Bauernproteste. Die Sicht der Gesellschaft
Verständnis und Zustimmung für die Proteste, aber Ablehnung radikaler und besonders störender Protestformen – das ist das Ergebnis einer aktuellen Verbraucherbefragung. Marius Michels, Thore-Maximilian Biß und Oliver Mußhoff stellen sie vor.
Im Rahmen der Bauernproteste gegen die Abschaffung der Agrardieselrückvergütung und Kfz-Steuerbefreiung im Winter wurden verschiedene Aktionen wie Mahnfeuer, Sternfahrten und Traktorkorsos organisiert. Die Demonstrationen zogen weite Kreise und reichten bis nach Brüssel, wo Landwirte mit einer Blockade des Europaviertels ihrem Frust gegen EU-Regulierungen Luft machten. Sind die Gründe der Proteste für die Bevölkerung nachvollziehbar? Und wie sehen die Verbraucher die gewählten Protestformen? Dazu hat die Georg-August-Universität Göttingen eine repräsentative Umfrage unter 637 Verbrauchern durchgeführt.
Breite Öffentlichkeit findet Bauernproteste gerechtfertigt. Die Ergebnisse der Umfrage bieten interessante Einblicke in die öffentliche Meinung zu den Bauernprotesten. Eine große Mehrheit der befragten Verbraucher zeigt Verständnis für die Gründe der Demonstrationen: 274 der Befragten bzw. 43 % stimmten voll und ganz zu, dass sie die Gründe nachvollziehen können (siehe Grafik 1). 182 Personen (29 %) stimmten eher zu. Damit zeigten unterm Strich insgesamt 72 % der Befragten zumindest teilweise Verständnis für die Bauernproteste. Lediglich 10 % konnten die Demonstrationen nicht nachvollziehen.
Repräsentative Umfrage
Die Umfrage wurde vom Marktforschungsinstitut Bilendi im Zeitraum vom 26. April bis zum 10. Mai 2024 durchgeführt. Die Stichprobe der befragten Verbraucher ist repräsentativ hinsichtlich der Altersstruktur der Befragten, ihres Bildungsabschlusses, ihres Geschlechts, ihres Hauptwohnsitzes in den einzelnen Bundesländern sowie ihres Migrationshintergrundes. Mehr als die Hälfte der befragten Verbraucher gab an, keinen direkten Bezug zur Landwirtschaft zu haben. Nur 38 der 637 Befragten gaben zudem an, direkt in der Landwirtschaft tätig zu sein bzw. dass die Landwirtschaft ein fester Bestandteil ihres sozialen/familiären Umfelds ist.
Wenig Zustimmung für die protestauslösenden Politikmaßnahmen. Der Abschaffung der Agrardieselrückvergütung stimmten 158 Personen (25 %) überhaupt nicht zu und 96 (15 %) eher nicht zu. 218 Verbraucher (34%) waren neutral eingestellt und lediglich 26 % bzw. 165 Verbraucher befürworten die Abschaffung der Agrardieselrückvergütung.
Und auch hinsichtlich der Frage zur Abschaffung der Kfz-Steuerbefreiung zeigt sich, dass eine Mehrheit der Verbraucher diese Maßnahme ablehnt oder ihr zumindest neutral gegenübersteht.
Differenziertes Meinungsbild zu den gewählten Protestformen. Die Grafik 2 veranschaulicht, welche Protestformen der Landwirte die befragten Verbraucher in welchem Maße als gerechtfertigt empfinden.
- Treckerkorsos in Städten sind am akzeptabelsten für die Verbraucher. Knapp ein Drittel (31 %) bzw. 200 Verbraucher sehen sie als voll und ganz gerechtfertigt und 25 % (160 Personen) als eher gerechtfertigt an. Diese Protestform scheint aufgrund ihrer Sichtbarkeit und indirekteren Störung breite Zustimmung zu finden.
- Mahnfeuer werden ebenfalls weitgehend positiv bewertet. 22 % (138 Personen) stufen sie als voll und ganz gerechtfertigt und 21 % (137 Personen) als eher gerechtfertigt ein. Diese Protestform wird offenbar als angemessenes Mittel angesehen, um auf die Anliegen der Landwirte aufmerksam zu machen, ohne dass sie als zu störend empfunden wird.
- Blockaden von Politikern erweisen sich überraschenderweise auch als ziemlich akzeptiert mit einem Anteil von 29 % (187 Personen) bzw. 14 % (88 Personen), die diese als voll und ganz gerechtfertigt bzw. eher gerechtfertigt bewerten. Dagegen stehen jedoch auch 22 % (142 Personen) bzw. 11 % (70 Personen) der Verbraucher, die diese Aktion als überhaupt nicht bzw. eher nicht gerechtfertigt bewerten.
Weniger Zustimmung finden hingegen direktere Störaktionen wie das Blockieren von Autobahnauffahrten durch Traktoren und das Abkippen von Mist und Gülle auf Straßen und vor Gebäuden. Diese werden überwiegend als überhaupt nicht gerechtfertigt eingestuft (462 der befragten Verbraucher). Daraus lässt sich schließen, dass die Öffentlichkeit diese Methoden als zu radikal oder störend empfindet. Auch die Blockade von Kreuzungen und Straßen stößt eher auf Ablehnung, wobei der größte Anteil der Verbraucher diese als neutral einstuft (29 % bzw. 182 Personen). Das Blockieren von Warenverteilzentren des Lebensmitteleinzelhandels zeigt eine annähernd gleichmäßige Verteilung über alle Kategorien. 99 Befragte halten diese Aktion für voll und ganz gerechtfertigt, 121 Personen distanzieren sich und halten sie für überhaupt nicht gerechtfertigt. Die meisten der Verbraucher (200 Personen) stehen dieser Protestform neutral gegenüber. Es ist also fraglich, inwieweit diese Form der Störung als gerechtfertigt betrachtet werden kann, möglicherweise beeinflusst durch das Verständnis für die Dringlichkeit der Forderungen im Vergleich zu den potenziellen Unannehmlichkeiten für die Allgemeinheit.