Getreideanbau ohne Flufenacet
Wie kann es post-Flufenacet weitergehen? Welche Szenarien sind denkbar? Pflanzenschutzexperte Dirk Wolber zeigt aktuelle und zukünftige Optionen auf.
Weniger Wirkstoffe, weniger Verfügbarkeit und mehr Geruchsbelästigung?
Mit dem Wegfall von Flufenacet bricht eine ganze Basis an Bodenherbiziden im Getreide weg. Nach dem Wegfall von S-Metolachlor werden weitere Regularien bei Metribuzin, Dimethenamid und Terbuthylamin erwartet. Letzteres wird vermutlich bis 2026 ebenfalls wegfallen. Was dann noch an gräserwirksamen Wirkstoffen bleibt, sind Pendimethalin, Prosulfocarb, Aclonifen und Chlortuloron. Diese Wirkstoffe haben allerdings eines gemeinsam: sie sind bei der EU-Genehmigung alle als sogenannte Substitutionskandidaten gelistet und könnten ebenfalls kurzfristig (2024 bis 2027) wegfallen. Weiterhin gibt es die besonders resistenzgefährdeten ALS-Hemmer und ACCase-Hemmer sowie die in Blattfrüchten eingesetzten FOP´s und DIM´s. Neue herbizide Wirkstoffe zur Bekämpfung von Schadgräsern werden frühestens in 2027 erwartet, vielleicht auch erst später.
In den künftigen Herbizidempfehlungen werden die genannten Substitutionskandidaten mehr oder weniger gemeinsam als Kombinationen oder Spritzfolge zur Anwendung kommen. Damit sind weitere Probleme beim Herbizideinsatz im Herbst vorprogrammiert. Einerseits riechen die prosulfocarbhaltigen Herbizide unangenehm. Ihr Einsatz wird als störender Geruch in der Landschaft wahrgenommen und Beschwerden werden sicherlich zunehmen. Anderseits sind diese Wirkstoffe stark abtriftgefährdet und könnten nach Fehlanwendungen auf Nichtzielflächen gelangen. Dabei ist es vollkommen unerheblich, ob einzelne Herbizide mit diesen Wirkstoffen aus formaltechnischen Gründen von einzelnen belastenden Anwendungsbestimmungen befreit sind. Sie bleiben abtriftgefährdet und unangenehm riechend!
Möglicherweise mehr Ackerfuchsschwanz und Weidelgras?
Welche Probleme sich ohne einen effektiven Bodenherbizideinsatz ergeben, konnten wir bereits nachhaltig nach dem Herbst 2023 feststellen. Vielerorts musste aufgrund der starken Regenereignisse auf den Herbizideinsatz verzichtet werden, so dass in diesem Sommer auf diesen Flächen deutlich mehr Unkräuter und Ungräser wuchsen. Dazu gehörten die Top 10 der in getreidereichen Fruchtfolgen gefürchteten und teilweise von Resistenzen betroffenen Unkräuter und Ungräser.
Grafik 1 zeigt die Häufigkeit an Unkrautarten, die in Herbizidversuchen auf Getreideflächen in Niedersachsen vorkommen. Ausgewertet wurden 244 Herbizidversuche der Jahre 2018-2020. Es wurden nur Versuche ausgewertet, bei denen ein Unkrautdeckungsgrad der einzelnen Unkrautarten von > 5 % in den Kontrollen vorlag. Insgesamt wurden 39 Unkrautarten erfasst. Unter den Top 10 waren bis 2020 Ackerfuchsschwanz, Stiefmütterchen, Windhalm, Echte Kamille, Vogelmiere, Klettenlabkraut, Vergißmeinnicht, Klatschmohn, Wiesenkerbel, Kornblume.
Weidelgras war bis dahin kaum festzustellen, während ses heute bundesweit zunehmend gefunden wird und bereits starke Resistenzerscheinungen gegenüber ACCase-Hemmern, ALS-Hemmern und vereinzelt auch Flufenacet beobachtet werden. Besteht Unsicherheit, wird dringend eine Resistenzuntersuchung empfohlen, um sicherzustellen, dass die Herbizidauswahl noch wirkt. Frühjahrsbehandlungen ohne Bodenherbizidvorlage aus dem Herbst sind mit entsprechend hohen Besatzdichten aufgrund der häufigen Resistenzentwicklung vielerorts nicht mehr ausreichend wirkungssicher. Vom Feldrand in die Fläche einwachsende Schadgräser, insbesondere Weidelgräser oder Ackerfuchsschwanz, sind besonders resistenzgefährdet und werden durch einseitigen Wirkstoffeinsatz rasch herausselektiert.
Tickende Zeitbombe auf dem Acker?
Nach dem zunehmenden Ungrasdruck der letzten Jahre besteht die Gefahr, dass auch im kommenden Frühjahr mehr Ackerfuchsschwanz aber auch Weidelgras, Trespen und Windhalm zu finden sind. Daher wird zum Frühjahr eine gewissenhafte Kontrolle des Ungrasbesatzes notwendig! Jede unbemerkte Pflanze bildet 4-10 Ähren, also bis zu 2000 Ackerfuchsschwanzsamen bzw. 1500 Weidelgrassamen. Bei nur 10 Pflanzen/m² entwickeln sich somit 20.000 Samen/m² bzw. 200 Mio. Samen/ha. Ein enormes Samenpotential, dem entschieden begegnet werden muss. Sonst bleibt das Problem über Jahre bestehen. Besonders Weidelgräser behalten ihre Samen, im Gegensatz zu anderen Ungrasarten, bis zum Erntezeitpunkt an der Pflanze und gelangen somit zu hohen Anteilen mit in die Erntemaschine. Die Keimruhe der Weidelgrassamen ist kürzer als beim Ackerfuchsschwanz. Zusätzlich besteht die Gefahr, dass ein ALS-resistenter Biotyp dabei ist. Unter der Annahme, dass alle Samen keimen könnten, würden pro ha ca. 200 Ackerfuchsschwänze bzw. Weidelgräser heranwachsen, die entweder gegen Flufenacet oder Mesosulfuron oder beides resistent sind. Bei einer Unkrautbekämpfung mit intensiver Bodenbearbeitung und sicherer Unkrautleistung der Herbizide könnte das Problem vielleicht gelöst werden. Liegen die Wirkungsgrade der Bodenherbizide im Herbst witterungsbedingt nur bei 60-80 %, erscheint die Entwicklung von resistenten Unkrautpopulationen wie eine tickende Zeitbombe auf dem Acker.
Was kann bei einem starken Ungrasdruck noch vor der nächsten Saat in 2025 gemacht werden?
Fruchtfolge, Bodenbearbeitung und Saattermin sollten angepasst werden.
Stoppel- und Bodenbearbeitung
Oft kann eine veränderte Fruchtfolge mehr Zeit zur Bodenbearbeitung bringen. Die intensive Stoppelbearbeitung unterstützt die Strohrotte und die Stroh- und Spreuverteilung wird gleichmäßiger und bewirkt einen gleichmäßigen Aufgang der Unkrautsamen. Je gleichmäßiger das Unkraut aufläuft, desto niedriger ist sein Potential später in der Kultur. Allerdings sind 6-8 Wochen Keimruhe beim Ackerfuchsschwanz keine Seltenheit.
Neuere Erkenntnisse zeigen, dass eine Stoppelbearbeitung möglichst flach sein sollte. Ultraflach arbeitende Grubber vergraben die Unkrautsamen deutlich seltener als der betriebsübliche Grubber mit 10-15 cm Arbeitstiefe. Unterstützend für eine schnellere und gleichmäßigere Unkrautentwicklung nach dem flachen Grubbereinsatz wirkt ein zusätzlicher Arbeitsgang mit einer Crosskill-Walze, insbesondere wenn der zweite Grubberstrich nach später Ernte nicht mehr möglich ist. Grundsätzlich sind häufigere und flache Bodenbearbeitungen vor dem Auflaufen der Kultur angeraten. Weiterhin ermöglicht moderne Saattechnik mit minimaler Bodenbewegung einen reduzierten Neuauflauf von Ackerfuchsschwanz nach der Saat.
Ein einheitliches, feinkrümeliges Saatbett bewirkt neben einem gleichmäßigen Getreidebestand ein rasches Auflaufen der Ungräser. Dem Ungrasbesatz wird ein sogenanntes „Scheinsaatbett“ geschaffen. Dadaurch läuft eine erste „Welle“ des Ackerfuchsschwanzes nach der Keimruhe gleichmäßiger und frühzeitiger auf. So verbleibt ausreichend Zeit für den Einsatz von Striegeltechnik oder Glyphosat zur Ackerfuchsschwanzbekämpfung, noch bevor die Saat erfolgt. Wichtig ist in diesem Verfahren, dass nach dem Einsatz von Glyphosat keine weitere Bodenbearbeitung erfolgt. Sonst würde erneut Ackerfuchsschwanz oder auch Weidelgras, noch vor der Saat des Getreides, auflaufen und durch Bodenherbizide nur schwer zu erfassen sein.
Späte Saat
Die Saat sollte künftig unbedingt erst dann erfolgen, wenn die Anwendung von Herbiziden auch zeitnah möglich ist. Insbesondere bei eher trockenen Bodenbedingungen kann so die Restfeuchte direkt nach der Saat die Wirkung von Bodenherbiziden noch unterstützen (Grafik 2).
Besonders effektiv gegen Ackerfuchsschwanz und Weidelgras ist eine nur 1-2 Wochen verzögerte Aussaat gegenüber den ortsüblichen Terminen! Hierdurch lässt sich das Auflaufverhalten der Schadgräser deutlich reduzieren, da durch diese Verzögerung das Keimverhalten negativ beeinflusst wird (Grafik 3).
Striegeleinsatz
Abschließend ist der Einsatz eines Striegels auch nicht zu unterschätzen. Besonders das „Blindstriegeln“ kurz vor dem Auflaufen der Kultur im Herbst kann bei optimalen Einsatzbedingungen einen möglichen Herbizideinsatz gegen Ackerfuchsschwanz unterstützen.
Licht am Horizont
Ein kleiner Ausblick in Richtung „neuer“ Herbizidwirkstoffgruppen kann in der zu erwartenden angespannten Situation vielleicht etwas beruhigend wirken. Es gibt „Licht am Horizont der Bodenherbizide“, allerdings ist mit einer Zulassung von neuen Wirkstoffen nicht vor dem Herbst 2027 zu rechnen. Neue Herbstherbizide mit bisher „resistenzunbelasteten“ Wirkstoffen (hier Prüfmittel genannt, Grafik 4) sind solo wirksamer als bisherige Standards und können auch zur Resistenzvorsorge direkt mit weiteren Partnern kombiniert werden. Es bleibt aber abzuwarten, wann diese neuen Herbizidwirkstoffe kommen.