolgt die erste Auszahlung von mindestens 30 €/t zusätzlich gebundenen CO2 (Sequestrierung). 3 – 5 t CO2/ha und Jahr
werden laut Anbieter erreicht, der davon 20 % einbehält, um einen eventuellen Humusabbau abzusichern. Der Landwirt muss mit Kosten für die Bodenbeprobung von 110 €/Einheit (1 – 5,9 ha) rechnen, spart aber die Grundbodenuntersuchung.
Klim
Seit 2021 belohnt das Berliner Startup Landwirte für den Aufbau von Bodenkohlenstoff und die Reduktion von THG-Emissionen. Finanziert wird dies durch den freiwilligen Zertifikatehandel sowie Einnahmen aus Insetting-Projekten. Insetting bedeutet, dass beispielsweise Lebensmittelunternehmen CO2-Reduktionen direkt in der eigenen Lieferkette umsetzen, indem ihre Partner aus der
Landwirtschaft nachhaltige Anbaumethoden anwenden.
Die Teilnahme ist bei Klim kostenlos und Vor-Ort-Kontrollen und Bodenproben sind kaum erforderlich. Stattdessen dokumentiert der Landwirt seine selbst gewählten ackerbaulichen Maßnahmen und weitere Bewirtschaftungsdaten in einem App-basierten Bewertungssystem, das auf regional kalibrierten Modellen zur Kohlenstoffbindung und -reduktion basiert. Das System berechnet auf Basis der vergangenen drei Jahre die THG-Referenzwerte und ermittelt letztlich die CO2e-Verbesserungen in der Bewirtschaftung (CO2e
steht für Kohlendioxid-Äquivalente). Diese werde vom TÜV Rheinland verifiziert. Landwirte erhalten 30 – 35 €/t CO2e, 75 % jährlich, den Rest nach fünf Jahren. In Deutschland, Österreich, Schweiz und Polen sind 3 500 Betriebe mit 700 000 ha registriert, die 2023 durchschnittlich 1,1 t CO2e/ha erreichten.
BayWa
Sie hat 2021 das Projekt »Klima-Landwirtschaft« initiiert. Dabei werden Klima- und Artenschutzleistungen nicht über den Zertifikatehandel, sondern über regionale Patenschaften oder Lieferkettenprojekte finanziert. Derzeit laufen diese auf etwa 6 000 ha mit 60 Landwirten, vorwiegend in Bayern. Sie verpflichten sich für drei Jahre, Winterweizen zu liefern, bei dessen Anbau sie festgelegte
Maßnahmen zur Kohlenstoffbindung und THG-Vermeidung sowie Biodiversitätsmaßnahmen umsetzen. Diese wählen sie aus einem Katalog, der auch bestimmte Dünge- und Pflegemaßnahmen im Grünland oder die Güllebehandlung mit methanreduzierenden
Hemmstoffen enthält. Je nach Modell (Patenschaft/Lieferkettenprojekt) ist eine kalkulierte Leistung von 1 – 3 t CO2e/ha und Jahr gefordert. Diese wird jährlich durch ein Audit geprüft. Bei »Bestehen« winken 20 – 60 €/t CO2e. Dem stehen Systemkosten von 10 – 20 €/ha und Jahr gegenüber, unter anderem für Bodenproben.
Agreena
Das dänische Unternehmen startete 2021 sein Carbon Farming-Programm mit dem Anspruch, Landwirte beim Übergang zu regenerativer Landwirtschaft beratend und finanziell zu unterstützen. 2024 sollen Betriebe aus 18 europäischen Ländern mit 5,5 Mio. ha teilnehmen. Sie verpflichten sich zu ganzjähriger Bodenbedeckung, reduzierter Bodenbearbeitung und/oder Düngung und erhalten dafür jährlich frei handelbare CO2-Zertifikate.
Das Geschäftsmodell basiert auf einer hausinternen KI-gestützten Satellitenanalytik, die Bodenproben ersetzt, sowie einem Monitoring der Maßnahmen und Ernteergebnisse. Zuletzt sollen bis zu 1,6 t CO2e/ha erreicht worden sein, vergütet mit 32 €/t. Das Programm läuft
zehn Jahre, gefolgt von zehn Jahren Monitoring. Die Landwirte können es flexibel verlassen und es ist für sie gebührenfrei, wobei
Agreena einen Anteil der gemeinsam erwirtschafteten Zertifikate behält.
BASF und RWZ
Die beiden starteten 2022 das Programm »KlimaPartner Landwirtschaft«. Es bringt Landwirte und Unternehmen der Nahrungsmittelkette in Insetting-Projekten zusammen. Dabei erwerben beispielsweise Mühlen Zertifikate CO2-optimierten Winterweizens. Ebenso werden globale CO2-Zertifikate verkauft (Offsetting). Die THG-Reduktion wird in kg CO2e/t Erntegut auf Basis feldspezifischer Daten der letzten drei Jahre und Bodenproben gemessen. Berücksichtigt werden Maßnahmen zur CO2-Vermeidung und -Sequestrierung sowie zur Förderung der Artenvielfalt. Der Landwirt wählt sie frei und managt sie über eine digitale Plattform, die auch den CO2-Fußabdruck berechnet. Der Anbau CO2-optimierten Weizens wird pauschal mit mindestens 40 €/ha vergütet. Hinzu kommen Einnahmen aus dem Zertifikatehandel, sofern eine Reduktion von mindestens 30 % CO2e/t Erntegut erreicht wurde. Dies wird jährlich kontrolliert. Durchschnittlich sind es laut BASF 143 kg CO2e/t Winterweizen. Die Teilnahme ist kostenfrei, verpflichtet für fünf Jahre und umfasst zur Ernte 2025 33 Landwirte mit 16 700 ha.